Bochumer Betriebsrat fordert Wachstumskurs. Opelaner zweifeln nach Wechsel an Jobgarantien – GM habe andere Interessen, so der Tenor.

Bochum/Rüsselsheim. Einen Tag nach dem Führungswechsel an der Opel-Spitze macht sich der Betriebsrat des Bochumer Werks für eine „Öffnung der außereuropäischen Märkte“ stark. Entscheidend für die Beschäftigten des Autoherstellers sei nun, „dass der dringend notwendige Wachstumskurs umgesetzt“ werde und „keine Kahlschlagpolitik“ erfolge, erklärte der Bochumer Opel-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel am Freitag.

Eine neuerliche Diskussion über Werkschließungen würde „Belegschaften und Autokunden weiter verunsichern“, sagte Einenkel. Der Opel-Absatz in Deutschland war zuletzt dramatisch eingebrochen, allein im Juni um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nun gehe es darum, „dass bestehende Zusagen und Verträge eingehalten werden“, forderte Einenkel. Am 2. August legt die amerikanische Opel-Mutter General Motors (GM) die Zahlen für das erste Halbjahr vor.

+++ Opel verliert mitten im Überlebenskampf seinen Chef +++

+++ Opel-Chef Stracke gibt Posten auf +++

Der mit dem Ex-Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke verhandelte Sanierungsplan sah eine Beschäftigungsgarantie für die bundesweit rund 20.800 Opel-Beschäftigten bis 2016 vor. Stracke war am Donnerstag zurückgetreten. Für ihn übernimmt vorläufig GM-Strategiechef Steve Girsky das Ruder , der auch den Opel-Aufsichtsrat leitet. Als aussichtsreicher Kandidat für den Chefposten gelte Opel-Strategievorstand Thomas Sedran, berichteten mehrere Medien übereinstimmend.

Opelaner reagieren mit Existenzangst und Galgenhumor

Am Freitagmorgen sind die wenigsten Opelaner, die in der S-Bahn von Frankfurt nach Rüsselsheim dem Weg zur Frühschicht sitzen, zu einem Schwätzchen aufgelegt. Zu jung ist der Tag, und zu oft haben die Mitarbeiter des Automobilkonzerns seit einem Jahr entmutigende Nachrichten aus der Chefetage des Unternehmens gehört. Alle kennen die Meldungen vom Vortag : Der erst seit April 2011 amtierende Opel-Chef Stracke ist zurückgetreten. „Die schicken den nach Russland“, sagt einer der Schichtleute. „Meinen die Sibirien?“ fragt ein anderer.

Das Lachen geht noch bei den Opelanern, vielleicht ist es ja Galgenhumor. Stracke werde künftig „Sonderaufgaben“ für den Mutterkonzern GM übernehmen, hatte das Unternehmen mitgeteilt, die Rede ist von Russland als neuem Auftragsgebiet für den 56-Jährigen.

„Meine Mutter kann Russisch“, sagt in der S-Bahn die 20-jährige Melanie aus Jena. „Vielleicht fängt sie ja dann bei Opel an, wenn ich aufhöre.“ Melanie lernt im Rüsselsheimer Stammwerk des Automobilbauers Industriekauffrau und plant berufsbegleitend eine Fortbildung zur Betriebswirtin. „Aber nun wickeln die uns ab“, sagt sie pessimistisch.

+++ Erneuter Chefwechsel - GM-Manager Girsky übernimmt +++

+++ Der neue Opel-Chef Stephen Girsky: Der harte Knochen aus Detroit +++

Nieselregen bedeckt Rüsselsheim am Morgen mit einem Grauschleier. Guido Hoss spannt auf dem Bahnsteig seinen Schirm auf und macht sich auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz in der Entwicklungsabteilung von Opel. „Ich bin in der Gewerkschaft“, berichtet der Elektronikingenieur. „Stracke kriegt jetzt sein Plätzchen, und die IG Metall wird wieder Lohnverzicht anbieten“, ist Hoss überzeugt. „Vielleicht muss ich auch einfach so auf ein paar Urlaubstage verzichten.“ Den von der Gewerkschaft mit dem Unternehmen ausgehandelten Jobgarantien auf Zeit vertraut der 38-Jährige nicht. „Diese Unterwürfigkeit ist mir peinlich“, sagt der Metaller.

Gleichzeitig nimmt Hoss den hessischen IG-Metall-Chef Armin Schild in Schutz: „Der kämpft wie ein Löwe.“ Die Praktiken des Mutterkonzern gehörten seiner Ansicht nach infrage gestellt. „GM in Detroit hat andere Interessen als wir, die die Autos bauen. Das ist der Konflikt.“

Mit seiner Ausbildung, sagt der Ingenieur, wolle er seine Anstellung bei Opel nicht als „Gnadenakt“ empfinden. „Vielleicht hat Stracke nicht als Vollstrecker getaugt“, mutmaßt Hoss. „Aber wer im Vorstand sitzt, riskiert so oder so nichts: Wenn es Jobs kostet, dann nur unsere.“ (dapd/abendblatt.de)