Schon in den 90er Jahren passierte an dieser Stelle ein Zugunfall. Seit längerem gibt es Forderungen nach einem Ausbau der Straße.
Lambrecht. Es war wohl ein Unglück mit Ansage: Ein tonnenschweres Müllfahrzeug fährt regelmäßig ein schmales Sträßchen entlang, das direkt oberhalb einer ICE-Strecke liegt. Keine Leitplanke dazwischen, nichts. Schon einmal stürzte hier in den 90er Jahren ein Fahrzeug neben die Gleise der prestigeträchtigen Schnellstrecke Frankfurt-Paris. Passiert ist seitdem nach Angaben von Anwohnern nichts. Am Dienstag kommt es dann zum Unglück: Ein mit etwa 300 Fahrgästen besetzter ICE stößt mit einem auf das Gleisbett gerutschten Müllwagen zusammen . Der Triebwagen wird komplett aufgeschlitzt, ein Waggon entgleist, 15 Menschen werden verletzt.
Die Suche nach den Verantwortlichen für den Unfall hat begonnen. Schon kurz nach dem Crash hatten sich an der Unglücksstelle Anwohner versammelt. Ihr Tenor: Das musste ja eines Tages so kommen. Sie erzählen von dem Unfall in den 90er Jahren, der damals glimpflich ausgegangen war. Passiert sei seitdem nichts, lautet ihr Vorwurf. Im Fokus der zuständigen Staatsanwaltschaft Frankenthal steht erst einmal der Fahrer des Müllwagens. Der 35-Jährige soll auf der schmalen Straße einem anderen Fahrzeug ausgewichen und dabei von der Fahrbahn abgekommen sein. Ermittelt wird wegen des Verdachts eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr – „da kommt dann auch Fahrlässigkeit infrage“, sagt der Behördenleiter Lothar Liebig am Mittwoch.
Es wird aber letztlich auch um die Frage gehen müssen, wer dafür sorgen muss, dass es an dieser Stelle nicht zu derartigen Unfällen kommen kann. Schon seit längerem gibt es Forderungen nach einem Ausbau der schmalen Straße, von der der Müllwagen abkam. In der Pflicht wäre wohl die Kommune Lambrecht gewesen. Dass der tonnenschwere Müllwagen überhaupt diese Straße nimmt, hat praktische Gründe: Eigentlich ist die Siedlung, die an der Unfallstelle liegt, auch durch eine Unterführung zu erreichen. Diese ist aber zu eng für das große Müllfahrzeug. Deshalb fahren die Brummis zur Müllabfuhr über das schmale Sträßchen parallel zur Bahnlinie in die Siedlung hinein, wenden dort und fahren über das schmale Sträßchen auch wieder zurück. Wie ein bulliger Müllwagen auf dieser schmalen Strecke dann aber auch noch einem anderen Fahrzeug ausweichen soll – das bleibt ein Rätsel, wenn man sich den Unfallort anschaut. Auf der einen Seite geht es eine Böschung hinauf, auf der anderen Seite geht es einen kleinen Abhang hinunter zur Bahnstrecke – Platz bleibt da kaum. Dazu kam wohl auch noch, dass der Boden neben der Straße nach dem vielen Regen der vergangenen Tage aufgeweicht war und das Abrutschen des Müllwagens begünstigt haben dürfte.
Dass der Unfall nicht noch weit dramatischere Folgen hatte, liegt daran, dass ICE auf diesem kurvigen Abschnitt durch den Pfälzerwald nur relativ langsam fahren. Laut Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle in Bonn, die ebenfalls in der Sache ermittelt, war der Zug mit 90 bis 100 Stundenkilometern unterwegs, als es zu dem Unglück kam. Anzeichen für eine technischen Defekt bei der Bahn als Ursache des Unfalls gibt es nach Angaben der Bonner Ermittler derzeit nicht. Die Bahn selbst will sich mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorerst nicht äußern.