McFit-Chef Rainer Schaller hat bei der Duisburger Loveparade alles auf eine Karte gesetzt. Jetzt muss er seiner Firma helfen.
Im Nachhinein klingt der Satz regelrecht zynisch. „Mach Dich fit für die Loveparade“ – mit diesem Slogan warben die Klitschko-Brüder im Vorfeld für das Techno-Spektakel. Das ganze Ruhrgebiet war zugepflastert mit den blau-gelben Plakaten in den Firmenfarben der Fitnesskette McFit . Deren Chef, Rainer Schaller, hatte die Veranstaltung nach Duisburg gebracht.
Nach der Katastrophe, bei der 21 Technofans starben und Hunderte verletzt wurden, ließ McFit die Plakate in Duisburg schnell überkleben: „Wir trauern“ steht dort jetzt in schwarz auf weißem Grund. Die Werbeflächen wurden zu öffentlichen Kondolenzbüchern. Viele Menschen schrieben Abschiedsworte darauf („21 Tote – Ruhet in Frieden. Wir sehen uns“), andere drückten ihre Trauer aus („wir wollten doch nur feiern“), oder ihre Wut („Sauerland raus“).
Eigentlich sollte die Loveparade eine riesige Werbeplattform für McFit-Chef Rainer Schaller und seine Billig-Fitnesskette werden. Doch durch die Tragödie im Tunnel wurde aus dem Werbecoup ein PR-Desaster. Der Ruf Schallers und seiner Firma McFit ist vorerst ruiniert.
McFit wird unter der Katastrophe leiden – wie sehr, das ist noch nicht klar. Manche Konkurrenten sorgen sich gar, dass die Katastrophe Rückwirkungen auf ihre eigenen Unternehmen haben könnte. „Wir glauben, dass die Tragödie von Duisburg negative Auswirkungen für McFit, aber eventuell auch für andere in der Fitnessbranche haben wird“, sagt Wolfgang Klauke, Pressesprecher von Fitness First, hinter McFit zweitgrößte Kette nach Mitgliederzahlen.
Der Imageschaden für McFit ist bereits eingetreten. Das belegen sogar schon harte Zahlen: Im Markenmonitor des Kölner Forschungsinstituts YouGovPsychonomics sei McFit „regelrecht abgestürzt“, sagt Projektmanager Adrian Bach. Das Unternehmen befragt in einer repräsentativen Umfrage täglich 1000 Bürger nach ihrer Wahrnehmung von Unternehmen; die Skala reicht dabei von plus bis minus Hundert. Am Tag vor der Loveparade, dem 23. Juli, lag McFit noch bei einem Wert von plus neun Punkten. Am 2. August war die Fitnesskette auf desaströse minus 56 Punkte abgerutscht. In einem zweiten, noch breiter gefassten Index, der unter anderem aus dem allgemeinen Eindruck, der Kundenzufriedenheit oder dem Arbeitgeberimage errechnet wird, stürzte McFit von minus 26 auf minus 46 ab.
Vergleichbar ist der Abstieg der Fitnesskette mit dem des Ölkonzerns BP, der noch lange mit den Auswirkungen der Katastrophe am Golf von Mexiko kämpfen wird. „Mögliche Schlussfolgerungen auf Umsatzeinbrüche kann man daraus aber nicht ziehen“, warnt Bach.
Studien zeigen, dass solche PR-Desaster einem Unternehmen noch Jahre danach anhängen. Bach rät Unternehmen daher, aktiv Krisenkommunikation zu betreiben, um die Öffentlichkeit positiver zu stimmen. Ein gutes Beispiel gab der Discounter Lidl nach seinem Mitarbeiterskandal 2008 ab. Weniger erfolgreich war dagegen Nokia bei der Kommunikation seiner Verlagerung des Bochum-Standortes nach Rumänien. Damals hatte der Konzern vor allem durch Schweigen geglänzt. So wie jetzt McFit.
