Düsseldorf. Von Creamcheese bis Ratinger Hof: Wie legendäre Clubs die Düsseldorfer Partykultur prägten und die „längste Theke der Welt“ zum Hotspot machten.

Die Düsseldorfer Altstadt ist ein einzigartiges Phänomen. Auf einer Fläche von weniger als einem Quadratkilometer finden sich heute etwa 260 Bars, Clubs und Restaurants, die Nachtschwärmer aus aller Welt anziehen. Und die „längste Theke der Welt“ hat eine weitreichende Geschichte. Im Laufe der Zeit haben dort unzählige Lokale eröffnet und wieder geschlossen, doch einige konnten nachhaltige Spuren im Düsseldorfer Nachleben hinterlassen.

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Pioniere der Altstadt: Creamcheese und die Mata-Hari-Passage

Die Wurzeln der Düsseldorfer Partyszene reichen bis in die späten 1960er Jahre zurück. Ein wegweisender Ort für ebendiese Entwicklung war das Creamcheese an der Neubrückstraße, welches 1967 eröffnet wurde. Das Creamcheese war von Andy Warhols Club The Dom in New York inspiriert und erlangte besonders durch seine kunstvolle Inneneinrichtung deutschlandweite Bekanntheit. Als einer der Grundsteine der Düsseldorfer Clubkultur lebt sein Erbe auch nach der Schließung 1976 weiter: Im Kunstpalast erinnert heute der „Creamcheese-Raum“, in welchem der originale Thekenbereich erhalten geblieben ist, an längst vergangene Club-Nächte. Jeden Samstag wird dort sogar Barbetrieb angeboten.

In den frühen 1970er Jahren begann sich das Nachtleben in der Altstadt weiter zu etablieren. Ein wichtiger Meilenstein war die Eröffnung der Mata-Hari-Passage im Jahr 1972. Diese war zwar eher eine Einkaufpassage, jedoch hatten sich dort auch Bars und Clubs angesiedelt. Diese Locations trugen maßgeblich dazu bei, den Ruf der Altstadt als Party-Hotspot zu festigen. Besonders der Club Cabaret erlangte zusätzliche Berühmtheit, da die Mitglieder der weltweit einflussreichen Band Kraftwerk hier angeblich ihre Partynächte verbrachten.

Die Mata-Hari-Passage: als Einkaufsmeile geplant und von Düsseldorfern als Hotspot in Erinnerung geblieben. Leider musste sie 2002 schließen. Hier hatten sich einige legendäre Clubs und Kneipen niedergelassen.
Die Mata-Hari-Passage: als Einkaufsmeile geplant und von Düsseldorfern als Hotspot in Erinnerung geblieben. Leider musste sie 2002 schließen. Hier hatten sich einige legendäre Clubs und Kneipen niedergelassen. © Stadtarchiv Düsseldorf | Günther Weirich

Underground, Punkrock und Altbier: Die längste Theke der Welt als Brutstätte für Kultur

Die 1980er Jahre markierten dann die endgültige Umwandlung der Altstadt in eine Partymetropole. Aufgrund der eng aneinander gereihten Clubs und Kneipen konnte fast der Eindruck entstehen, dort würden alle Getränke über denselben Tresen gehen. So entstand auch in dieser Zeit der Spitzname „Die längste Theke der Welt“. Inmitten dieses Hotspots entwickelte sich der Ratinger Hof zum bedeutendsten Treffpunkt für die damals neu aufkommende deutsche Punkkultur. So wird oft davon gesprochen, dass der deutsche Punk dort erfunden wurde, denn der „Hof“ gilt als Brutstätte für zahlreiche einflussreiche Bands und Künstler aus dem Genre. So spielte beispielsweise ZK – die Vorgängerband der Toten Hosen – im Ratinger Hof ihr erstes Konzert. Bis in die späten 90er hinein blieb der Ratinger Hof eines der prägnantesten Lokale im Düsseldorfer Nachtleben.

