Grüne und Fahrgastverband werfen der Bahn Sparpolitik und mangelhaftes Krisenmanagement vor. Die Ermittlungen laufen.
Frankfurt/Main. Nach dem Hitzekollaps von Fahrgästen in einem ICE ermittelt die Bundespolizei seit Montag gegen die Deutsche Bahn wegen Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und der unterlassenen Hilfeleistung. Der Fahrgastverband Pro Bahn und die Grünen warfen dem Unternehmen vor, Reparaturen aus Kostengründen auf die lange Bank zu schieben. Auch das Krisenmanagement der Bahn steht in der Kritik. Die „Neuen Osnabrücker Zeitung“ berichtete über Hitzeprobleme in weiteren Zügen am Sonntag. Demnach ist in Teilen des IC 2307 von Hamburg in Richtung Ruhrgebiet die Klimaanlage ausgefallen. „Reisende durften in die Erste Klasse wechseln und erhielten Getränke“, hieß es. Der überhitzte 12.36-Uhr-IC von Berlin via Osnabrück nach Amsterdam sei in Stendal mit einem Lokschaden liegengeblieben. Der Ersatzzug sei nicht klimatisiert gewesen, Reisende seien aufgebracht und Schaffnerinnen den Tränen nah gewesen. Eine dehydrierte Frau sei aus dem Zug geführt worden. Ein Sprecher der Bundespolizei Münster sagte, wegen des Defekts der Klimaanlage in mehreren ICE-Zügen hätten in Bielefeld rund 40 Passagiere ärztlich behandelt werden müssen – vor allem wegen Kreislaufzusammenbruchs. Nun soll untersucht werden, ob es nicht möglich gewesen wäre, angesichts von Temperaturen von bis zu 50 Grad im Zuginneren schon eher Abhilfe zu schaffen.
Eingeschaltet in die Ermittlungen sind auch die Staatsanwaltschaft Bielefeld und das Eisenbahnbundesamt, das die Technik und betrieblichen Abläufe untersucht, wie eine Sprecherin sagte. Die Deutsche Bahn hatte den Ausfall der Klimaanlagen in drei ICE-Zügen von Berlin nach Köln/Düsseldorf am Samstag mit extremen Außentemperaturen und einem hohen Fahrgastaufkommen erklärt. „Die Deutsche Bahn hat an der falschen Stelle gespart“, sagte dagegen Pro-Bahn-Sprecher Hartmut Buyken im Hessischen Rundfunk. Die Technik sei nicht auf Sicherheit ausgelegt, sondern auf Kostenminimierung. Dabei werde der Ausfall billigend in Kauf genommen. Das Herstellerkonsortium der deutschen Industrie unter Führung von Siemens und die Deutsche Bahn AG erhielten jetzt die Quittung für ihre verfehlte Politik, meinte Buyken.
Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Toni Hofreiter, kritisierte: „Wieder einmal zeigt sich, dass die Bahn an den falschen Stelle gespart hat. Weder ist die Technik ihrer Züge auf Sicherheit ausgelegt, noch werden diese richtig gewartet.“ Bei Temperaturen über 30 Grad müssten die Filter der Klimaanlagen häufiger gewechselt werden. „Geschieht dies nicht, fallen diese aus“, sagte Hofreiter. Die Bahn reagiere auch nicht angemessen darauf. „Statt die defekten Züge aus dem Verkehr zu ziehen und neue Züge einzusetzen, lässt man die alten Züge weiter fahren oder bietet den Passagiere bereits überbuchte Züge an. Mit einem vernünftigen Krisenmanagement hat dies nichts zu tun.“
+++ Erhöhte Ozonwerte gemessen +++
Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Winfried Hermann (Grüne), forderte die Deutsche Bahn auf, das Management vor Ort und das Zugpersonal noch besser zu schulen. Sie brauche für Ausnahmesituationen endlich einen gut einstudierten Plan B, damit den Reisenden schnell und unbürokratisch geholfen werden kann, zum Beispiel bei extremer Hitze durch das Verteilen von Getränken und Erste-Hilfe-Maßnahmen.