Opel hat sich immer wieder mehrfach neu erfunden. Doch jetzt steckt die Marke mit dem Blitz in der Krise und ringt mit der Sanierung.
Rüsselsheim. Opel blickt auf 150 Jahre Firmengeschichte voller gewaltiger Umbrüche zurück. Gegründet von Adam Opel im August 1862 als Nähmaschinenfabrik stieg das Unternehmen in Rüsselsheim bei Frankfurt auf Druck der fünf Opel-Söhne bald auf die Produktion von Fahrrädern um.
Nach einem erneuten Portfolio-Wechsel auf Automobile, die Firmengründer Adam Opel nie hatte bauen wollen, legte das effizient geführte Unternehmen ein rasantes Wachstum vor, wobei Motorräder eine Episode blieben. Opel wurde in den 1920er-Jahren zum größten deutschen Autohersteller, dann aber schon 1929 mehrheitlich an den US-Riesen General Motors (GM) verkauft.
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Die Amerikaner verdienten noch unter NS-Herrschaft und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs prächtig an der deutschen Tochter, mussten sie dann aber vorübergehend als Vermögenswert in Feindeshand abschreiben. Nach weitgehender Demontage – der Vorkriegs-Kadett wurde auf den alten Bändern in der Sowjetunion als Moskwitsch weitergebaut - übernahm GM wieder die Kontrolle und startete 1947 erneut die Autoproduktion in Rüsselsheim.
„Opel gelang es, die damals als überlegen empfundene US-Automobiltechnologie ins europäische Format zu übersetzen“, analysiert Autoexperte Christoph Stürmer von der Frankfurter Beratungsgesellschaft IHS den großen Opel-Erfolg im deutschen Wirtschaftswunder. Der Spagat zwischen Massenware wie dem schlichten Kompaktauto Kadett und Premiumanspruch mit stark motorisierten Limousinen wie Kapitän, Admiral oder Diplomat (KAD) gelang den Rüsselsheimern dabei spielend. Auch einer non-konformistischen Jugend hatte Opel mit reißerischen, knallbunt lackierten Modellen wie GT, Ascona oder Manta motorisierte Träume anzubieten.
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Doch anders als dem kriselnden Konkurrenten Volkswagen, der Mitte der 70er-Jahre mit der Einführung der Frontantriebsmodelle rund um den Golf gerade noch die Kurve kriegte, gelang den erfolgsverwöhnten Opelanern die nächste notwendige Kehrtwende nicht mehr. Schlechte Zahlen veranlassten in den 80ern das GM-Management im fernen Detroit, die Deutschen enger zu kontrollieren. „Vor allem indem man das Opel-Top-Management aus der Zentrale rekrutierte und alle wesentlichen Entscheidungen bei Opel mit der Strategie von GM abgestimmt werden mussten, schuf man die Basis für eine lange Kette von schweren Fehlern bei Modellen, Design, Qualität und Marketing“, erklärt Professor Markus Voeth von der Universität Hohenheim.
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„Der Fokus lag nicht stark genug auf den Produkten“, meint der Duisburger Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer, der zudem die schleichende Einstellung der Oberklasse-Modelle für einen großen strategischen Fehler hält. Auch automobile Trends wie die städtisch genutzten Geländewagen (SUV) verschlief Opel, obwohl es mit dem Frontera das erste Fahrzeug dieser Art auf dem deutschen Markt hatte.
Vor allem von jüngeren Autofahrern als eher langweilig bewertete Brot- und Butterkarossen wie der Vectra sowie gravierende Qualitätsmängel in Folge der gnadenlosen Einkaufspolitik des Managers José Ignacio Lopez zerstörten das Vertrauen der Kunden nachhaltig. Und auch das moderne Image war für Opel spätestens in den
1990er-Jahren aufgebraucht: US-Autos galten nach mehreren Ölkrisen als Spritschlucker und insbesondere im Vergleich zur deutschen und japanischen Konkurrenz als technologisch rückständig.
Opels Marktanteil in Deutschland ist nach dem noch pompös begangenen 125. Firmenjubiläum im Jahr 1987 um mehr als die Hälfte geschmolzen, auch wenn man die Qualitätsprobleme längst wieder in den Griff bekommen hat. Opel-Autos waren häufig nur noch über den Preis in den Markt zu drücken und sorgten beim Nachbarn eher für Stirnrunzeln als für Neid. „Opel hat sich in einem hochpreisigen Produktionsumfeld als Billiganbieter positioniert“, beschreibt Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch-Gladbach die Zwickmühle, aus der sich der weitgehend auf Europa beschränkte Hersteller bis heute nicht befreien konnte.
Denn in den schrumpfenden westeuropäischen Markt drängen innovative Anbieter wie die Koreaner Hyundai/Kia. Noch gefährlicher erscheint die ebenfalls in Korea gefertigte Chevrolet-Konkurrenz aus dem eigenen GM-Lager, mit der sich Opel auch noch einzelne Modelle wie den neuen Mini-SUV Mokka teilen muss. Statt sich mit „German Engineering“ zu positionieren, baut Opel die kommende Generation des wichtigsten Modells Astra nur noch außerhalb Deutschlands.
Kurz vor der eigenen Pleite hätte sich GM 2009 schon einmal fast von der europäischen Sorgentochter getrennt und spart seitdem wieder dem schrumpfenden Markt hinterher. Eine ganze Reihe von Top-Managern musste gehen. In den laufenden Sanierungsverhandlungen mit der IG Metall geht es daher ums Ganze, sagt Bratzel. „Es ist die letzte Chance für die Marke. Der Schuss muss sitzen.“ Auf jeden Fall stehen weitere der noch rund 40 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel, vielleicht aber auch die gesamte Marke. Während die Gewerkschaft Opel zum globalen Hi-Tech-Anbieter ausbauen will, könnte aus Detroit ein ganz anderer Wind wehen.
Bei GM werde die Rolle der Automarke Opel kritisch untersucht, sagt IHS-Experte Stürmer. „Mit großem Wohlgefallen hat man in Detroit wahrgenommen, wie positiv sich die einstmalige Krisentochter Daewoo aus Korea seit der Umfirmierung auf die globale Chevrolet-Marke entwickelt hat.“ Auf einige Werke und die Opel-Entwickler werde man aber trotz aller Schrumpfkuren weiterhin angewiesen sein: Nach dem Vorbild des US-Konkurrenten Ford könnten hier auch in Zukunft globale Plattformen für GM-Weltautos entwickelt werden, sagt Stürmer. Ob die noch lange die Marke mit dem Blitz tragen, steht allerdings infrage.