Der Zwist in der schwarz-gelben Koalition über die Euro-Hilfen geht weiter. Selbst kurz vor der Berlin-Wahl beharkten sich CDU und FDP.

Berlin. Auch nach dem Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel zum Euro-Rettungskurs kehrt in der zerstrittenen Regierungskoalition kein Burgfriede ein. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies seinen Kabinettskollegen für Wirtschaft, den FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler, in die Schranken. Die FDP verbat sich Maulkorb-Belehrungen und stärkte ihrem Vorsitzenden den Rücken. Dieser bekam Unterstützung auch von namhaften Ökonomen.

In der Koalition liege die Zuständigkeit für den Euro bei Kanzlerin Merkel und ihm, stellte Schäuble in der „Bild am Sonntag“ klar. Zu den umstrittenen Spekulationen Röslers über eine mögliche Insolvenz Griechenlands sagte der Finanzminister: „In der Demokratie besteht Redefreiheit. Aber zuständig für die Finanzpolitik ist innerhalb der Bundesregierung der Finanzminister.“ Es gebe in dieser Frage zu Merkel „keinerlei Differenzen.“ Deshalb spreche die Regierung beim Thema Euro auch mit einer Stimme. „Dass viele andere auch reden, kann ich nicht ändern“, sagte der Finanzminister.

Die FDP wies die indirekte Aufforderung Schäubles zurück, sich aus der Euro-Finanzpolitik herauszuhalten. FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte am Samstag, Rösler setze bei der Suche nach Lösungen für die Euro-Schuldenkrise einen Auftrag des Bundestages aus dem Oktober 2010 um. „Das Parlament hat klare Regeln für die Gläubigerbeteiligung und Staateninsolvenz gefordert. Das Parlament wird auch Herr Schäuble ernst nehmen“, konterte Lindner.

FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle stellte sich hinter Rösler. „In der Sache hat Philipp Rösler meine volle Unterstützung“, sagte Brüderle der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die FDP wolle einen stabilen und starken Euro. Die Einschätzung Röslers werde „ja auch von Sachverständigen der Bundesregierung geteilt“, betonte Brüderle unter Hinweis auf einen Aufruf namhafter Ökonomen. Zu diesen zählt auch Kai Konrad, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats von Finanzminister Schäuble.

In der Erklärung der Ökonomen betonen die 16 Unterzeichner, dass sie – wie Rösler – der Meinung sind, „dass eine Staatsinsolvenz Griechenlands in Betracht gezogen werden sollte“. Sonst drohe „die ständige Erweiterung der Rettungsschirme unter deutscher Führung“ und lenke den Euroraum „auf direktem Wege in eine Transfer-Union“. Die FDP-Vizevorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete es als „wünschenswert, das auch die anderen Parteien die Sorge um die Euro-Stabilität ernst nehmen“.

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Im Schlussspurt des Berliner Wahlkampfs setzte die ums politische Überleben kämpfende FDP darauf, dass sie für ihren Euro-kritischen Kurs und ihr Eintreten „gegen den Ausverkauf deutscher Interessen“ Rückenwind bekommt und die Fünf-Prozent-Hürde doch noch schafft. Der Berliner FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer sagte der „Bild am Sonntag“: „Die FDP ist die einzige Partei, die beim Euro Klartext redet. Deshalb machen wir die Berlin-Wahl zur Euro-Wahl.“ Dies sei mit der Führung der Bundespartei abgestimmt.

Lindner sieht die FDP dabei nicht in Frontstellung zur Kanzlerin: Merkel habe „lediglich gesagt, jeder müsse bei seinen Äußerungen vorsichtig sein“ – und da müsse Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gemeint gewesen sein, denn dieser habe die Regierungsbeschlüsse zum Europäischen Stabilitätsmechanismus infrage gestellt.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach sich für ein Ende der schwarz-gelben Bundesregierung aus. „Wenn die Kanzlerin und ihr Finanzminister Schäuble der historischen Verantwortung für Deutschland und Europa gerecht werden wollen, dann können sie mit dieser Koalition nicht mehr weiterregieren“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“ (Sonntag). Gabriel bot Merkel zugleich vorübergehende Unterstützung für eine mögliche Minderheitsregierung an.

FDP-Präsidiumsmitglied Jörg-Uwe Hahn warf Merkel Führungsschwäche vor. „Wir Liberalen haben in Berlin kein Führungsproblem mehr“, sagte Hessens Justizminister dem Magazin „Focus“. „Das Führungsproblem liegt bei der Union und heißt Angela Merkel.“ Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) kritisierte dagegen Rösler: „Ich frage mich: Wie viel weiter ist denn die FDP politisch von einer Insolvenz entfernt als Griechenland?“

(dpa/abendblatt.de)