Die Troika entscheidet dann nächste Woche über Acht-Milliarden-Hilfe. Griechische Gewerkschaften rufen für Oktober zu Streiks auf.

Brüssel/Athen. Die griechische Regierung will am Mittwochnachmittag neue Sparmaßnahmen bekannt geben. Die neuen Schritte stünden im Zusammenhang mit den laufenden Verhandlungen mit der Troika aus EU, IWF und EZB, erklärte ein Regierungssprecher. Vertreter der Troika sollen kommende Woche nach Athen zurückreisen. Falls sie Griechenland ausreichenden Fortschritt beim Sparprogramm attestieren, kann das hochverschuldete Land auf die Auszahlung der nächsten Hilfstranche hoffen.

Unterdessen haben die beiden größten griechischen Gewerkschaften für Oktober zu Streiks aufgerufen, um gegen die Sparpläne der Regierung zu demonstrieren. Am 5. und am 19. Oktober solle die Arbeit für jeweils 24 Stunden niedergelegt werden, sagte der Sprecher der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes Adedy. „Wir werden bis zum Ende kämpfen, um diese Politik zu beenden“, sagte er. „Die Troika und die Regierung müssen weg.“


Einzelheiten zum Streik:

Taxis im ganzen Land und Busse, U-Bahnen sowie die S-Bahn und die Straßenbahn in der Hauptstadt Athen sollen den ganzen Tag bestreikt werden. Dazu haben die einzelnen Gewerkschaften aufgerufen. Auch im Luftverkehr dürfte es wegen einer dreistündigen Arbeitsniederlegung der griechischen Fluglotsen zu einigen Behinderungen kommen.

Wie die wichtigsten Fluglinien am Mittwoch mitteilten, wird hauptsächlich der Inlandsverkehr betroffen sein. Zahlreiche internationale Flüge würden zeitlich versetzt stattfinden. Die Fluglinien wollten dazu ihre Gäste nach Möglichkeit telefonisch informieren, hieß es. Die Arbeitsniederlegung werde um 11.30 MESZ beginnen und um 14.30 MESZ enden, teilte der Verband der Fluglotsen mit. Sie schließen sich einem dreistündigen Ausstand von Staatsbediensteten in Griechenland an, die damit gegen geplante Entlassungen im staatlichen Bereich protestieren.

Die öffentlichen Verkehrsmittel von Athen werden bestreikt, weil die Regierung im Zuge der harten Sparmaßnahmen plant, rund zehn Prozent des Personals zu entlassen. Die Taxieigner protestieren gegen die geplante Öffnung ihres Berufsstandes und neue Konkurrenz. Bislang sind die Taxilizenzen auf etwa 14 000 für Athen und insgesamt etwa 30 000 für ganz Griechenland limitiert. Eine Lizenz kostete noch vor kurzer Zeit bis zu 150 000 Euro

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EU-Kommission optimistisch:

Die EU-Kommission sieht derweil "gute Fortschritte“ in den Gesprächen mit der griechischen Regierung über neue milliardenschwere Hilfszahlungen. Das teilte die Kommission am Dienstagabend nach einem Telefonat der Experten von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit dem griechischen Finanzminister Evangelos Venizelos mit. Ähnlich hatte sich zuvor bereits das griechische Finanzministerium geäußert.

In der EU-Erklärung hieß es: "Die technischen Diskussionen werden in Athen in den kommenden Tagen fortgesetzt.“ Voraussichtlich Anfang kommender Woche würden dann die Experten der Gläubiger-Troika in die griechische Hauptstadt zurückkehren, um mit ihrer Prüfung der Reformfortschritte der Regierung fortzufahren. Vom Ergebnis der Untersuchung hängt ab, ob Griechenland die dringend benötigten weiteren Hilfen in Höhe von acht Milliarden Euro aus dem alten Hilfsprogramm von 110 Milliarden Euro erhält. Fließen die Milliarden nicht, droht Griechenland nach offiziellen Angaben aus Athen im Oktober die Pleite. Die Vertreter von EU, IWF und EZB hatten den Mittelmeerstaat wegen Unstimmigkeiten über weitere Sparschritte am 2. September überraschend verlassen.

Griechenland muss Sparmaßnahmen vorziehen

Mit der Ankündigung von EU, IWF und EZB steigen die Chancen Griechenlands auf die dringend benötigte Zahlung aus dem internationalen Hilfspaket. Die Verhandlungen sollen am Wochenende während einer IWF-Konferenz in Washington fortgesetzt. Venizelos kündigte an, er werde am Wochenende nach New York reisen, um auch den IWF über die Entschlossenheit der Regierung in Athen zu informieren.

Aus Kreisen des Ministeriums verlautete zudem, man sei zuversichtlich, dass die nächste Tranche aus dem Hilfspaket überwiesen werde. "Wir sind einer Einigung nahe.“ Griechenland habe sich verpflichtet, ursprünglich mittelfristig geplante Sparmaßnahmen vorzuziehen.

