Die Stadt Duisburg hatte die Veröffentlichung zunächst verbieten lassen. Doch zu viele Blogs hatten die Dokumente bereits kopiert.
Duisburg. Jetzt doch: Kaum hatte die Stadt Duisburg die Veröffentlichung vertraulicher Loveparade- Unterlagen durch das Newsportal „xtranews.de“ gerichtlich verbieten lassen , musste sie vor der Internet-Gemeinde kapitulieren. Mehrere andere Portale hatten die 43 Schriftsätze mit mehr als 300 DIN-A-4- Seiten im pdf-Format längst kopiert und sie zum Herunterladen bereitgestellt.
Die unkontrollierbare Verbreitung der Dokumente sei faktisch nicht mehr zu unterbinden, sagte ein Stadtsprecher. Die Stadt wolle dagegen keine weiteren juristischen Schritte unternehmen. „Xtranews.de“- Betreiber Thomas Rodenbücher sieht sich bestätigt: „Es ist ein Erfolg von Social Community, von Internet insgesamt, dass man nichts mehr vertuschen kann.“
Die Stadt hatte das vor dem Landgericht Köln erwirkte Verbot mit dem Urheberrecht begründet und personenbezogene Daten genannt, die nicht veröffentlicht werden sollten. Über die sonstige Brisanz der Unterlagen ist damit freilich noch nichts gesagt.
Bei den 43 Schriftsätzen handelt es sich um die Anlagen zu einem 32-seitigen Zwischenbericht der Stadt zu den Zuständigkeiten der Kommune bei der Technoparade – erstellt von einer Düsseldorfer Kanzlei im Auftrag der Stadt. Der Bericht ging unter anderem an den Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags. Die Kommune hatte ihn – ohne Anlagen – auch in ihrem Internetauftritt veröffentlicht. Einzelne Dokumente aus den Anlagen waren auch schon vorher an Medien weitergeleitet und mit entsprechenden Einschätzungen versehen veröffentlicht worden.
Klar wird indes, dass auch dreieinhalb Wochen nach der Katastrophe mit 21 Toten der Unmut über die Informationspolitik von Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nicht nachgelassen hat. Beispiel Medienberater: Als vergangene Woche bekannt wurde, dass der frühere Düsseldorfer „Focus“-Korrespondent Karl-Heinz Steinkühler die Stadt als Medienberater unterstützt, gab es trotzdem keine offizielle Bestätigung durch die Stadt. Die Kanzlei räumte schließlich ein, dass ein Medien- und Politikberater hinzugezogen worden sei. Ein Name wurde nicht genannt. Warum, bleibt unklar.
+++ Chronologie einer tragischen Selbsttäuschung +++
Am vergangenen Wochenende gab Sauerland dann ausgewählte Interviews. Einen sofortigen Rücktritt lehnt Sauerland nach wie vor ab . Auch persönliche Schuld räumt er nicht ein: „Es muss geklärt werden, wer der Verursacher dieses tragischen Ereignisses war. So weit sind wir noch nicht“, sagte er im WDR-Fernsehen. Er beteuerte: „Jeden Morgen, wenn ich wach werde, wünsche ich mir, dass alles das, was wir erlebt haben, nur ein böser Traum ist, aber es ist Realität.“ Dem „Spiegel“ sagte er, dass er bereits mehrere Morddrohungen bekommen habe, unter Personenschutz stehe und seine Familie sicherheitshalber aus der Stadt hat bringen lassen. Am 6. September gibt es eine Sondersitzung des Rates. Für den erwarteten Abwahl- Antrag gibt es jedoch bislang keine Mehrheit.
Während die Polizei mit mehr als 80 Beamten weiter Zeugen vernimmt, Überwachungsvideos auswertet und Akten sichtet, bleibt der Unglückstunnel in Duisburg weiterhin gesperrt. Tausende von Kerzen stehen an der Karl-Lehr-Straße. Zwischen Bären, Engeln und Bildern liegen Fotos und Zeitungsausschnitte. Tagsüber ist immer ein Dutzend Menschen da, die schauen, innehalten, trauern. Sechs Wochen nach der Katastrophe, am 4. September, soll der Tunnel wieder für den Verkehr freigegeben werden. An diesem Tag werden die Trauergaben in einen Glascontainer gelegt, der dann auf der Rampe, dem unheilvollen einzigen Zugang zum Loveparade-Gelände, aufgestellt wird. Eine Gedenktafel ist geplant. Wo es dereinst eine Gedenkstätte geben wird, ist derweil noch unklar. Mehrere hundert Menschen wollen sich am Donnerstag bei einer Kundgebung vor dem Duisburger Rathaus dafür einsetzen, dass sie auf jener Rampe errichtet wird.