Ratinger Hof: Viele Bilder aus der legendären Punk-Kultstätte

Illustres Publikum bei einem Konzert der Band Belfegore im Ratinger Hof: Belfegore war eine deutsche Gothic-Punk-Band aus Düsseldorf, die von 1982 bis 1985 existierte.
Illustres Publikum bei einem Konzert der Band Belfegore im Ratinger Hof: Belfegore war eine deutsche Gothic-Punk-Band aus Düsseldorf, die von 1982 bis 1985 existierte. © Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf | Nachlass Richard Gleim
Der Ratinger Hof Anfang der 1990er Jahre. Bier zapfen und cool rumstehen,
Der Ratinger Hof Anfang der 1990er Jahre. Bier zapfen und cool rumstehen, © Stadtarchiv Düsseldorf | Uli Linder
Die richtig wilden Zeiten stehen noch bevor: Der Ratinger Hof im Jahr 1963.
Die richtig wilden Zeiten stehen noch bevor: Der Ratinger Hof im Jahr 1963. © Stadtarchiv Düsseldorf | Rudolf Eimke
Der Ratinger Hof in Düsseldorf als Kultstätte, historische Bilder
Der Ratinger Hof in Düsseldorf als Kultstätte, historische Bilder © Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf | Richard Gleim
Vor dem Konzert erstmal an die frische Luft: Treiben vor dem Ratinger Hof auf der Ratinger Straße.
Vor dem Konzert erstmal an die frische Luft: Treiben vor dem Ratinger Hof auf der Ratinger Straße. © Stadtarchiv Düsseldorf | Richard Gleim
Die Band DAF mit Sänger Gaby Delgado (vorn) hatte es vom Ratinger Hof sogar in die Philipshalle geschafft, wie auf dem Bild zu sehen ist.
Die Band DAF mit Sänger Gaby Delgado (vorn) hatte es vom Ratinger Hof sogar in die Philipshalle geschafft, wie auf dem Bild zu sehen ist. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Pogo bis zum Umfallen: Im Ratinger Hof ging es in den 70er- und 80er-Jahren turbulent zu, wie hier bei einem Konzert der Toten Hosen.
Pogo bis zum Umfallen: Im Ratinger Hof ging es in den 70er- und 80er-Jahren turbulent zu, wie hier bei einem Konzert der Toten Hosen. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Beim Konzert der Band Belfegore im Ratinger Hof Anfang der 80er.
Beim Konzert der Band Belfegore im Ratinger Hof Anfang der 80er. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Auch Peter Hein, der immer noch mit seiner Band Fehlfarben tourt, ist eine Düsseldorf Pop-Punk-Ikone, hier bei einem Konzert seiner Band „Mittagspause“.
Auch Peter Hein, der immer noch mit seiner Band Fehlfarben tourt, ist eine Düsseldorf Pop-Punk-Ikone, hier bei einem Konzert seiner Band „Mittagspause“. © Richard Gleim, Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Die Band Family5 wurde 1981 in Düsseldorf als „Soul-Punk“-Gruppe gegründet.
Die Band Family5 wurde 1981 in Düsseldorf als „Soul-Punk“-Gruppe gegründet. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Internationale Anerkennung: Gabi Delgado und Robert Görl, zusammen DAF, am Düsseldorfer Flughafen, auf dem Weg nach London.
Internationale Anerkennung: Gabi Delgado und Robert Görl, zusammen DAF, am Düsseldorfer Flughafen, auf dem Weg nach London. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Posen für den Ruhm: Die Frauenband Östro 430 feierte jüngst bei der Lieblingsplatte im Zakk ihr Comeback.
Posen für den Ruhm: Die Frauenband Östro 430 feierte jüngst bei der Lieblingsplatte im Zakk ihr Comeback. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Herumlungern als Haltung: Punks vor dem Ratinger Hof.
Herumlungern als Haltung: Punks vor dem Ratinger Hof. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Die Düsseldorfer Band Fehlfarben spielte in der Blütezeit Ende der 70er im Ratinger Hof.
Die Düsseldorfer Band Fehlfarben spielte in der Blütezeit Ende der 70er im Ratinger Hof. © NRZ | NN
Pogo als Kunstform: Wenn es heiß her ging im Ratinger Hof, rann das Wasser an den Wänden herunter.
Pogo als Kunstform: Wenn es heiß her ging im Ratinger Hof, rann das Wasser an den Wänden herunter. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Sensationelles Bandfoto: Die Formation „Nichts“ aus Düsseldorf quetschte sich 1981 in einen Citroen.
Sensationelles Bandfoto: Die Formation „Nichts“ aus Düsseldorf quetschte sich 1981 in einen Citroen. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Die Band „Der Plan“ kommt ebenfalls aus Düsseldorf, hieß Anfang 1979 ursprünglich noch „Weltaufstandplan“ und gilt als einer der Wegbereiter der Neuen Deutschen Welle.
Die Band „Der Plan“ kommt ebenfalls aus Düsseldorf, hieß Anfang 1979 ursprünglich noch „Weltaufstandplan“ und gilt als einer der Wegbereiter der Neuen Deutschen Welle. © Archiv Heine-Institut | Richard Gleim
Der Ratinger Hof hat viele Versuche hinter sich, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. 2011 hieß die Kultstätte zwischenzeitlich „Stone im Ratinger Hof“.
Der Ratinger Hof hat viele Versuche hinter sich, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. 2011 hieß die Kultstätte zwischenzeitlich „Stone im Ratinger Hof“. © Stadtarchiv Düsseldorf | Kerstin Früh
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Der Unique Club in der Bolkerstraße wurde dann ab Mitte der 90er-Jahre ebenfalls zu einer festen Größe der Musikszene. In den verruchten Räumlichkeiten eines früheren Animierlokals – in welchem knapp bekleidete Damen, die meist männlichen Gäste zum Trinken „animiert“ hatten – setzte man auf ein vielseitiges Programm. Internationale und nationale Künstler aus HipHop, Elektronik, Funk und Soul begeistern das tanzfreudige Publikum. Auf der Bühne standen Größen wie der einflussreiche Produzent J Dilla aus Detroit, welcher im Jahr 2005 hier die letzte Show vor seinem Tod spielte. Sogar die weltbekannten The Roots – inzwischen als Hausband der „Tonight Show“ mit Jimmy Fallon bekannt – spielen hier einst in intimer Clubatmosphäre.