Griechenland braucht dringend weitere Hilfen in Höhe von acht Milliarden Euro, um im Oktober Löhne und Gehälter auszahlen zu können. Dafür muss die Troika der griechischen Regierung bescheinigen, die Auflagen der Kreditgeber zu erfüllen. Liegt eine positive Bewertung vor, wollen die Finanzminister der Eurozone die letzte Tranche Anfang Oktober freigeben.

Nach Angaben des griechischen Finanzministeriums gehen die Arbeiten an den Haushaltsdaten für 2011/2012 auf Fachebene weiter. Auch werde an dem mittelfristigen Plan für die Zeit bis 2014 gearbeitet.

Der IWF hatte Griechenland am Montag mit deutlichen Worten aufgefordert, die Auflagen für das internationale Hilfspaket zu erfüllen. Defizite gibt es vor allem bei der geplanten Privatisierung der Staatsbetriebe und bei der Senkung der Neuverschuldung. Die Regierung in Athen hat wiederholt darauf verwiesen, dass die Wirtschaft des Landes immer weiter in die Rezession rutscht und deshalb die Umsetzung der Sparauflagen schwieriger werde.

Kabinett will "Noch nie dagewesene" Sparmaßnahmen beschließen

Das geplante Sparpaket der Griechen enthält weitere drastische Kürzungen für die griechische Bevölkerung. Wie die griechische Presse berichtete, sollen in der Sondersitzung "noch nie dagewesene“ Sparmaßnahmen beschlossen werden. Gewerkschaften rechneten mit Zehntausenden Entlassungen im staatlichen Bereich, Kürzungen von Renten und Gehältern von Staatsbediensteten und neuen indirekten Steuern für Tabak und Spirituosen.

Erwartet wird auch, dass das Heizen teurer wird, weil der Preis von Heizöl an den für Diesel angeglichen werden könnte. Zudem soll eine neue Immobilien-Sondersteuer erhoben werden. Jeder Besitzer eines Hauses oder einer Wohnung soll je nach Wert der Immobilie zwischen 0,5 bis 16 Euro pro Quadratmeter zahlen.

Athen will den aufgeblähten Staatsapparat drastisch verkleinern. Die Zahl der Staatsbediensteten solle sich im Vergleich zu 2009 um 50.000 sofort und bis 2015 um weitere 100.000 verringern, schätzte die Presse in Athen. 117 staatlich unterstützte Betriebe sollen sobald wie möglich schließen. Im Staatssektor arbeiten nach offiziellen Angaben mehr als 700 000 Bedienstete, hinzu kommen rund 200.000 Mitarbeiter in staatlich subventionierten Unternehmen wie dem Fernsehen oder der Elektrizitätsversorgung.

Die Gewerkschaften haben bereits Streiks für den 6. Oktober angekündigt. Viele Beobachter gehen davon aus, dass die allein regierenden Sozialisten dem Druck nicht werden standhalten können und schließen vorgezogene Wahlen oder die Bildung einer großen Koalition mit den Konservativen nicht aus.

Ratingagentur rechnet mit griechischer Pleite

Derweil rechnet die Ratingagentur Fitch fest mit einer Pleite Griechenlands. Dennoch sei zu erwarten, dass der hoch verschuldete Staat in der Eurozone bleibe, schrieb David Riley, zuständig für die staatliche Bonitätseinstufungen bei Fitch in einem Kommentar vom Dienstag. Die Sorge, dass die Eurozone auseinanderbrechen könnte, hält die Ratingagentur für weit übertrieben. Sie erwartet auch nicht, dass der Zusammenbruch von Finanzinstituten zugelassen wird, die für das Finanzsystem wichtig sind.

Ein Euro-Abschied Griechenlands wäre ökonomisch widersinnig, erklärt Riley. Falls das Land mit Einverständnis der Partner (weil es anders nicht ginge und vorgesehen sei) austrete, dann werde dadurch nur ein riskanter Präzedenzfall geschaffen. Denn auch die Glaubwürdigkeit anderer Staaten, in der Eurozone zu bleiben, werde untergraben. Andere Euro-Krisenländer würden dann schneller der Gefahr der Kapitalflucht ausgesetzt, das Risiko einer Staatsschulden- und Bankenkrise würde extrem steigen.

Athen beschafft sich unterdessen weiter kleinere Summen auf dem Finanzmarkt. Am Dienstag wurden nach Angaben des Finanzministeriums 1,625 Milliarden Euro mit einer Laufzeit von 13 Wochen aufgenommen. Der Zinssatz beträgt 4,56 Prozent; leicht höher als im August dieses Jahres, als Griechenland sich eine ähnliche Summe lieh – damals zu 4,50 Prozent. Griechenland braucht dringend auch diese kleinere Summen. Es gehe dabei auch darum, die Märkte zu testen, erklärten Beobachter. (dpa/rtr/dapd/abendblatt.de)