Neuer Spielraum: Mehr als 100 Milliarden Euro weniger Schulden und grünes Licht für ein zweites Hilfspaket. Der IWF sagt seine Hilfe zu.

Brüssel/Athen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll sich nach dem Willen seiner Chefin Christine Lagarde mit rund 28 Milliarden Euro an dem neuen Hilfspaket für Griechenland beteiligen. Diesen Betrag werde sie dem Exekutivrat vorschlagen, sagte die Geschäftsführende Direktorin am Freitag in Washington laut einer Mitteilung.

Der IWF-Anteil an dem insgesamt 130 Milliarden Euro umfassenden Paket solle „Griechenlands ehrgeiziges ökonomisches Programm über die nächsten vier Jahre unterstützen“. Eine Entscheidung über die Summe im Exekutivrat solle kommende Woche fallen.

Lagardes Ankündigung folgte der Erfolgsmeldung aus Athen, dass private Gläubiger einem Forderungsverzicht zugestimmt haben, der den Schuldenberg um mehr als 100 Milliarden Euro verringern lassen kann. Der Schuldenschnitt war eine Bedingung der internationalen Helfer für neue Unterstützung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte unter Berufung auf Lagarde bereits angekündigt, dass sich der IWF mit einem „bedeutenden Beitrag“ an dem zweiten Hilfspaket beteiligen werde.

„Die Wettbewerbsfähigkeit und eine tragfähige finanzielle Position wiederherzustellen, erfordert von Griechenland, nachhaltige und tiefe strukturelle Reformen über einen längeren Zeitraum durchzuführen“, sagte Lagarde laut der Mitteilung weiter. Ihre Entscheidung, dem krisengeschüttelten Land über einen ausgedehnten Zeitraum „substanzielle finanzielle Unterstützung“ gewähren zu wollen, sei angesichts dieser großen Herausforderung angemessen.

Bereits zuvor hatte sie den griechischen Schuldenschnitt als „bedeutenden Schritt“ zur Tragfähigkeit der Staatsfinanzen Athens gewürdigt. Damit würden die mittelfristigen Verpflichtungen des Landes dramatisch reduziert. Die Beteiligung des Privatsektors sei ein Schlüsselbeitrag zu den Beiträgen aller Seiten, um Griechenlands Wirtschaft wieder zu Wachstum und Stabilität zu verhelfen.

Den Griechen war der Kraftakt gelungen, die größte Staatsumschuldung aller Zeiten zu vollbringen: Nach monatelangen Verhandlungen und scheinbar endlosen Zitterpartien hat sich Griechenland wieder etwas mehr Spielraum im Kampf gegen die drohende Staatspleite verschafft. Am Freitagmorgen kam die lang ersehnte Erfolgsmeldung aus Athen : Das Finanzministerium gab eine hohe Beteiligung an dem Forderungsverzicht privater Gläubiger bekannt. Die Euro-Finanzminister reagierten umgehend und gaben einen Teil des neuen 130-Milliarden-Hilfspakets für das krisengeschüttelte Land im Südosten Europas frei.

Bei einer Telefonkonferenz einigten sich die Kassenhüter darauf, dass 30 Milliarden Euro zur Unterstützung des Schuldenschnitts plus 5,5 Milliarden Euro für die Begleichung aufgelaufener Zinsen nun bereit stehen. Grünes Licht für das komplette Paket soll Anfang nächster Woche bei einem Ministertreffen in Brüssel gegeben werden.

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Mit großer Spannung war den ganzen Tag über die Entscheidung des Branchenverbandes ISDA erwartet worden, der die Maßnahmen Athens als Zahlungsausfall wertete. Damit werden die umstrittenen Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps/CDS) ausgelöst, mit denen sich bestimmte Halter von griechischen Staatsanleihen abgesichert haben.

Die Organsiation begründete diesen Schritt auf ihrer Website folgendermaßen: Trotz einer hohen freiwilligen Beteiligungsquote wolle Athen alle Halter von Anleihen nach griechischem Recht zum Forderungsverzicht zwingen. Zu diesem Zweck hatte Griechenland vorsorglich bereits ein Gesetz verabschiedet, das die Möglichkeit eröffnet, alte Anleihen rückwirkend mit Zwangsklauseln (Collective Action Clauses/CAC) auszustatten.

Die Entscheidung der in London ansässigen International Swaps and Derivatives Association (ISDA) ist von großer Bedeutung, weil die Kreditausfallversicherungen die letzte große Finanzkrise noch verstärkt hatten, denn mit diesen CDS-Titeln wird auch gezielt spekuliert. Im Fall Griechenland haben Experten jedoch bereits weitgehend Entwarnung geben: Schätzungen zufolge geht es bei diesem Markt um ein Bruttovolumen von rund 70 Milliarden US-Dollar. Da aber viele Investoren zugleich Käufer und Verkäufer von CDS sind, blieben unterm Strich bloß etwas mehr als 3 Milliarden US-Dollar.

Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den Schuldenschnitt als „ermutigendes Ergebnis“. EU-Währungskommissar Olli Rehn äußerte sich „sehr zufrieden“, verlangte aber wie Merkel die Umsetzung des von Athen zugesagten Spar- und Reformprogramms.

