Während ihrer Trauerrede in der Duisburger Salvatorkirche kämpfte NRW-Ministerpräsidentin Kraft immer wieder mit den Tränen.
Duisburg. In der Duisburger Salvatorkirche hat der Gedenkgottesdienst für die Opfer der Loveparade begonnen. An der zentralen Gedenkfeier nehmen neben den Angehörigen der Opfer auch Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft teil. Der ökumenische Gottesdienst wird auch in weiteren Kirchen der Stadt übertragen. Zu Beginn der Trauerfeier wurden eine Kerze und ein Kondolenzbuch vom Unglücksort zum Altar gebracht.
Die Öffentlichkeit kann den ökumenischen Gottesdienst auch im Stadion des MSV Duisburg verfolgen. Jedoch herrschte zunächst geringer Andrang an den Übertragungsorten. Im MSV-Stadion waren eine Viertelstunde vor dem Beginn der Gedenkfeier nur rund 1000 Besucher eingetroffen.
Während des Gottesdienstes in der Salvatorkirche sprachen Kirchenvertreter den Hinterbliebenen Trost zu. „Die Loveparade wurde zum Totentanz“, sagte der rheinische Präses Nikolaus Schneider. Stärker als der Tod sei jedoch die Liebe von Menschen zueinander, betonte der evangelische Geistliche vor den Angehörigen der Opfer, Verletzten und Rettungskräften der Massenpanik vor einer Woche.
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sprach von einem Leid, das lange währen wird. „So gegensätzlich ist unser Leben: In dem einen Moment ist Party angesagt und im anderen Moment liegen wir hilflos am Boden“, fuhr er fort. „Es bleibt schwer, mit dem zu leben, was geschehen ist. Und doch bleibt etwas und geht weiter, was auch der Name der „Loveparade“ zum Ausdruck bringt: Love heißt Liebe.“ Die Liebe sei stärker als der Tod und helfe durch die Schrecken dieser Tage.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat eine lückenlose Aufklärung der Loveparade-Katastrophe von Duisburg zugesichert. Die Fragen nach Schuld und Verantwortung „müssen und werden eine Antwort finden“, sagte die sichtlich bewegte Regierungschefin in der Duisburger Salvatorkirche. Kraft sprach im Anschluss an den ökumenischen Trauergottesdienst für die 21 Todesopfer.
Nach dem Gedenkgottesdienst wird ein Trauermarsch stattfinden. Nach Angaben der Polizei sind dafür 20.000 Teilnehmer angemeldet. Auch Botschafter und ausländische Regierungsvertreter werden erwartet.
Vor genau einer Woche führte eine Massenpanik am Eingang zum Gelände der Loveparade auf einem alten Güterbahnhof zum tragischen Unglück. Es gab nicht nur 21 Tote, sondern auch mehr als 570 Verletzte. Noch heute liegen 25 Jugendliche in den Kliniken im Stadtgebiet. Laut Aussagen der behandelnden Ärzte befindet sich aber kein Verletzter mehr in Lebensgefahr. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, forderte am Freitag noch einmal eindringlich eine lückenlose Aufklärung der Katastrophe. Das Drama von Duisburg gilt jetzt schon als das größte Unglück bei einer öffentlichen Veranstaltung in Deutschland.
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Die Kölner Polizei hat inzwischen mit einer 63 Beamte umfassenden Sonderkommission die Ermittlungen über die Hintergründe und vermutliche Verantwortliche begonnen. Sie wurde statt der Duisburger Polizei damit beauftragt, weil sie als unbefangen in dem Fall gilt. Nach einem ersten Untersuchungsbericht der NRW-Landesregierung hat der Veranstalter der Loveparade zahlreiche Sicherheitsauflagen nicht eingehalten und nicht für ausreichend Ordner-Kräfte an neuralgischen Punkten gesorgt. Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) sprach in einer ersten Analyse davon, dass das gesamte Ordnersystem des Veranstalters unter dem Ansturm der Menschen zusammenbrach. Vorwürfe muss sich jedoch auch die Stadt Duisburg machen lassen. Zahlreiche Warnungen und Hinweise auf Sicherheitsrisiken sollen ignoriert worden sein.
Insbesondere Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) soll Widerstände in der eigenen Verwaltung übergangen haben. Daher fordern seit Montag immer mehr auch seiner eigenen Parteifreunde den Rücktritt. Selbst aus dem Bundeskanzleramt war zu hören, dass Kanzlerin Angela Merkel vor ihrem Besuch in Duisburg das Thema "vom Tisch haben will". Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), legte Sauerland nun den Rücktritt nahe. Sauerland trage die politische Verantwortung und "hafte" damit auch politisch für mögliche Fehler seiner Mitarbeiter, sagte Bosbach. "Ob ich eine Verfügung unterschrieben habe oder nicht, ist völlig zweitrangig", fügte er hinzu.
Sauerland selbst hält weiterhin an seinem Amt fest. Spekulationen über seinen Rücktritt kommentierte er salopp: "Das können Sie in die Tonne kloppen." Möglicherweise spielen auch finanzielle Aspekte eines Rücktritts eine Rolle, weil er Pensionsansprüche verlieren würde und ein beruflicher Neuanfang schwer vorstellbar ist. Der Schaden für die Partei hingegen wird durch Sauerlands Weigerung immer größer, zumal er sich nicht aktiv an der Aufklärung der Katastrophe beteiligt.
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Unterstützung erhielt Sauerland vom Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings (CDU), aus dem Wahlkreis Mönchengladbach. Der Oberbürgermeister dürfe nicht zum Sündenbock der Loveparade-Katastrophe gemacht werden. "Ich wundere mich schon, dass sich diese Diskussion so sehr auf eine einzelne Person konzentriert, obwohl doch klar ist, dass gerade so ein Großereignis im Vorfeld von einer Vielzahl von Personen, vor allem von einer Vielzahl von Behörden beurteilt wird", sagte Krings. "Da machen es sich manche zu einfach. Man hat hier schon das Gefühl, dass ein Sündenbock gesucht wird." Der Chef des Kulturhauptstadt-Projekts "Ruhr.2010", Fritz Pleitgen, betonte, dass die Spitze der CDU Sauerland dringend helfen müsse. "Der Oberbürgermeister Sauerland ist ein sehr beliebter Oberbürgermeister gewesen, aber offensichtlich jetzt nicht der Situation gewachsen", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin".
Derweil erhöhen nun die Oppositionsparteien im Duisburger Rathaus den Druck auf Sauerland. Die Ratsfraktion der Linken hat die Abwahl des Oberbürgermeisters für die nächste Ratssitzung im Oktober beantragt. SPD und FDP wollen das Vorhaben unterstützen.
Aus dem Umfeld von Sauerland war zu hören, dass sich der frühere Berufsschullehrer der Abwahl stellen wolle. Dies deutete darauf hin, dass er auf eine attraktivere Pensionsregelung abzielt. Wenn Sauerland sein Amt von sich aus aufgibt, bekäme er nach Informationen der "Rheinischen Post" im für ihn ungünstigsten Fall nur eine vergleichsweise niedrige gesetzliche Rente.