Die Kette will sich zu „Detailfragen“, ob etwa die Vorfälle in Duisburg bislang negative Auswirkungen aufs Geschäft hatten, nicht äußern. Pressesprecher Björn Köllen sei krank, sagt eine Kollegin. So bleibt es der Branche überlassen, die Geschehnisse zu interpretieren. In Duisburg könnte es McFit künftig schwer haben, heißt es. Das dürfte die Kette aber verkraften. Schlimmer wäre es, wenn Kunden eine verhängnisvolle Verbindung von der Loveparade zu McFit ziehen würden, sagt einer in der Branche: Wenn die Fitnesskette möglicherweise bei der Sicherheit auf der Loveparade gespart hat, spart das Unternehmen dann auch bei den eigenen Studios?
Hans Münch, der für den International Health, Racquet & Sportsclub Association (IHRSA) Europa betreut, hält das aber für völlig abwegig. „Die Gerätelieferanten von McFit sind klasse, das ist deutsche Qualitätsware.“ Paul Underberg, selbst Inhaber von drei Studios und Berater für Fitnessstudios, sagt: „Wenn diese Assoziation entstünde, könnte es sein, dass dies negativ auf den gesamten Discountmarkt abfärbt.“
Dass McFit aber scharenweise die Kunden wegrennen, halten selbst Kritiker der Billigkette für unwahrscheinlich. Das zeigt auch ein Besuch im Studio an der Prenzlauer Allee in Berlin: Zwar sind an diesem Mittag wenige Kunden an den Geräten, aber das liegt eher an der Ferienzeit. Fragen zu Schaller und seinem Unternehmen sind im Gebäude allerdings nicht erwünscht. Mit nervöser und zugleich aggressiver Stimme verweigert die Mitarbeiterin am Empfang jede Antwort. Die Kunden, die aus dem Studio kommen, machen sich aber schon ihre Gedanken. „Auf den Fernsehbildschirm war nach meiner Wahrnehmung nichts von den Nachrichten über die Loveparade zu sehen“, erinnert sich ein Sportler.
Ein anderer Kunde hatte zunächst über eine Kündigung seines Vertrages nachgedacht, es dann aber gelassen. Auch zwei 20-jährige Berlinerinnen haben von der Kündigung Abstand genommen: „Wir müssten ja dann auch 100 Euro sofort zahlen, um aus dem Vertrag auszusteigen. Damit würden wir Herrn Schaller ja auch das Geld zuschieben“, sagen sie. Haben die Feierabendsportler moralische Bedenken dabei, in Schallers Studio zu trainieren? Ein junger Mann fasst den Standpunkt vieler prägnant zusammen: „Ich glaube, den meisten ist das völlig egal, dass es das Studio des Loveparade-Veranstalters ist. Die wollen nur zum günstigsten Preis trainieren.“
Auch in der Branche wird das so gesehen. Olaf Tomscheit, Geschäftsführer der Fitnessmesse Fibo, sagt: „Neben dieser menschlichen Katastrophe sind sicherlich auch große Imageschäden für die Veranstalter entstanden. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Ereignisse in Duisburg Auswirkungen auf die Fitnessbranche an sich haben werden.“ Klauke von Fitness First schätzt das anders ein: „Es könnte ein Imageschaden entstehen, der es eventuell für alle schwieriger macht, Partner und Investoren zu gewinnen. In Gesprächen mit unseren Partnern haben wir bereits gemerkt, dass sie uns auf eventuelle Imageschäden ansprechen.“
In den vergangenen Jahren hatte die Branche einen Imagewandel eingeläutet. Statt muffeliger Muckibuden wollen sie sich als Gesundheitsdienstleister etablieren. Dieser Wandel ist noch in vollem Gange, sagt Klauke. Die beiden Branchenverbände, der Deutsche Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) und der Verband deutscher Fitnessunternehmen, wollen gar keine Stellungnahme abgeben. Die Ereignisse in Duisburg hätten mit der Fitnessbranche nichts zu tun, heiß es. „Dass sich keiner der Verbände äußern will, finden wir enttäuschend“, sagt Klauke.
