Ein Nachfolger muss erst gesucht werden, zunächst übernimmt GM-Chef Girsky. Erst vor zwei Wochen wurde Sanierungskonzept beschlossen.

München/Frankfurt. Überraschung auch im Opel-Konzern: Mitten im Überlebenskampf bei Opel nimmt der Chef des krisengeschüttelten Traditionskonzerns seinen Hut. Karl-Friedrich Stracke sei von seiner Position als Opel-Vorstandsvorsitzender und Präsident von General Motors Europe zurückgetreten, teilte der Rüsselsheimer Autobauer am Donnerstag mit, ohne einen Grund zu nennen. Im Aufsichtsrat und bei Experten sorgte der Paukenschlag für Verwunderung - besonders, weil ein Nachfolger offenbar erst gesucht werden muss. Dabei hätte Opel eine starke Führung nötig, denn dem Konzern steht wie anderen Massenherstellern wegen der ausufernden Absatzkrise in Europa das Wasser bis zum Hals. Chef-Wechsel haben allerdings bei Opel Tradition: Seit ihrer Blütezeit in den 1970er Jahren hat die GM-Tochter nun schon den 15. Chef verschlissen.

Der 56 Jahre alte Manager war erst seit April 2011 Vorstandsvorsitzender der Adam Opel AG. Vor wenigen Monaten wurde Stracke zusätzlich noch zum Präsidenten von GM Europe ernannt. Der Ingenieur, der lange auch in der US-Zentrale in Detroit tätig war, werde nun „Sonderaufgaben für GM“ übernehmen - welche das sein sollen, blieb offen. Die Geschäfte von GM in Europa soll Stephen Girsky, Aufsichtsratsvorsitzender von Opel und Strategiechef des US-Mutterkonzerns, kommissarisch leiten.

+++ Opel-Aufsichtsrat gibt grünes Licht für Konzept +++

Erst vor zwei Wochen hatte das Opel-Kontrollgremium das von Stracke vorgelegte umfassende Sanierungskonzept gebilligt. Über die Umsetzung wird noch verhandelt. Der Plan sieht hohe Investitionen in neue Modelle, eine engere Zusammenarbeit mit dem – ebenfalls krisengebeutelten – französischen Autobauer PSA Peugeot Citroen sowie Einsparungen bei Material-, Entwicklungs- und Produktionskosten vor. Der GM-Partner PSA, Europas zweitgrößter Autobauer nach VW, kündigte unterdessen am Donnerstag an, zusätzlich zum bereits angekündigten Wegfall von 6000 Jobs noch einmal 8000 Stellen zu streichen. Das Werk Aulnay bei Paris wird geschlossen. Grund sei die schwere Krise in Europa. Opel dagegen gab in seinem Sanierungsplan für alle vier Werke in Deutschland eine Standortgarantie bis Ende 2016. Damit blieb das Schicksal des Opel-Standortes Bochum, über dessen Schließung seit langem regelmäßig spekuliert wird, offiziell weiter ungeklärt.

+++ Stephen Girsky: Der harte Knochen aus Detroit +++

„Karl-Friedrich Stracke arbeitete unermüdlich und unter großen Druck, um dieses Geschäft zu stabilisieren“, sagte GM-Chef Dan Akerson. Stracke selbst, der am Donnerstag eigentlich bei einer Branchenkonferenz in München sprechen sollte, diesen Termin aber kurzfristig abgesagt hatte, ließ mitteilen: „Ich verlasse diese Position im Wissen, dass Opel/Vauxhall in eine gute Zukunft steuert.“ In Rüsselsheim hieß es, der Sanierungsplan werde umgesetzt – unabhängig von Personalien. Die US-Mutter GM stehe dahinter. Dies gelte auch für Girsky. Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug sagte, mit der Benennung Girskys zeige GM, „dass das Europageschäft ein Eckpfeiler des Konzerns ist“. Die Arbeitnehmervertreter erwarteten nun, dass schnellst möglich ein geeigneter Nachfolger gefunden werde. Der Aufsichtsrat ist nach den Worten eines Mitglieds von der Personalie „völlig überrascht“ worden.

+++ Erneuter Chefwechsel - GM-Manager Girsky übernimmt +++

Verwunderung äußerte auch Autoexperte Christoph Stürmer von IHS Automotive. Er ging davon aus, dass dem Aufsichtsrat die Sanierung von Opel nicht schnell genug gegangen sei. Girsky gelte als Manager mit unkonventionellen Ideen. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier pochte darauf, dass sämtliche Verträge auch unter einer neuen Führung eingehalten werden müssten. Ihm sei bei einem Gespräch mit Stracke im Mai 2012 zugesichert worden, dass der Traditionsstandort Rüsselsheim in seiner jetzigen Form erhalten bleibe.

Opel leidet seit Jahren unter dem Zick-Zack-Kurs, die Absatzkrise in Europa tut ein Übriges. Der Marktanteil der Traditionsfirma sinkt seit zwei Jahrzehnten kontinuierlich. Zuletzt waren es weniger als sieben Prozent, was das Problem der Überkapazitäten vergrößert. Anfang der 1970er Jahre lag Opel mit Werten um die 20 Prozent auf Augenhöhe mit VW. Während die Rüsselsheimer in der Vergangenheit mit Oberklasse-Modellen wie Kapitän, Admiral oder Diplomat glänzten, sind sie später ins Billigsegment abgerutscht, aus dem sie sich jetzt mühsam wieder befreiten wollen. Durch Qualitätsprobleme verspielte Opel in den 1990er Jahren zudem seinen Ruf als Hersteller zuverlässiger Autos.

Seit einigen Jahren lasten wirtschaftliche Probleme auf Opel. Alleine im ersten Quartal verbuchte GM im Europageschäft einen Fehlbetrag von 256 Millionen Dollar, in den vergangenen zehn Jahren summierte sich der Verlust von Opel und der Schwestermarke Vauxhall auf 14 Milliarden Dollar. Vor ein paar Jahren wollte GM die verlustreiche Europa-Tochter sogar loswerden. Nach monatelangem Hin und Her entschieden sich die Amerikaner aber anders und wollen Opel seither selber sanieren. Garniert mit immer wieder aufflammenden Debatten über Werksschließungen bekam Opel so ein Verlierer-Image. (Reuters)