Essen. . Weder ein einziger Flop noch die eine große Inszenierung retten ein Theater durch die Saison. Unsere Redaktion blickt in der Zeit der Theaterferien zurück und ordnet ein, wie sich in der ausgeklungenen Spielzeit die Theater von Dortmund bis Düsseldorf geschlagen haben.
Auf den Bühnen in NRW sind derzeit Theaterferien, das kulturelle Treiben konzentriert sich auf Bayreuth und Salzburg. Zeit, um einen Blick zu werfen auf die vergangenen Theater-Saison an Rhein und Ruhr.
Aalto-Theater
Es war kein Missklang, aber auch kein Triumphmarsch, der die neue Intendanz des Aalto-Theaters durch ihre erste Spielzeit begleitete. Man spürt deutlich Hein Mulders Wunsch, sich vom Vorgänger abzusetzen. Bleibt die Frage, ob er mit Orchideen-Akzenten von Barock bis Belcanto den Bedürfnissen eines Stadttheaters (und das Aalto ist eines, überregionale Geltung hin oder her) genügend Rechnung getragen hat. Auch die vielen waltenden Dirigenten erfreuen nicht jeden. Das Publikum war halt Soltesz-fixiert. Die zweite Saison wird (s)eine Herausforderung!
Schauspiel Essen
„Leidenschaft, Wahnsinn und Rausch“, so die Themen der vergangenen Grillo-Spielzeit, sieht man gerne im Theater. Doch Essens Schauspiel-Intendant Christian Tombeil weiß sein Haus ganz ohne Exzesse zu führen, solide, aber nicht ohne Mut zum Besonderen. Kafkas kluger „Prozess“, Molières „Geiziger“ als zeitloses Spiel über den gar nicht geilen Geiz und Goethes „Werther“ als kultverdächtiger Liebesleidender mit Gitarre sind Glanzlichter einer vornehmlich klassisch geprägten Spielzeit mit wenigen Schattenseiten und einem immer stärker aufspielenden Ensemble.
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Schauspielhaus Bochum
Die vierte Spielzeit Anselm Webers gilt dem Intendanten des Bochumer Schauspielhauses selbst „als die beste, die wir hier gemacht haben“. 185.000 Theaterkarten wurden abgesetzt, die Auslastung lag bei 76,6 Prozent. 624 Veranstaltungen wurden absolviert. Der Mix macht offenbar den Erfolg. Quotenbringen waren unterhaltsame Inszenierungen wie das „Bochum“-Singspiel mit Grönemeyer-Hits, aber auch ambitionierte Produktionen wie die fünfstündigen „Nibelungen“. Mit dem „Detroit-Projekt“ wurde eine öffentlichkeitswirksame Debatte angestoßen, die nach der Zukunft Bochums nach Schließung der Opelwerke fragte.
Theater Oberhausen
Intendant Peter Carp setzte weiter auf das Unerwartete. Einmal („Die Räuber“) ging das schief. Doch sonst durfte gefeiert werden. Simon Stones unbekümmerter Umgang mit der „Orestie“ des Aischylos erhielt den Preis für die beste Ensembleleistung beim NRW-Theatertreffen.
Die großen Qualitäten des Ensembles zeigten sich etwa in Stefanie Carps Dramatisierung der Hürlimann-Novelle „Das Gartenhaus“. Auch beim Musical setzte man auf Risiko – und landete mit dem Bollywood-Spektakel „Gottes kleiner Krieger“ und Sondheims „Into the Woods“ zwei grandiose Volltreffer. Der Mut hat sich ausgezahlt – um den Preis, dass die Erwartungen steigen.
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Düsseldorfer Schauspielhaus
Auffällig ist, dass so wenig in Erinnerung geblieben ist. Künstlerisch verklingt die Saison ohne Nachhall. Ein umjubelter „Faust 1-3“, ein schlechter „Spieler“, ein guter „Bunbury“ und viel Mittelmaß. Trotzdem schaffte es das Schauspielhaus in die Schlagzeilen. Durch ein neues Spitzendefizit: 5,4 Millionen. Stadt und Land als Hauptgesellschafter reagierten; Platzverweis für Interims-Intendant Manfred Weber. Für ihn hat vorübergehend Alt-Intendant Günther Beelitz übernommen. Er muss es richten mit wachsenden Kosten und schwindenden Zuschauern. Erst 2016 soll ein neuer Theaterleiter antreten.