McFit könnte es künftig schwerer haben, lukrative Werbepartner wie Oliver Pocher, der die Loverparade moderierte, oder die Klitschko-Brüder an Land zu ziehen. Für Schaller ist die Loveparade auch deshalb ein Problem.
Bislang war es in der Karriere des Unternehmers immer nur bergauf gegangen. 1997 stellte er ein paar gebrauchte Fitnessgeräte in der elterlichen Dachwohnung in Würzburg auf. In nur 14 Jahren formte er daraus die mit Abstand größte Fitnesskette Deutschlands, die gerade ins Ausland expandiert. McFit ist der Superstar der Branche, und Schaller ihr bekanntester Kopf, den die Aura des Selfmade-Millionärs umweht. Es gibt spektakuläre Geschichten über ihn. Einmal sei er im pakistanisch-iranischen Grenzgebiet mit dem Auto selbst den Taliban entkommen, die sich an seine Fersen geheftet hatten, erzählte der 41-Jährige stolz.
Ein Grundstein für den Erfolg war ausgerechnet Schallers gutes Händchen für PR-Kampagnen. Für eine Million Euro ersteigerte er sich ein Fußballspiel gegen Bayern München, die Fernsehspots mit den Klitschko-Brüdern sollen Branchengerüchten zufolge 2,5 Millionen Euro gekostet haben. Viel Geld für ein Unternehmen, das laut Bundesanzeiger 2008 etwas mehr als zehn Millionen Euro Jahresüberschuss erwirtschaftete. Dennoch lohnte sich der Einsatz: McFit stieg zur bekanntesten Fitnessmarke auf.
Die Loveparade passte perfekt in dieses Marketing-Konzept. Sie steht für junge, bewegungsfreudige, gut aussehende Menschen. Und genau die will die Kette McFit in ihre rund 120 Studios locken. Hunderttausende Technobegeisterte vor Ort, überall prangt der Schriftzug „McFit“, selbst in der Internet-Übertragung war das Logo ständig auf dem Bildschirm zu sehen – der Traum eines jeden PR-Manns.
Das dachte sich auch Schaller. Die Loveparade ins Ruhrgebiet zu holen war ein „Himmelfahrtskommando“, sagte der schillernde Manager einst selbst. Denn ohne seinen Einstieg wäre die Techno-Party faktisch pleite gewesen. Trotz Sponsoren hatte man in Berlin, dem jahrelangen früheren Austragungsort, fast nie einen müden Euro verdient. Müllentsorgung und Abgaben waren schlicht zu teuer, dazu soll allein die Sicherheit 850.000 Euro gekostet haben. Doch der kantige, auf dem Kopf kahlrasierte Schaller ist zu „100 Prozent risikobereit“, sagte er über sich selbst.
Mit der Loveparade wollte Schaller nach eigener Aussage „wieder was Verrücktes“ machen. 2007 schloss er daher einen Rahmenvertrag mit fünf Ruhrbiets-Kommunen ab, die Techno-Parade sollte reihum im Pott stattfinden. Der Fitnessmann wurde zum Veranstalter, er und seine Firma sollen in die Paraden in Dortmund, Essen und Duisburg viel Geld investiert haben – die Rede ist von drei Millionen Euro pro Jahr. An Einnahmen gab es nur ein paar Hunderttausend Euro.
Aber um Gewinn ging es Schaller bei der Loveparade nie. Seine Marke McFit sollte noch bekannter werden. Das hat Schaller geschafft, wenn auch auf tragische Weise.
Die Tragödie würde wohl weniger auf ihm und seiner Firma lasten, wäre er nur als Sponsor und nicht als Veranstalter aufgetreten. Ein Branchenkenner kritisiert den Unternehmer: „Nur weil man erfolgreich eine Fitnesskette leitet, heißt das noch lange nicht, dass man auch so ein Großprojekt organisieren kann.“