Der DJ Dr. Motte (eigentlich Matthias Roeingh), 50, hatte die Loveparade 1989 gegründet.
Hamburger Abendblatt:
1. Dr. Motte, Sie haben die Loveparade erfunden, als DJ im Sommer 1989 den ersten Umzug in Berlin als Demonstration angemeldet. Es muss Sie schmerzen, zu sehen, dass diese an sich friedliche und friedliebende Veranstaltung nun 19 Menschen das Leben gekostet hat.
Dr. Motte (bürgerlich Matthias Roeingh):
Natürlich. Das ist eine unglaubliche Katastrophe. Ich empfinde tiefe Trauer, bin in Gedanken bei den Opfern. Aber ich empfinde auch Wut darüber, dass durch Schlamperei und offensichtliche Selbstüberschätzung eine solche Gefahr heraufbeschworen wurde.
2. Wen sehen Sie in der Verantwortung, und welche Konsequenzen fordern Sie?
Ganz allein den heutigen Veranstalter, der aus der Loveparade eine Dauerwerbesendung gemacht hat. Und die Beteiligten von Stadt und Behörden, die offenbar nicht nachgedacht haben. Ein enger Tunnel als Zuwegung zu einer Party mit mehr als einer Million Besuchern! Grauenhaft. Hier wurde im Vorwege der Tod von Menschen in Kauf genommen. Ich habe gehört, dass man mit den Planungen der Loveparade unter anderem einen Stauforscher beauftragt hat. Aber Menschen sind doch keine Autos! Ich hoffe, die Schuldigen werden zur Rechenschaft gezogen, zumal es ja im Vorfeld mehrere warnende Stimmen gegeben hat, die vor der Gefahr einer Massenpanik gewarnt haben.
3. Sie sind bereits 2005 aus der Organisation ausgestiegen. Was waren damals Ihre Gründe ?
Der jetzige Veranstalter, Betreiber einer Fitnesskette, hat den Geist der Loveparade pervertiert. Er sieht die Veranstaltung, die als Friedensdemonstration und Fest der Musik gestartet war, als Steuerabschreibungsobjekt und als Vehikel, Kunden für seine Studios zu bekommen. Damit kann ich mich schon seit Langem nicht mehr identifizieren. Der Spirit der Veranstaltung ist in Berlin geblieben. Mit dem Wegzug aus Berlin war die Loveparade im eigentlichen Sinne bereits tot.
4. Also begrüßen Sie das nun endgültige Aus für die bekannteste Techno-Party der Welt?
Unbedingt. Für die Loveparade kann es kein Weitermachen geben. Und nach dem, was passiert ist, ganz gewiss auch keinen Neubeginn.
5. Wie empfinden Sie die Aussagen der Beteiligten, die am Tag nach dem Unglück darauf verweisen, dass das Sicherheitskonzept stichhaltig gewesen sei und die Zwischenfälle wohl aufgrund individueller Schwächen geschehen seien?
Diese Aussagen sind absolut zynisch und eine Frechheit gegenüber den Opfern, ihren Angehörigen und den Verletzten. Ein solches Geschwafel nach einer so furchtbaren Fehlplanung ist unerträglich. Ich hoffe, dass die Personen, die dafür verantwortlich sind, gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden und Buße tun. Nach einer solchen Katastrophe kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und so tun, als hätte man mit der Sache nichts zu tun.