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Im Detail sieht die Schuldenschnitt-Bilanz so aus: Bei den Papieren im Volumen von 177 Milliarden Euro, die nach griechischem Recht ausgegeben worden waren, wurden 85,8 Prozent zum Umtausch eingereicht. Damit will sich Finanzminister Evangelos Venizelos aber nicht zufriedengeben: Die restlichen Anleihen sollen nun auf dem Weg von Umtauschklauseln zusammenkommen, mit denen Anlegern auch gegen ihren Willen zum Tausch gezwungen werden können. Die Aktivierung dieser „Collective Action Clauses“ (CAC) ist nach einem eigens dafür geschaffenen Gesetz möglich.

Bei den übrigen Anleihen, die ein Volumen von 29 Milliarden Euro haben, beträgt die Beteiligungsquote 69 Prozent. Für diese Anleihen, die nach internationalem Recht ausgegeben wurden, wird die Annahmefrist für das Umtauschangebot bis zum 23. März verlängert. Die Euro-Finanzminister zeigten sich zuversichtlich, dass sich damit noch mehr Gläubiger an dem Anleihentausch beteiligen werden.

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Der Schuldenschnitt war eine Bedingung der internationalen Helfer für neue Unterstützung. Die Argumentation, mit der private Gläubiger ins Boot geholt wurden: Ohne weitere Hilfen wäre Griechenland bankrott und Anleihegläubiger würde der Verlust ihres gesamten Investments drohen.

Griechenland ist nach Ansicht der Kreditwirtschaft aber noch nicht dauerhaft über den Berg. Für Griechenland sei das Ergebnis „ein Lichtblick, allerdings nicht das Ende der Krise“, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), einer Mitteilung zufolge. „Gerade in Griechenland ist de wirtschaftliche und politische Ausgangslage immer noch deutlich schwieriger als etwa in Portugal, Irland oder Italien.“

Mit der hohen Beteiligung der privaten Gläubiger ist nach Aussage der Bundesregierung dem Land aber eine „historische Chance“ gegeben worden. „Wir begrüßen, dass sich der Privatsektor in einem hohen Maße freiwillig an der Stabilisierung Griechenlands beteiligen wird“, erklärte das Finanzministerium in Berlin.

Nach Aktivierung der Zwangsklauseln wird die Beteiligung am Schuldenschnitt nach Angaben des Athener Finanzministeriums insgesamt bei 95,7 Prozent liegen. Das würde 197 von insgesamt 206 Milliarden Euro Anleihevolumen in der Hand privater Gläubiger abdecken. Die zuvor mit den Banken getroffene Grundsatzvereinbarung mit den Banken sieht einen Forderungsverzicht von 53,5 Prozent vor. Daraus ergibt sich eine faktische Reduzierung des Schuldenbergs um gut 105 Milliarden Euro. Die Gläubiger erhalten im Tausch neue Anleihen mit langen Laufzeiten und relativ niedrigen Zinsen.

Venizelos dankte den Gläubigern, „die unser ehrgeiziges Reform- und Anpassungsprogramm unterstützt und sich an den Opfern des griechischen Volks bei diesem historischen Unterfangen beteiligt haben“. Später sagte er im Parlament: „Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes haben wir die Chance, die Schulden des Staates gewaltig zu reduzieren.“

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Das Land hängt bereits seit 2010 am internationalen Finanztropf und hatte damals Hilfszusagen von 110 Milliarden Euro bekommen. Bald danach zeigte sich aber, dass diese Kredite nicht ausreichen, um Griechenland dauerhaft vor der Pleite zu bewahren.

Die Finanzmärkte reagierten verhalten auf den Schuldenschnitt: Die Börsen pendelten zwischen geringen Verlusten und minimalen Gewinnen hin und her. Der Eurokurs gab nach. „Für viele Marktteilnehmer ist mit der Umschuldung die Büchse der Pandora geöffnet. Das komplette Ausmaß ist noch nicht absehbar und die Frage ist: Was kommt nach Griechenland?“, kommentierte ein Aktienhändler.

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Für Spannung sorgt noch die Frage, ob mit der Aktivierung der Umschuldungsklauseln nun als „Kreditereignis“ gewertet wird; mit diesem Begriff ist ein Zahlungsausfall gemeint, der die sogenannten Kreditausfallversicherungen auslösen würde. Darüber wollte die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) noch am Freitag in London entscheiden.

Bei den Plänen zur griechischen Umschuldung wurde bisher alles daran gesetzt, dass die Ausfallversicherungen („Credit Default Swaps“, CDS) nicht fällig werden – deshalb sollte der Schuldenschnitt eigentlich vollends „freiwillig“ ablaufen. Wegen der negativen Erfahrungen mit Kreditausfallversicherungen während der letzten großen Finanzkrise 2008 gilt das Thema als heikel. Nachdem CDS-Titel bei der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zu einem kolossalen Dominoeffekt und zur Beinahe-Pleite des großen US-Versicherers AIG geführt hatten, sind ihre Auswirkungen gefürchtet. (dpa/abendblatt.de)