Die Angst vor dem Kahlschlag ist zurück: Das Scheitern von Stracke erhöht die Zweifel, ob der vereinbarte Sanierungsplan noch gilt.

Bochum/Rüsselsheim. Der unerwartete Abgang von Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke schürt beim angeschlagenen Autobauer Opel wieder Ängste vor einem Kahlschlag. Besonders das Werk Bochum sehen Experten in Gefahr. Die Bochumer IG Metall hegt jedoch die Hoffnung auf einen unbefristeten Erhalt des Werkes. Die Vorsitzende Ulrike Kleinebrahm fordert vom kommissarischen Opel-Chef Stephen Girsky nicht nur den Erhalt der laufenden Verträge. Sie verlangt eine Perspektive für alle Opelwerke, auch für Bochum.

Die laufenden Verhandlungen für die Werke müssten im Oktober wie geplant in einen Vertrag münden. Bochum sei bisher der Erhalt bis 2016 versprochen worden. Das sei aber nicht das Ende. „Ich bin überzeugt, dass es weitere Arbeit in Bochum geben wird“, sagte Kleinebrahm. Wie NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) sieht auch die IG Metall die Möglichkeit, in Bochum Chevrolet-Modelle zu bauen. Stracke hatte noch diese Woche eine Modelloffensive mit 23 neuen Fahrzeugen innerhalb von vier Jahren angekündigt.

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Der Bochumer Betriebsrat warnte vor einer neuen Debatte über Werksschließungen. „Eine erneute Diskussion über Werksschließungen würde Belegschaften und Autokunden weiter verunsichern und hätte nachweisbar einen nicht reparablen Imageschaden und weitere Marktverluste für die Marke Opel zur Folge“, sagte Betriebsratschef Rainer Einenkel. Autoexperte Stefan Bratzel stützt die Ansicht. Opel müsse das Image hochhalten, wenn der Konzern hohe Stückzahlen verkaufen wolle.

Bochum galt schon vor dem unerwarteten Rückzug Strackes als einer der ersten Streichkandidaten bei dem defizitären Autobauer, der an teuren Überkapazitäten leidet. Stracke war zuletzt von seinen ursprünglichen Plänen abgewichen, den Standort Bochum 2015 dichtzumachen. Im Gegenzug für einen Lohnverzicht der Arbeitnehmer wollte er dem Werk zwei Jahre Gnadenfrist einräumen.

Bratzel hält die Modelloffensive für richtig. Vor diesem Hintergrund müssten GM und Opel auch die Kapazitäten planen. Ein allzugroßer Abbau von Überkapazitäten sei nicht ratsam. „Mit 10 bis 15 Prozent Überkapazitäten kann man leben“, sagte Bratzel „Bei 20 bis 30 Prozent schafft es aber keiner mehr, profitabel zu arbeiten.“ Bei Opel schätzt der Professor vom Center of Automotive Management die Überkapazitäten auf mindestens 30 Prozent.

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Wolfgang Meinig von der Bamberger Forschungsstelle Automobilwirtschaft sieht zu viele Beschäftigte bei Opel. Mangelnde Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit seien die Hauptursachen für die anhaltende Erfolglosigkeit des Herstellers: „Es kann nicht sein, das man Leute durchschleppt, die man nicht braucht“, sagte er.

Insider sind überzeugt, dass die US-Mutter General Motors einen Nachfolger inthronisieren wird, der härter durchgreift. Quer durch die Parteien und Bundesländer werden Zweifel laut, ob Strackes Kompromissplan – der Investitionen statt Kündigungen vorsah – nun noch Gültigkeit besitzt.

Die IG Metall-Spitze stellt sich auf eine 180-Grad-Wende in der Unternehmensstrategie ein. Gewerkschaftschef Berthold Huber sagte: „Für die IG Metall, Betriebsräte und Opel-Beschäftigten ist nur ein Zukunftskonzept tragfähig, dass keine Schließung von Standorten vorsieht und die Belegschaften mit ihrer Kompetenz beteiligt.“ Es gehe um nicht weniger als die Zukunft von Opel insgesamt. (dpa/abendblatt.de)