Die Probleme beim Verkehrskonzern reißen nicht ab. Täglich defekte Klimaanlagen und Verspätungen bringen Bahn in Erklärungsnot.
Hamburg. Schadhafte Radachsen, kälteanfällige Lokomotiven, eine ICE-Tür, die in voller Fahrt herausreißt - und nun defekte Klimaanlagen in einer besonders heißen Sommerphase. Die Deutsche Bahn hat erneut Ärger mit technischen Mängeln, die bestenfalls unangenehm sind und schlimmstenfalls tödliche Folgen haben können. Der Ausfall von Klimaanlagen in drei ICE-Zügen am Sonnabend sind offenbar keine Einzelfälle, wenngleich einer besonders gravierend war. Mehr als 40 Reisende mit einem Hitzekollaps in den Zügen, die von Berlin nach Köln fuhren, mussten in Hannover und in Bielefeld versorgt werden. Gestern wurden ähnliche Probleme bekannt. In einem ICE zwischen Hamburg und Berlin fiel die Klimaanlage zum Teil aus. Zuvor war der Zug mit gut 40 Minuten Verspätung gestartet. Auch bei der Berliner S-Bahn versagen in vielen Zügen - vor allem in einem Typ des Herstellers Bombardier - die Klimaanlagen, räumte die Bahn gestern ein. Die Mängel seien konstruktionsbedingt.
Besonders dramatisch war die Lage am Sonnabend in einem der Züge, in dem die Temperatur auf bis zu 50 Grad anstieg. Die Zugbesatzung hatte den ICE noch eine ganze Weile weiterfahren lassen, obwohl Fahrgäste auf den Ausfall der Klimaanlage hingewiesen hatten. Die Passagiere, darunter eine schwangere Frau und eine Schulklasse, mussten in Bielefeld von Rettungskräften versorgt werden. Die Bundespolizei ermittelt den Fall mit Blick auf fahrlässige Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung durch das Zugpersonal.
Politiker und der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierten die Bahn gestern für die Mängel. "Ich erwarte von der Deutschen Bahn, dass die Züge bei minus 40 Grad genauso zuverlässig fahren wie bei plus 40 Grad", sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sagte, sämtliche Züge müssten umgehend auf ihre Funktionsbereitschaft überprüft werden: "Es muss alles getan werden, damit die Züge für die Menschen sicher sind."
Der FDP-Verkehrspolitiker Patrick Döring, Mitglied im Aufsichtsrat der Bahn, kritisierte: "Es kann nicht sein, dass der mitteleuropäische Winter zu kalt für die Bahn war und der mitteleuropäische Sommer zu heiß ist. Bei der bevorstehenden Erneuerung der IC-Flotte müssen Sicherheit und Komfort absoluten Vorrang haben."
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn, traditionell bahnfreundlich, schloss sich der Kritik an und nannte die stetigen Kostensenkungen bei der Bahn als Ursache: "Die Deutsche Bahn hat an der falschen Stelle gespart", sagte Pro-Bahn-Sprecher Hartmut Buyken. Die Technik sei nicht auf Sicherheit ausgelegt, sondern auf Kostenminimierung. Dabei werde der Ausfall von Systemen billigend in Kauf genommen. Die Leiterin der Remscheider Gesamtschule, deren Schüler am Sonnabend in Bielefeld aus dem Zug geholt worden waren, sagte: "Es kann ja nicht sein, dass wir demnächst Ärzte mitschicken müssen, um die Beförderung der Deutschen Bahn hinzukriegen."
Die Bahn hatte sich bereits am Sonntag für die Vorfälle am Wochenende entschuldigt und will die Betroffenen entschädigen. "Alle Züge werden, bevor sie morgens rausfahren, täglich überprüft", sagte ein Bahnsprecher gestern. Die Abstände der Wartung seien vorgeschrieben. Es seien "Sofortmaßnahmen bei der Wartung" eingeleitet worden. Die Beschäftigten in den Werkstätten seien aufgefordert worden, besonderes Augenmerk auf die Klimaanlagen zu legen. Die Mitarbeiter an Bord der Züge seien angewiesen, umgehend auf einen Ausfall der Klimaanlagen zu reagieren. Fahrgäste sollten in andere Waggons gebracht und mit Getränken versorgt werden. Im schlimmsten Fall müsse der Zug gestoppt werden, sagte der Sprecher. Die Ursache des Klimaanlagen-ausfalls in dem ICE am Sonnabend sei noch nicht ermittelt.
Seit den 1990er-Jahren wird der Staatskonzern Bahn im Stil eines privatwirtschaftlichen Unternehmens geführt. Seither macht das Unternehmen immer wieder mit Mängeln Schlagzeilen, teils mit katastrophalen Folgen. Das Unglück eines ICE im Sommer 1998 nahe Eschede mit 101 Toten war durch einen gebrochenen Radreifen ausgelöst worden. Wegen möglicher Achsmängel zog die Bahn 2008 ihre nagelneue ICE-3-Flotte mit Neigetechnik zur Überprüfung monatelang aus dem Verkehr. Im selben Jahr entgleiste ein ICE in langsamer Fahrt am Kölner Hauptbahnhof wegen eines Achsbruchs. Wie durch ein Wunder wurde niemand getötet, als in diesem April ein ICE auf der Hochgeschwindigkeitsfahrt durch den Westerwald in voller Fahrt eine Tür verlor, die in einen entgegenkommenden ICE einschlug. Sechs Menschen wurden leicht verletzt.
Der Dauerärger beim Betrieb der Berliner S-Bahn und die zahlreichen kältebedingten Ausfälle von Zügen im vergangenen Winter wirken im Vergleich dazu wiederum harmlos.
Bahnchef Rüdiger Grube, seit dem Frühjahr 2009 im Amt, hat mehrfach eine deutliche Verbesserung der technischen Qualität und des Service in Zügen und auf Bahnhöfen angekündigt. Dies sowie der Dauerstreit zwischen der Bahn und ihren Lieferanten wie Siemens oder Bombardier, zeigen aber keine durchschlagende Wirkung.