Zulassungsstellen im Land bekommen vom Ministerium die Anweisung, den Stempelaufdruck “Verschrottet“ in den Kfz-Brief zu setzen.
Kreis Segeberg. Die Abwrackprämie beflügelt Autohändler und Kunden. Aber sie bewegt auch die Behörden - und offenbar auch Betrüger. Die Verkehrsaufsicht des Kreises Segeberg hält es nicht für ausgeschlossen, dass die beschlossenen Richtlinien dubiosen Geschäftemachern Tür und Tor öffnet. Norderstedts Autoverwerter Kiesow wappnet sich gegen Vorwürfe und hat eigene Methoden entwickelt, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen.
Das Geschäft mit der Abwrackprämie läuft ausgesprochen gut an, hat Bernd Gaden, Leiter der Kfz-Zulassungsstelle beim Kreis Segeberg festgestellt. In der Mehrheit sind es die Autohäuser, die für Kunden die mindestens neun Jahre alten Autos abmelden, hat der Mitarbeiter der Segeberger Kreisverwaltung festgestellt. Der Autohändler bringt den alten Wagen zum Verwerter, der dann eine Entsorgungsbescheinigung ausstellt. Um den Wagen abzumelden, legt der Händler die Bescheinigung anschließend zusammen mit Kfz-Schein und -Brief sowie den Kfz-Kennzeichen in der Zulassungsstelle vor. Dort wird das Zeichen entstempelt, und es kommt ein Stempel in den Fahrzeugschein. Das ist der Nachweis, dass das Auto außer Betrieb gesetzt worden ist. Danach gibt es den Fahrzeugschein und den Brief zurück.
Menschen mit krimineller Energie könnten auf die Idee kommen, die zu verschrottenden Fahrzeuge weiter zu verkaufen - zum Beispiel nach Osteuropa oder Afrika. Es gibt genügend Autohändler, die Geschäftsbeziehungen in derartige Länder pflegen. Bernd Gaden weiß, wie dieser Missbrauch umgangen werden könnte: Durch eine Entwertung oder Vernichtung des Kfz-Briefes. "Dafür gibt es aber keine offizielle Rechtsgrundlage." Von zertifizierten Verwertungsbetrieben geht seiner Ansicht nach keine Gefahr in dieser Hinsicht aus.
Ein solcher Betrieb ist der Norderstedter Autoverwerter Kiesow. Die Geschäftsführer Ole Helbach und Tim Kiesow wappnen sich auf ihre Weise gegen mögliche Verdächtigungen: Sie nehmen die Kfz-Briefe gar nicht erst an. "Die Autohändler oder die privaten Kunden bekommen die Briefe in der Regel wieder mit", sagt Ole Helbach. "Die wollen wir gar nicht haben." Das 68 000 Quadratmeter große Gelände am Norderstedter Umspannwerk ist die vorletzte Station im Leben eines Autos, bevor es in Lübeck oder anderswo in die vernichtende Schrottpresse gelangt. Vorher werden hier alle nutzbaren Ersatzteile ausgebaut und weiterverkauft. Seitdem es die Abwrackprämie gibt, stehen die Kunden Schlange: An normalen Tagen werden durchschnittlich 15 alte Autos angeliefert, derzeit sind es ungefähr 70. Das kostet die Kiesows zunächst bares Geld: Für jedes einigermaßen erhaltene Fahrzeug gibt es noch eine Prämie - zwischen 50 und 300 Euro, unabhängig von der Abwrackprämie. "Da müssen wir schon mal 6000 bis 7000 Euro pro Tag hinblättern", sagt Ole Helbach.
Das Geschäft wird mit dem Ausschlachten der verwertbaren Fahrzeuge gemacht: Kunden kaufen ausgebaute Ersatzteile. Abschließend kassiert Kiesow noch Geld für den Schrott. Das sind etwa 30 Euro pro Tonne. Vor einem Jahr lag der Schrottpreis allerdings noch bei 200 Euro pro Tonne. Die Abwrackprämie könnte sich für den Norderstedter Autoverwerter allerdings als Bumerang erweisen. Ole Helbach: "Die Nachfrage nach Ersatzteilen wird nachlassen, weil etwa ein Drittel der alten Autos vom Markt verschwindet."
An das Verschieben alter Autos ins Ausland denken Helbach und Kiesow nicht einmal im Traum.
Während das Bundeswirtschaftsministerium schon vor Tagen ankündigte, die Regeln für die Abwrackprämie zu verschärfen, handelt das schleswig-holsteinische Verkehrsministerium: In den nächsten Tagen bekommen alle Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein die Anweisung, den Stempelaufdruck "Verschrottet" in den Kfz-Brief zu setzen, kündigte das Ministerium gestern auf Nachfrage an. "Das ist ein erster Weg, um das Problem der Kriminalität in Grenzen zu halten", sagt Ministeriumssprecher Harald Haase.
Die Deutsche Umwelthilfe ist mit der gesamten Regelung überhaupt nicht zufrieden: Die Prämie entpuppe sich zunehmend als "Förderprogramm für die organisierte Kriminalität", heißt es in einer Pressemitteilung.