Lange Zeit war das „Unique“ in der Altstadt einer der beliebtesten Anlautpunkte für Fans von Soul, HipHop und Funk. Dort hat im Dezember 2005 die Produzentenlegende J Dilla seine letzte Show zu Lebzeiten gespielt.
Lange Zeit war das „Unique“ in der Altstadt einer der beliebtesten Anlautpunkte für Fans von Soul, HipHop und Funk. Dort hat im Dezember 2005 die Produzentenlegende J Dilla seine letzte Show zu Lebzeiten gespielt. © Foto: C | Foto: Ingo Lammert

Die Altbier-Renaissance nach der Jahrtausendwende: Füchschen, Kürzer & Schumacher

Zwar betraten um die Jahrtausendwende herum zahlreiche neue Clubs als Akteure die Bühne der Altstadt, doch es waren vor allem alteingesessene Institutionen, welche in neuem Glanz erstrahlten. 1995 übernahm Peter König junior die Brauerei Im Füchschen von seinem Vater. Die Wurzeln des Traditionsunternehmens reichen bis in die 1940er Jahre. Unter der neuen Leitung wurde die Brauerei modernisiert und das Konzept wurde auf jüngeres Partyvolk abgestimmt. Besonders bekannt: Die „frechen Füchschen“ welche als Maskottchen auf provokanten Plakaten und Werbegeschenken seit 2005 im Stadtbild zu entdecken waren. Allerdings stand der Betreiber auch immer wieder für die teils sexistischen Werbefiguren in der Kritik.

Lesen Sie hier mehr: Sexismus: Negativ-Preis für Düsseldorfer Altbier-Werbung

Der Siegeszug der Altbierbrauereien setzte sich in den nächstens Jahren fort: Im Jahr 2007 wurde das Lokal Zum goldenen Kessel, welches zur Brauerei Schuhmacher gehört, kurz nach dem hundertjährigen Bestehen des Familienunternehmens kernsaniert und erweitert. Kurz danach erfüllte sich der bekannte Gastronom Hans-Peter Schwemin, Betreiber der Kult-Kneipen Schaukelstühlchen und Quetsche, im Jahr 2010 den Wunsch von eigenem Altbier, investierte mehr als eine Million Euro und eröffnete die Brauerei Kürzer auf der Kurze Straße.

