Griechenland versucht alles, um die Tranche aus dem Rettungspaket zu erhalten. Um Troika zu überzeugen, legt Athen drastische Sparmaßnamen auf.
Athen. Griechenland droht eine Zerreißprobe. Von außen der Druck, die immer schärferen Anforderungen der Troika zu erfüllen. Von innen die Wut der Bürger, über die drastischen Sparpläne. Tatsächlich: Es wird bitterernst für viele Griechen. Wenn das Land die dringend benötigten Hilfstranchen aus dem internationalen Rettungspaket bekommen will, muss es noch mehr sparen als bislang angekündigt. So stellte die Regierung einen neuen Plan vor, die Staatsfinanzen zu sanieren: Zunächst einmal sollen 30.000 Staatsbedienstete ihren Job verlieren und in eine sogenannte Arbeitsreserve geschickt werden. Die meisten könnten binnen zwölf Monaten arbeitslos werden.
Außerdem würden mehr Stellen als bisher geplant im öffentlichen Dienst auf Teilzeitbasis umgestellt, zudem werde es weitere Rentenkürzungen geben, teilte am Mittwoch ein Sprecher nach einer sechseinhalbstündigen Kabinettssitzung mit. Die Zahl der öffentlichen Bediensteten, die nur noch auf Teilzeit beschäftigt werden, soll in diesem Jahr von 20.000 auf 30.000 erhöht werden, wie es hieß. Betroffen von den Rentenkürzungen sind Renten über 1.200 Euro im Monat sowie die Renten von denjenigen, die unter 55 Jahre alt sind. Demnach werden Pensionen von monatlich mehr als 1200 Euro um 20 Prozent gekürzt. Zudem kündigten die griechischen Regierungsvertreter an, die neu eingeführte Immobiliensteuer mindestens bis 2014 beizubehalten. Einige Punkte aus dem 15-Punkte-Plan der Troika sollen umgesetzt werden.
Den Griechen gefallen die Sparpläne überhaupt nicht: Sie gehen auf die Straße. Mitarbeiter im öffentlichen Verkehr, Taxifahrer und Lehrer legten ihre Arbeit nieder, um gegen Pläne der Regierung zu protestieren. Für den Nachmittag kündigten auch die Fluglotsen einen dreistündigen Streik an, Mitarbeiter in der Stadtverwaltung wollten ihre Arbeit für vier Stunden niederlegen. Die Straßen Athens waren an diesem eigentlich zum autofreien Tag ausgerufenen Donnerstag verstopft, im Berufsverkehr bildeten sich lange Staus. Fluglinien sagten für den Nachmittag Flüge ab.
„Die Situation ist äußerst kritisch, ich würde sogar sagen gefährlich“, erklärte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos. „Es gibt ein Gefühl der Nervosität unter den größeren Ländern der Eurozone... das uns beeinflusst. Besonders bedauernswert ist, dass die (griechischen) Bürger große Opfer bringen müssen“, sagte er. Die beiden größten Gewerkschaftsverbände Griechenlands haben bereits zu weiteren Streiks gegen die geplanten Sparmaßnahmen aufgerufen. Am 5. Oktober soll es einen Ausstand des öffentlichen Sektors geben, am 19. Oktober einen Generalstreik.
Venizelos warnte im Parlament eindringlich vor einem Zusammenbruch des Landes. Die Gefahr sei groß, „dass die Ökonomie des Landes einfach aufhört zu existieren“. Am Dienstagabend war ein Durchbruch bei den telefonischen Verhandlungen der „Troika“ aus EU-Kommission, IWF und EZB mit dem griechischen Finanzminister gelungen. Die Expertengruppe der Geldgeber will nun nächste Woche nach Athen reisen. Ein positiver Bericht der „Troika“ zur Budgetsanierung ist Vorbedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro, sonst droht die Staatspleite.
Griechische Zeitungen stellten ihre Leser auf das Schlimmste ein: Die Maßnahmen würden sich „katastrophal“ auf den Lebensstandard des „kleinen Mannes“ auswirken, hieß es. „Radikale Kürzungen von Renten, Senkung der Steuerfreibeträge und Entlassungen“ prophezeite die regierungsnahe Athener Zeitung „Ta Nea“. 100 000 bis 150 000 Entlassungen werden in Griechenland befürchtet. Die EU-Kommission will Griechenland jetzt beim Ausgeben von bisher ungenutzten EU-Geldern in Höhe von 15 Milliarden Euro helfen. Dies teilte der für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn nach Gesprächen mit griechischen Ministern und Gouverneuren der Regionen mit. Beide Seiten verständigten sich auf eine Liste von rund 100 Projekten, die noch vor Ende dieses Jahres in Angriff genommen werden sollten. Zudem versprachen die Griechen, innerhalb von zehn Tagen eine Liste mit weiteren großen Projeten vorzulegen, die bis Ende 2013 noch begonnen oder gar abgeschlossen werden sollten. Dabei handelt es sich um Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Verkehr, Energie, Umwelt, Kultur, Tourismus und Klein- und Mittelbetriebe. (rtr/dpa/dapd)