Der Millionen-Bonus für den HSH-Nordbank-Chef wirft die Frage auf: Trotz Krise alles wie gehabt? Beispiele aus der Finanzbranche deuten darauf hin. Eine Analyse.
Hamburg. Es waren finstere Zeiten für die HSH Nordbank, nicht nur wegen des dunklen und feuchtkalten Novemberklimas. Die Existenz der Landesbank für Hamburg und Schleswig-Holstein war akut bedroht, als Wolfgang Peiner, der Vorsitzende des Aufsichtsrats und frühere Hamburger Finanzsenator, am Abend des 10. November 2008 einen langen, schüchtern wirkenden Mann in einem seltsamen Streifenanzug vor ein Mikrofon schob. Im Konferenzraum "Elbe 1" der Bank präsentierte Peiner sein letztes Aufgebot für die Rettung des Instituts. Finanzvorstand Dirk Jens Nonnenmacher solle die Bank zunächst für eine Übergangszeit führen, verkündete der oberste HSH-Kontrolleur. Der Neue an der Spitze des HSH-Vorstands murmelte etwas von "Altlasten" und "Risiken durchsteuern" ins Mikrofon, dann war die Präsentation beendet.
Der "Übergang" der HSH Nordbank vom Wachkoma in ein neues Leben kostet die Landesbank viele Milliarden Euro an Abschreibungen und Verlusten. Jahrelang hatte sich die Bank mit hochriskanten Anlagen vor allem in den USA verzockt. Die Abrechnung fiel verheerend aus. Und zur tiefroten Bestandsaufnahme des vergangenen Jahres kommen jetzt noch einmal 2,9 Millionen Euro hinzu, die Aufsichtsrat, Vorstand und Landespolitik am liebsten nie erwähnt hätten. Peiner und das damalige Kontrollgremium gaben Nonnemacher einen Fallschirm für drohende Abstürze mit auf den Weg: ein Sonderkündigungsrecht zum 31. Juli dieses Jahres mit der Zahlung von 2,9 Millionen Euro.
Damit Nonnenmacher nicht davon Gebrauch macht und die Bank verlässt, widmete der scheidende Aufsichtsrat unter Peiner die Summe im Juni einfach um: Nonnenmacher erhält 1,4 Millionen Euro für "besondere Leistungen" und später einmal 1,5 Millionen Euro für die Alterssicherung. "Er hat doch in den vergangenen Monaten im Vorstand die gesamte Last bei der Neustrukturierung der Bank so gut wie allein getragen", versucht sich einer der am Vertrag Beteiligten an einer halbwegs plausiblen Begründung für die satte Sonderzahlung, die in dieser Zeit so absurd wie anachronistisch erscheint. Einen Fallschirm oder einen Rettungsring hätte man an der Kasse bei Karstadt, an Bord bei Hapag-Lloyd oder am Fließband bei Schaeffler dieser Tage wohl auch gern. Stattdessen droht Zehntausenden Menschen in Deutschland der Verlust von Job und Perspektive ohne Kuschelbonus.
Die diskreten Sonderklauseln in Nonnenmachers Vertrag sind eine Altlast aus den Chaostagen der Finanzkrise am Ende des vergangenen Jahres. Doch wer sich in der Welt des Geldes umschaut, wird an nagelneuen Beispielen für uralte Gier keinen Mangel leiden. Die Investmentbanker drehen auf wie ehedem, auch wenn dabei der eine oder andere Champagnerkorken nur schallgedämpft aus der Flasche fliegen mag. "Die Summen, die im Investmentbanking bewegt werden, erreichen sicher nicht das gleiche Niveau wie vor der Krise, schon wegen der verschärften Aufsicht", sagt Professor Wolfgang Gerke, der Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums. "Aber eines ist zu erkennen: Die Investmentbanken werben wieder gegenseitig die besten Leute ab und zahlen dafür hohe Summen."
Der US-Versicherungs- und Finanzkonzern AIG will nach einem Bericht des "Wall Street Journals" im kommenden Jahr 250 Millionen Euro Boni an seine Investmentbanker auszahlen, deutlich mehr, als für 2009 vorgesehen war. AIG wurde von der US-Regierung bislang mit Staatshilfen von 183 Milliarden Dollar vollgepumpt. Der Börsenwert des Unternehmens fiel vom Jahr 2000 bis zum vergangenen Freitag von 240 auf 1,3 Milliarden Dollar. 2008 verbuchte AIG einen Verlust von 100 Milliarden Dollar, den höchsten eines Unternehmens in der Wirtschaftsgeschichte.
Die Vorgänge bei AIG sind kein Einzelfall. Die Wall Street fährt wieder hoch. Die US-Investmentbank Goldman Sachs erwartet für dieses Jahr das beste Ergebnis ihrer 140-jährigen Geschichte. Die Goldjungs und die Mitarbeiter der anderen verbliebenen Institute frohlocken auch deshalb, weilwesentliche Teile ihrer Konkurrenz von der Finanzmarktkrise hinweggerissen worden waren, zum Beispiel im vergangenen September Lehman Brothers. Im Unterschied zu AIG hatte die Bank keine Staatshilfen bekommen. Lehmans Untergang verstärkte die globale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise noch einmal dramatisch.
Während die Menschen in der "Realwirtschaft" weiterhin unter den Folgen der Krise zittern, rühren die Alchimisten in den Bankentürmen bereits wieder neue Rezepte an, um aus Pech und Schwefel in aller Eile Gold zu machen. Mit der Vergabe von Krediten, mit der Senkung von Zinsen trotz niedriger Leitzinsen geizen die Institute derweil, kritisieren Politik und Unternehmen allerorten. Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, schwärmt wieder von dem Ziel, 25 Prozent Eigenkapitalrendite vor Steuern zu erwirtschaften. Ein ähnliches Niveau peilt sein Kollege Brady Dougan von Credit Suisse an. "Die Banken haben aus der Krise offenbar nicht viel gelernt", sagt der Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann von der Universität Hamburg. "Die Regierungen müssen die vielen Beschlüsse zur Regulierung der Finanzmärkte unbedingt umsetzen, die der G20-Gipfel im April beschlossen hat. Die Bankenlobby in den USA und Großbritannien versucht bereits intensiv, diese Beschlüsse zu verwässern."
In Deutschland sollen, so haben es Bundesregierung und Bundestag beschlossen, Bankmanager nicht mehr als 500 000 Euro im Jahr verdienen, wenn sich der Staat zur Rettung an ihrem Institut beteiligt hat und wenn dieses Institut in einem bestimmten Zeitraum keine Dividende mehr ausschütten kann. Deshalb verdient auch Dirk Jens Nonnenmacher bei der HSH Nordbank künftig in seinem bis Ende 2012 laufenden Vertrag 500 000 Euro im Jahr. Und zuvor noch einen kleinen Bonus von 1,4 Millionen Euro für besondere Tapferkeit in der Krise.