Aus Protest gegen die Sparmaßnahmen legen die Griechen die Arbeit nieder und streiken. Finanzminister warnt vor Zusammenbruch des Landes.
Athen. Griechenland steht vor der vielleicht größten Zerreißprobe seiner jüngeren Geschichte. Während die Sparanforderungen von außen immer größer werden, wächst auch der Druck im Land immer stärker. Am Donnerstag haben tausende Griechen die Arbeit niedergelegt um gegen die Reformpläne der Regierung zu demonstrieren, viele zog es auf die Straßen. Tatsächlich: Es wird bitterernst für viele Griechen. Wenn das Land die dringend benötigten Hilfstranchen aus dem internationalen Rettungspaket bekommen will, muss es noch mehr sparen als bislang von den Bürgern befürchtet. In einem neuen Plan der Regierung sollen 30.000 Staatsbedienstete entlassen werden. Zunächst sollen sie zwar in einer sogenannten "Arbeitsreserve" weiterversorgt werden, doch dem Großteil droht binnen zwölf Monaten wohl die Arbeitslosigkeit. Viele Stellen im öffentlichen Dienst werden zudem auf Teilzeitbasis umgestellt, es wird weitere Rentenkürzungen geben und die neu eingeführte Immobiliensteuer soll bis mindestens 2014 beibehalten werden. Auch sollen weitere Punkte aus dem 15-Punkte-Plan der Troika sollen umgesetzt werden.
Zuviel für die Griechen: Aus Protest legten sie in Athen die Arbeit nieder. Und stürzten das Land in ein neues Chaos. Der Streik der Taxi- und Buasfahrer löste ein Verkehrschaos aus. Auch Fluglotsen und Lehrer beteiligten sich an dem mehrstündigen Ausstand. Die Straßen Athens waren an diesem eigentlich zum autofreien Tag ausgerufenen Donnerstag verstopft, im Berufsverkehr bildeten sich lange Staus. Fluglinien sagten für den Nachmittag Flüge ab. Im Zentrum Athens protestierten rund 5.000 Lehrer und Schüler gegen die Sparmaßnahmen. Zuvor war bereits eine kleinere Gruppe Bahnmitarbeiter auf die Straße gegangen. „Wir hatten schon eine Entlassungsrunde und nun wird es eine weitere geben“, sagte der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft im Norden des Landes, Yiannis Vlachos. „Wir sind an einem kritischen Punkt für den Betrieb angelangt, schließlich können wir bei der Sicherheit der Fahrgäste nicht den kleinsten Kompromiss eingehen.“
Und es soll noch schlimmer kommen: Die beiden größten Gewerkschaftsverbände Griechenlands riefen bereits zu weiteren Streiks gegen die geplanten Sparmaßnahmen auf. Am 5. Oktober soll es einen Ausstand des öffentlichen Sektors geben, am 19. Oktober einen Generalstreik.
Finanzminister warnt vor Zusammenbruch des Landes
„Die Situation ist äußerst kritisch, ich würde sogar sagen gefährlich“, erklärte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos. „Es gibt ein Gefühl der Nervosität unter den größeren Ländern der Eurozone das uns beeinflusst. Besonders bedauernswert ist, dass die (griechischen) Bürger große Opfer bringen müssen“, sagte er. Venizelos warnte im Parlament eindringlich vor einem Zusammenbruch des Landes. Die Gefahr sei groß, „dass die Ökonomie des Landes einfach aufhört zu existieren“. Am Dienstagabend war ein Durchbruch bei den telefonischen Verhandlungen der „Troika“ aus EU-Kommission, IWF und EZB mit dem griechischen Finanzminister gelungen. Die Expertengruppe der Geldgeber will nun nächste Woche nach Athen reisen. Ein positiver Bericht der „Troika“ zur Budgetsanierung ist Vorbedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro, sonst droht die Staatspleite.
Griechische Zeitungen stellten ihre Leser auf das Schlimmste ein: Die Maßnahmen würden sich „katastrophal“ auf den Lebensstandard des „kleinen Mannes“ auswirken, hieß es. „Radikale Kürzungen von Renten, Senkung der Steuerfreibeträge und Entlassungen“ prophezeite die regierungsnahe Athener Zeitung „Ta Nea“. 100 000 bis 150 000 Entlassungen werden in Griechenland befürchtet. Die EU-Kommission will Griechenland jetzt beim Ausgeben von bisher ungenutzten EU-Geldern in Höhe von 15 Milliarden Euro helfen. Dies teilte der für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn nach Gesprächen mit griechischen Ministern und Gouverneuren der Regionen mit. Beide Seiten verständigten sich auf eine Liste von rund 100 Projekten, die noch vor Ende dieses Jahres in Angriff genommen werden sollten. Zudem versprachen die Griechen, innerhalb von zehn Tagen eine Liste mit weiteren großen Projeten vorzulegen, die bis Ende 2013 noch begonnen oder gar abgeschlossen werden sollten. Dabei handelt es sich um Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Verkehr, Energie, Umwelt, Kultur, Tourismus und Klein- und Mittelbetriebe. (rtr/dpa/dapd)