Düsseldorf. . Seit März 2014 ist Günther Beelitz Intendant am Schauspielhaus in Düsseldorf. In einer frühen Bilanz spricht der Krisenmanager über die Vergrößerung des Ensembles, seelische Hornhäute und seinen Plan, Publikum und Theater wieder zusammenzuführen.

Hochbetrieb im Intendantenbüro. Die Besprechung dauert länger, die nächsten Besucher stehen schon vor der Tür. Das Handy bimmelt Sturm. Ständig klopft jemand, „Entschuldigung, nur ganz kurz!“ Günther Beelitz ist gefragt. Er wurde in der Krise zum Schauspiel-Intenanten bis 2016 berufen. Anfang März, vor rund hundert Tagen, ist er angetreten. Das Ensemble wurde um mehr als ein Dutzend Schauspieler aufgestockt, der Spielplan nach seinen Vorstellungen umgestaltet. Wie er das alles so schnell geschafft hat? „Ich bin gut vernetzt und kenne viele Menschen.“

Sie wurden als Krisenmanager ans Theater geholt. Wie fühlt man sich damit?

Günther Beelitz: Als Intendant ist man immer Krisenmanager. Ich bin von Natur aus furchtlos. Man hat mich gefragt, ob ich die Aufgabe übernehme, und ich habe nicht gezögert. Allerdings gab es eine Voraussetzung: Meine Frau musste einverstanden sein.

Was hat sie dazu bewogen, sich der Herausforderung zu stellen?

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Beelitz: Ich habe 38 Jahre Theater geleitet, zuletzt bis 2005 in Heidelberg. Die letzten acht Jahre konnte ich machen, was ich wollte. Ich habe inszeniert, wenn mir das Projekt gefiel, wenn nicht, habe ich es gelassen. Dass ich jetzt zugesagt habe, hängt mit meinem Verhältnis zu Düsseldorf zusammen. Ich lebe seit langem wieder hier, und die zehn Jahre am Schauspielhaus waren eine sehr schöne, erfolgreiche Zeit.

Die Auslastungszahlen sind im Keller, die Gesellschafter der Schauspiel-GmbH fordern mehr Besucher. Außerdem soll gespart werden. Wie werden Sie vorgehen?

Beelitz: Das Düsseldorfer Publikum hat sich vom Theater entfernt und das Theater vom Publikum. Ich hoffe, dass es uns in der kurzen Zeit gelingt, wieder ein größeres Einvernehmen herzustellen. Wir müssen auf das Publikum zugehen, ohne uns anzubiedern.

Wie funktioniert das?

Beelitz: Wichtig ist zunächst ein guter ausgewogener Spielplan: Ernstes und Heiteres, neue und klassische Autoren. Wir zeigen Gegenwartsstücke, die heutige Themen behandeln, aber ebenso die Klassiker mit ihren Ewigkeitsthemen. Es wird Uraufführungen geben, etwa von der jungen Autorin Anne Lepper, aber auch Shakespeare, Goethe und Schiller. Wobei unser erster Spielplan ja ein Kompromiss-Spielplan ist. Als ich angefangen habe, lag das Programm bereits in wesentlichen Zügen vor.

Und was ist mit der künstlerischen Umsetzung?

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Beelitz: Das liegt bei guten Schauspielern und Regisseuren. Als ich im März angefangen habe, gab es rund 20 feste Schauspieler am Haus, nun werden es wieder 40 sein, darunter auch ältere Schauspieler. Für viele Rollen ist die Biografie einer Person erforderlich. Ein Theater erhält sein Gesicht durch sein Ensemble.

Sie wollen also weniger mit Gästen arbeiten? Auch aus Kostengründen?

Beelitz: Man braucht nur Gäste, wenn man Rollen aus dem Ensemble heraus nicht besetzen kann. Bei Gästen entsteht keine Bindung. Und ja, das stimmt: Ein festes Ensemble ist auch günstiger. Es wurde viel Geld für Schauspieler ausgegeben, die nur an- und abreisen und Gage kassieren.

Der landläufigen Meinung nach steckt das Theater in der Krise.

Beelitz: Natürlich hat es das Theater in einer Eventgesellschaft schwer, zwischen Rockfestival, Meisterkonzert und Kleinkunst. Das war früher nicht so. Da konzentrierte sich alles auf Theater und Oper. Eine Krise entsteht jedoch nur dann, wenn ein Theater sein Publikum nicht mehr erreicht. In vielen Städten ist das Verhältnis völlig in Ordnung.

Und wie erreicht man das Düsseldorfer Publikum?

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Beelitz: Zunächst einmal waren die Vorgänger-Intendanzen zu kurz, so etwas unterliegt einem Wachstumsprozess. Die Ungeduld mit Theaterleitungen macht es Intendanten sehr schwer. Amelie Niermeyer hätte länger als fünf Jahre bleiben sollen. Sie war noch nicht auf dem Höhepunkt ihres Erfolges. Und danach hat man sich international verblenden lassen; Düsseldorf neigt zu einem gewissen ‘Glanzdenken’. Staffan Valdemar Holms Vorstellung von einem internationalen Theater war neu, und die Botschaft hat sich hier nicht durchgesetzt.

Also ist das Verhältnis noch zu retten?

Beelitz: Wenn Theaterleute zornig sind, sagen sie, die Düsseldorfer sind ‘lackig“. Wenn das Publikum hier zornig ist, sagt es, das Theater ist kopflastig. Eine gute Beziehung funktioniert aber nicht, wenn man sich gegenseitig entschuldigen muss. Ich setze auf den Geist eines gemeinsamen Wollens.

Sie wirken sehr entspannt. Haben Sie gar keine Angst? Alle werden mit Argusaugen auf Sie schauen...

Beelitz: Wenn man das Problem erkannt hat, kann es einem keine Angst mehr machen. Das Fatale ist, dass jeder meint, mitreden zu können. Wer den Beruf des Intendanten will, muss druckresistent sein. Man muss sich eine seelische Hornhaut zulegen.