Die Gaststätte „Zum goldenen Kessel“, welche zur Brauerei Schuhmacher gehört, ist spätestens seit der Sanierung im Jahr 2007 einer der Dreh- und Angelpunkte der Düsseldorfer Altstadt.
Die Gaststätte „Zum goldenen Kessel“, welche zur Brauerei Schuhmacher gehört, ist spätestens seit der Sanierung im Jahr 2007 einer der Dreh- und Angelpunkte der Düsseldorfer Altstadt. © Stadtarchiv Düsseldorf | Dolf Siebert

Bis zu 20.000 Menschen: Afterwork am Mittwoch auf der Ratinger Straße

Zusätzlich entwickelte sich die Ratinger Straße in den 2010ern zu einem „Afterwork“-Hotspot. Zu Beginn nur Treffpunkt für Kunststudenten, entwickelte sich die Ratinger Straße immer weiter: Mit der Zeit kamen immer mehr Juristen aus dem anliegenden Amtsgerichtsgebäude für ihr Feierabendbier auf die Ratinger Straße, sodass sich dort regelmäßig ein sehr durchmischtes Publikum, zwischen zerrissenen Jeans und zugeknöpften Hemden einfand. Jeden Mittwoch war die Straße für Autos nicht mehr befahrbar. Wer es dennoch versuchte, setzte sich dem Zorn der Feiernden aus. Zu Hochzeiten hatten sich über den Mittwoch hinweg bis zu 20.000 Menschen auf der Ratinger Straße eingefunden, um ihren Feierabend zu zelebrieren.

Abseits der Ratinger Straße wuchs parallel natürlich auf die Clubkultur in der Düsseldorfer Altstadt weiter. Einer der auch heute noch wichtigsten Clubs der Altstadt ist das SUB auf der Bolkerstraße. Wie der Name schon verrät, ist die Inneneinrichtung des Clubs an eine alte U-Bahnstation angelehnt und sorgt damit für einen ganz eigenen urbanen Flair. Auch hier wurde die Mittwochsveranstaltung „Subbing“ bei Studenten und Afterworkern extrem beliebt. Bis heute wird dort für ein abwechslungsreiches Programm, mit Musik aus fast allen tanzbaren Genres gesorgt – auch am Mittwoch.

Die Düsseldorfer Altstadt hat sich seit den 60er Jahren stetig weiterentwickelt.
Die Düsseldorfer Altstadt hat sich seit den 60er Jahren stetig weiterentwickelt. © Stadtarchiv Düsseldorf | Schwarzer Luftfoto

Die Altstadt bleibt bis heute noch die „längste Theke der Welt“

Aufgrund des bunten Treibens in der Altstadt sahen viele Unternehmer und Gastronomen großes Potenzial. So wie beispielsweise Michael Naseband, bekannt als Kommissar aus der Sat1-Serie „K11 - Kommissare im Einsatz“. 2014 eröffnete er sein eigenes, nach ihm benanntes Lokal. Er beschrieb das Konzept damals so: „Es ist tagsüber eine Art Café und Bistro, abends wird es kneipiger, eine Mischung aus Kneipe und Bar“, denn: „Was der Altstadt gefehlt hat, ist etwas, das weder Brauhaus noch Feiermeile ist.“ Leider hat das Naseband im November 2024 Insolvenz anmelden müssen, es soll allerdings schon dieses Jahr wiedereröffnet werden, mit einigen Neuerungen: mediterrane Küche, sowie Kaffee- und Kuchen sollen künftig angeboten werden.

Heute ist die Düsseldorfer Altstadt mehr als nur eine Ansammlung von Kneipen, Bars und Clubs. Sondern verkörpert eine Kultur des stetigen Wandels, der Kreativität und des Miteinanders. Von den künstlerischen Experimenten der 1960er Jahre bis zur modernen Partymeile hat sie sich immer wieder neu erfunden. Die „längste Theke der Welt“ bleibt dabei nicht nur ein Magnet für Partygänger, sondern ist auch ein faszinierendes Stück Stadtgeschichte, das sich kontinuierlich weiterentwickelt. Traditionelle Lokale wie der Knoten, der seit den 1950er Jahren besteht, stehen neben modernen Clubs und schaffen so eine einzigartige Mischung aus Alt und Neu.

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