Bochum. . Die Komposition „Just in Time, just in Sequence“ feierte Uraufführung im Bochumer Schauspielhaus. Der amerikanische Komponist Ari Benjamin Meyers hat das Auftragswerk fürs Detroit-Projekt geschaffen, das sich als Kunstfestival mit dem Ende der Opel-Fabrik auseinandersetzt.
Schichtarbeit im Schauspielhaus. Die Werkssirene heult und die Frühschicht nimmt die Arbeit auf. Acht Stunden später heult die Sirene wieder, die Nachtschicht ist durch. Das Ergebnis: nicht fassbar, dennoch bejubelt und beklatscht. In Bochum hat „Just in Time, just in Sequence“ stattgefunden, die Weltpremiere einer gewaltigen Komposition des amerikanischen Komponisten Ari Benjamin Meyers. Ein Auftragswerk fürs Detroit-Projekt, das sich als Kunstfestival mit dem Ende der Opel-Fabrik auseinandersetzt.
„Achtung, Achtung“ – fast 400 Menschen musizieren
„Just in Time, just in Sequence“ ist die bei Werksbesichtigungen immer wieder zu hörende Formel des Autobaus. Sie beschreibt die zeitlich präzise definierten Arbeitsschritte der Produktion. Der 1972 geborene New Yorker Meyers, der sich in den letzten Jahren vom reinen Komponieren und Dirigieren abgewandt hat, um vermehrt und sehr erfolgreich in der bildenden Kunst zu arbeiten, hat das Fabrikationsprinzip zum ästhetischen Konzept erhoben. Seine Komposition nennt er ein „komponiertes Stadtfest“. Dazu gehört die 8-Stunden-Partitur, die durchgängig an drei Stellen auf die Wände projiziert wird, aber auch die soziale Komponente, die vor allem eine logistische ist. Fast 400 Beteiligte musizieren, exakt nach Zeitplan.
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„Achtung, Achtung“, rief ganz zu Anfang Günter Alt vom Schauspielhaus-Ensemble durch das Mikro, „die Frühschicht auf ihre Plätze“. Die Aufführung, die Performance, findet im Raum statt: auf der großen Bühne mittels 15 Drumsets, im Foyer mit Orchestergruppen und diversen Chören. Die Musizierenden sind dabei größtenteils Laien, sehr viele Musikschüler und Privatchöre machen mit.
Den Beginn markiert ein einzelner Trommler, immer mehr Sound-Schichten kommen über die Stunden hinzu, überlagern sich, korrespondieren. Das Klangbild ist zunächst meditativer Natur. Intonationsunschärfen gehören dazu, wie auch die stets sichtbaren Pausen.
In den letzten drei Stunden stampft dann der Puls: fünfzehn Schlagwerker geben den Beat vor, das Orchester erzeugt Drone-Klänge, die „Fabrik“ läuft auf Hochtouren. Repetitive Musik, handgemachter Techno fast, mitreißend, der Chor tanzt. Der enthusiasmierte Intendant Anselm Weber bekennt: „Das Konzert hat nur einen Nachteil. Es ist zu kurz“.
Die Menschen singen:„Wir leben“
Am Ende dirigiert der Komponist selbst im Mittelfoyer, die Instrumente sind verstummt, die Menschen singen: „Wir leben“. Es ist – um Zynikern zuvorzukommen – kein trotzig-naives Besingen einer ökonomischen Stadt-Katastrophe. Meyers hat vielmehr ein großes Symbol für die Zusammenarbeit und die kreative Kraft der Masse geschaffen. Als solches könnte das Ereignis fortan eine fast historisch zu nennende Position einnehmen.