Moers. . Ein Klassiker, straff reduziert. Am Moerser Schlosstheater hat der Intendant selbst Lessings „Nathan der Weise“ neu inszeniert. Der weise Nathan wird vom gesamten Ensemble gesprochen: im Chor. Die ganz große Begeisterung blieb beim Premierenpublikum aus.

Da hatten es die alten Griechen und Römer mit ihren vielen Göttern leichter: Einer mehr oder weniger, da kam es nicht drauf an. Den einen Wahren konnte es so nicht geben. Die monotheistischen Religionen dagegen erheben den Anspruch, die jeweilige Wahrheit gefunden zu haben. Insofern herrscht beim Moerser „Nathan der Weise“ erstmal lange betretenes Schweigen auf der Bühne: Welche ist nun die wahre Religion? Als Antwort lässt Intendant Ulrich Greb zahllose Tonfigürchen aus ei­ner Art Ofen holen und auf die Bühne tragen.

Die Ringparabel, die in Lessings Stoff Judentum, Islam und Christentum nebeneinander stehen lässt und als Idee der Toleranz gilt, eröffnet Grebs Inszenierung. Da sitzen die Schauspieler auf der Bühne bei einer Art therapeutischem Kneten mit Ton und murmeln Passagen daraus. Aber das mit der Toleranz ist nicht so einfach, wenn einer dem anderen das liebevoll geformte Tonfigürchen kaputt haut. Der große Tonklumpen eröffnet viele Deutungsmöglichkeiten: Wie formbar ist der Mensch? Sollte sich jeder seinen Golem formen, um weiser zu werden? Ist Toleranz doch bloß Gleichmacherei? Und schließlich eröffnet er die Möglichkeit zum einzigen lauten und komödiantischen Augenblick auf der Bühne, als sich die Schauspieler das matschige Zeug um die Ohren werfen: Wer schmeißt denn da mit Lehm? Auch der Gassenhauer fragte nach dem freundlichen Miteinander.

Zwei spannende Stunden

Ulrich Greb dreht (gemeinsam mit Dramaturgin Jurgita Imbrasaite) Lessings Nathan ganz schön auf links, wenngleich er sich nah am stark gekürzten Original bewegt. Er beschwört viele Bilder herauf, denen der Zuschauer in den durchaus spannenden fast zwei Stunden zu folgen versucht. Aber das macht den Zugang auch etwas schwer. Der weise Nathan wird vom gesamten Ensemble im Chor gesprochen. Alle fünf Schauspieler spielen zunächst in weißen, langen Kleidern, später in weißen Unterhosen. Alle sind gleich? Das geht soweit, dass sich niemand der drei Männer und zwei Frauen auf der Bühne mit seiner Rolle nach vorn spielen kann. Indem Greb Gurdjieff-Tänze einflicht, bemüht er eine weitere spirituelle Instanz auf der Suche nach Harmonie.

Die findet sich aber ebensowenig in der Toleranzstatistik, wenn die Schauspieler Fragen vorlesen und beantworten wie „Witze auf Kosten von Behinderten lehne ich ab – manchmal“. Die lässt sich nicht herbeisingen mit Daliah Lavis „Jerusalem“. Sie wird mit noch so vielen Umarmungen nicht ehrlicher. Zum Schluss tauschen die Schauspieler unter fröhlichen „Hier braucht’s Taten“-Rufen Blutkonserven. 200 Jahre nach dem Lessing-Stoff fragt Greb: Wie tolerant ist Toleranz? Freundlicher Beifall.