Ein Waggon entgleiste, als der ICE gegen einen Müllwagen prallte. Zum Glück fuhr er langsam - es hätte schlimmer ausgehen können.
Lambrecht. Die Unfallstelle im Pfälzerwald: Der Triebwagen sieht aus, als wäre er von einem riesigen Messer aufgeschlitzt worden. Auf der kompletten Länge klafft ein etwa 20 Zentimeter breites Loch in der Seitenwand: Ein ICE ist am Dienstag im Pfälzerwald gegen einen Müllwagen geprallt – 15 Menschen wurden verletzt, einer davon schwer. Der Sachschaden ist enorm. Der erste Waggon des ICE entgleiste. Weil der Zug mit rund 300 Fahrgästen an Bord auf der kurvenreichen Strecke bei Lambrecht langsamer fahren musste, wurde wohl ein größeres Unglück verhindert. Das Müllauto war von einer schmalen Straße an die Gleise gerutscht.
Der Fahrer des ICE 9556 hatte nach Angaben der Bundespolizei noch eine Schnellbremsung einleiten können. Dennoch knallte es heftig. Der Müllwagen wurde von dem Schnellzug ein Stück mitgeschleift. Zwischen Triebwagen und Waggon steckt während der Bergungsarbeiten noch ein abgerissenes Teil des Müllwagens.
Nach Angaben der Bundespolizei war das Abfallfahrzeug gegen 10.00 Uhr von einem schmalen Weg über der Bahnstrecke direkt neben die Gleise gestürzt. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler wollte der Fahrer einem anderen Fahrzeug ausweichen und kam dabei vom Weg ab. Der 35 Jahre alte Fahrer des Müllwagens erlitt schwere Verletzungen, als er sich vor dem nahenden ICE in Sicherheit bringen wollte. Der ICE mit etwa 300 Fahrgästen an Bord war auf dem Weg von Frankfurt nach Paris. Zu den 14 Leichtverletzten gehörten auch zwei Angestellte der Bahn. Das Unglück ging noch vergleichsweise glimpflich aus – vor allem deshalb, weil der Hochgeschwindigkeitszug auf der kurvenreichen Strecke durch den Wald nur etwa 90 Stundenkilometer fahren darf. Auf geraden Strecken ist ein solcher ICE maximal mit Tempo 320 Kilometer unterwegs. Ein Bahnsprecher wollte sich am Unglücksort nicht auf Spekulationen einlassen, deutet aber an, dass ein ähnlicher Unfall bei höherem Tempo noch schlimmer enden kann.
Anwohner hatten am Morgen sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte. „Ich habe gehört, wie es laut gerumpelt hat, und dann gab es ganz laute Bremsgeräusche. Dann hat unser Haus richtig vibriert“, sagt eine Frau, die zehn Meter neben der Zugstrecke wohnt. Sie sei nach draußen gerannt und habe sofort die Polizei angerufen. Etwa 100 Einsatzkräfte waren nach dem Unglück vor Ort. Die Fahrgäste wurden in einer nahen Turnhalle versorgt. Laut Augenzeugen waren sie „geschockt, aber gefasst“. Die Bundespolizei und die zuständige Aufsichtsbehörde für den Bahnverkehr ermitteln nun, wie genau es zu dem Unfall kommen konnte.
Die Straße, von der der Müllwagen gestürzt war, ist sehr schmal und ähnelt eher einem Radweg. Sie liegt etwas höher als die Bahnstrecke, eine Abgrenzung wie zum Beispiel Leitplanken gibt es an der Unfallstelle nicht. Nach Angaben von Anwohnern kann die Müllabfuhr nur über diese Straße die Häuser hier erreichen, weil die reguläre Unterführung an der Zufahrt zu der Siedlung zu eng für das Fahrzeug ist. In den 90er Jahren war nach Aussage von Anwohnern hier schon einmal ein Fahrzeug auf die Gleise gestürzt, damals ging der Unfall aber glimpflicher aus. Die Bahnstrecke Mannheim-Saarbrücken bleibt zwischen Neustadt an der Weinstraße und Weidenthal nach dem Unfall voraussichtlich noch bis Mittwoch gesperrt. Der ICE-Verkehr zwischen Frankfurt und Paris wird über Straßburg umgeleitet. Mit einem Spezialkran versucht die Bahn, den ICE wieder komplett aufs Gleis zu setzen, um ihn dann abtransportieren zu können.
Die Anwohner der Bahnstrecke haben die Beinahe-Katastrophe vor ihrer Haustür am Nachmittag bereits erstaunlich gut weggesteckt. Vier Stunden nach dem Unglück holt ein Mann seine Mülltonne vom Straßenrand. „Der Abfall wird heute ja wohl nicht mehr abgeholt“, sagte er trocken.