Oper Dortmund
Mit Mühe erholt sich die auch durch John Dew und Christine Mielitz abgewirtschaftete Westfalenoper. Selbst ordentliche Regie-Arbeiten finden zu wenig Publikum. In Sachen Platzauslastung war die neue „Carmen“ trotz Katharina Thomas bekannter „Bad Taste“-Deutungen der Renner. Die von Intendant Herzog bei Amtsantritt als Markenzeichen des Hauses angekündigten szenischen Oratorien bleiben angreifbar. Kompliment ans Sängerensemble: Eben habe sich zwei erste Kräfte von führenden Häuser Europas abwerben lassen. Die überzeugende szenische Handschrift fehlt in Dortmund allerdings nach wie vor.
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Theater Dortmund
Die Dortmunder Zuschauer wissen inzwischen, dass sie das waghalsigste und spannendste Theater weit und breit besitzen. Nur die überregionale Kritik findet den Weg dorthin nach wie vor leider selten – für die ist traditionell Bochum immer noch die letzte Ausfahrt. Was schade ist, denn nach einem derart packend-kompakten „Peer Gynt“ von Hausherr Kay Voges und nach etwas schauspielerisch derart Berührendem wie Jörg Buttgereits „Der Elefantenmensch“ muss man anderswo suchen. Nach aufregenden Eigenproduktionen wie dem selbst zusammengerührten Märchenmassaker „Republik der Wölfe“ erst recht.
Rheinoper
Auf den ersten Blick war es in Düsseldorf und Duisburg eine recht unspektakuläre, durchwachsene Saison: brillant Brittens „Death in Venice“, originell „Die Zauberflöte“, innovativ „Gegen die Wand“, gediegen Verdis „La Traviata“ und „Luisa Miller“, mäßig „Lohengrin“. Es gab keine Sensationen, aber auch keinen Skandal à la Nazi-„Tannhäuser“ (2013 nur 1x gespielt, dann nie wieder). Überregional strahlt die Oper zwar nicht so weit aus wie der Kult um Ballettdirektor Martin Schläpfer. Doch Intendant Christoph Meyer hält eisern und letztlich erfolgreich den Ensemblegeist der Rheinoper hoch und stärkt damit deren Rückgrat und Existenzberechtigung. Einzelne Tops oder Flops rücken da eher in den Hintergrund.
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Musiktheater im Revier
Ältere kennen ihn noch als Spielleiter im Aalto. Und nun ist Generalintendant Michael Schulz plötzlich gar der aktuell dienstälteste Opernchef der Region. Respekt! Auch 2014 blickt „sein“ Musiktheater im Revier, das Schulz seit 2008 leitet, auf eine recht gute Spielzeit zurück. Dass eine ausgezeichnete Regie-Arbeit wie die „Jenufa“ nicht den Massenerfolg des Renners „Cabaret“ zeitigt, ist keine Überraschung. Apropos Renner: Schulz (einst durch seine „Fledermaus“ eher gebranntes Operettenkind) gibt dem Genre wieder eine Chance. Jahre lauschte man Operetten in Gelsenkirchen nur konzertant. In der kommenden Saison wird’s wieder szenisch. Plüschig gerät das sicher nicht: Dietrich Hilsdorf sitzt am Regiepult...
Mülheim und Moers
Mülheim und Moers: kleine Häuser, die sich finanziell extrem beschränken müssen. In vieler Hinsicht sind sie verschieden. In Mülheim hält der nun 80-jährige Prinzipal Roberto Ciulli seinem Blick zu Theaterkulturen der Welt die Treue. Sein Ensemble vom „Theater an der Ruhr“ gastiert umgekehrt mit Ciulli-Klassikern wie mit neuen Arbeiten nach wie vor auf vielen Bühnen. In Moers behauptet sich in rabiaten Spar-Zeiten am Niederrhein äußerst tapfer. Die Experimentierfreude lässt sich Intendant Ulrich Greb auch vom kreisenden Rotstift nicht nehmen. So soll es bleiben!