Für den Notenbanker Draghi muss Europa in der Krise noch enger zusammenwachsen. Im Notfall erhalten Banken weitere EZB-Geldspritze.

Frankfurt/Main. Eine tiefere Zusammenarbeit im Euroraum ist für den obersten Währungshüter Mario Draghi die einzig richtige Antwort auf die Krise im Euroraum. „Um die wirtschaftliche Stabilität in der Währungsunion zu erhalten, brauchen wir eine stärkere Basis in der Finanz-, Fiskal- und Strukturpolitik“, sagte Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) , am Freitag in Frankfurt. Auf diesem Fundament könne das Management der Wirtschaft im Euroraum verbessert werden: „Und es sollte die Wirtschafts- und Währungsunion den Herzen der Menschen in Europa näherbringen.“

Die Staatsschuldenkrise habe lange bestehende Ungleichgewichte im Euroraum aufgedeckt, etwa bei Staatsfinanzierung. Als Antwort auf die Krise müsse Europa nun enger zusammenwachsen. Wenn übernationale Institutionen mehr Einfluss erhielten, müssten sie aber auch politisch legitimiert werden.

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Draghi arbeitet aktuell mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José-Manuel Barroso und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker an einer „Vision“ für die künftige Wirtschafts- und Währungsunion. Die Ergebnisse sollen beim EU-Gipfel Ende Juni präsentiert werden.

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Gleichzeitig mahnte Draghi Reformen auf nationaler Ebene an: „Für unsere Volkswirtschaften ist es unabdingbar, das Wachstumspotenzial zu stärken.„ Einige Länder müssten ihre Produkt- und Arbeitsmärkte liberalisieren und bürokratische Hürden für das Unternehmertum beseitigen. Zudem müssten die Haushaltsdefizite reduziert werden - allerdings ohne dabei die Wirtschaft abzuwürgen: „Wenn die Reformen greifen, werden die wirtschaftliche Dynamik und die Arbeitsmärkte erheblich gestärkt.“ Draghi sprach sich dafür aus, nationale Reformen für mehr Wachstum ähnlich wie die Fiskalpolitik auf europäischer Ebene zu überwachen

Lage am Kreditmarkt besser als im Herbst 2011

Die Lage am Kreditmarkt des Euroraums ist nach Einschätzung der EZB trotz der jüngsten Zuspitzung der Schuldenkrise deutlich besser als im vergangenen Herbst. Hierzu habe vor allem die Bereitstellung günstiger Kredite der Zentralbank an die Banken über insgesamt eine Billion Euro beigetragen, sagte EZB-Chef Draghi weiter. Befürchtungen, das zusätzliche Geld könne die Inflation anheizen, hätten sich nicht bewahrheitet. „Die Inflationserwartungen bleiben fest verankert, und es gibt in keinem Euro-Land ein Inflationsrisiko“, sagte Draghi.

Jüngste Umfragen und Indikatoren bestätigten, dass Verspannungen beseitigt worden seien. Allerdings sei die Nachfrage nach Bankkrediten wegen der schwachen Konjunktur im Euroraum sehr gedämpft.

EZB wird Banken weiter mit Liquidität helfen

Zugleich unterstrich der Notenbankpräsident, dass die EZB solventen Banken nach wie vor so viel Liquidität wie benötigt zur Verfügung stellen wird: „ Das Euro-System wird zahlungsfähigen Banken weiter Liquidität bereitstellen, wenn das benötigt wird ." Der Bedarf an Mitteln sei derzeit größer, weil einigen Geldhäusern der Zugang zum freien Markt zumindest zeitweise verschlossen sei. Falls dem nicht begegnet werde, könnten sich systemische Probleme für den gesamten Bankensektor ergeben.

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Damit ging Draghi indirekt auf Marktgerüchte ein, wonach sich die Zentralbanken darauf vorbereiten, nach der Griechenland-Wahl am Sonntag massiv Geld in die Märkte zu pumpen, um das Geldsystem zu stützen.

Trotz vieler Krisenmaßnahmen sei das Hauptziel der EZB nach wie vor die Preisstabilität, sagte Draghi. Derzeit seien allerdings keine signifikanten Inflationsgefahren zu erkennen. Ein Grund: Die Konjunktur des Währungsraums sei nach wie vor schwach, wie zahlreiche schlechte Konjunkturdaten belegten. Die weitere Entwicklung sei mit großen Risiken verbunden, bekräftigte Draghi. (dpa/dapd/abendblatt.de)