Reicht das Geld, oder reicht es nicht? Die 1,5 Milliarden Euro, die für die Verschrottung von Altautos und den Kauf von Neuwagen bereitgestellt werden, könnten bald aufgebraucht sein. Deshalb legt die Große Koalition Geld obendrauf. Was Experten sagen und wie die Prämie in anderen Ländern wirkt, lesen Sie auf abendblatt.de

Berlin. Die in der Bundesregierung vereinbarte Verlängerung der Abwrackprämie hat gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen. Roland Döhrn, Konjunkturforscher am Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) Essen, sagte abendblatt.de: "Wir halten die Abwrackprämie insgesamt für keine sehr glückliche Maßnahme."

Der Grund: "Der Staat subventioniert sehr einseitig eine einzige Konsumverwendung. Leidtragende sind möglicherweise die Tourismusindustrie oder die Möbelhersteller. Einen positiven Nettoeffekt für die Konjunktur hätte die Prämie nur, wenn durch sie die Verbraucher Ersparnisse verwendeten, die ansonsten eisern auf dem Konto geklebt hätten."

Ein weiteres Argument des Wirtschaftswissenschaftlers: "Die Subventionierung bringt sehr nachhaltig Märkte in Unordnung. Es fällt eine ganze Generation von Gebrauchtwagen aus. Der Student, der in zwei Jahren einen gebrauchten Ford Fiesta kaufen will, der wird nur zu einem horrenden Preis einen finden."

Nach Einschätzung von Döhrn gibt es in erheblichem Maße Vorzieheffekte: "Wenn die Maßnahme ausläuft, bleiben die Geschäfte leer. Wir befürchten, dass nach dem 1. Januar die Nachfrage einbricht und die Automobilindustrie und der Handel deshalb Folgesubventionen fordern."

Beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe in Bonn ist man sich über den zu erwartenden Nachfrageeinbruch im Klaren. Sprecher Helmut Blümer zu abendblatt.de: "Wir wissen noch nicht, wie tief das Loch ist, in das wir fallen werden. Wir verkaufen in diesem Jahr 240 000 Fahrzeuge mehr, die wir sonst erst im nächsten Jahr verkauft hätten."

Immerhin rechne man aber insgesamt mit 300 000 "neuen Kunden", die ohne Abwrackprämie nicht daran denken würden, sich einen Neuwagen anzuschaffen.

Was mögliche Forderungen nach Folgesubventionen anbelangt, winkt Blümer ab: "Die wird niemand verlangen. Wir setzen jetzt Speck an für die mageren Zeiten, die spätestens am 1. Januar 2010 anbrechen."

Ob die Ausweitung der Abwrackprämie überhaupt zum Tragen kommt, beurteilt Willi Diez skeptisch. Der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Nürtingen-Geislingen sagte: "Noch ist der Rahmen der ersten Abwrackprämie nicht ausgeschöpft. In Frankreich und Italien lagen die Nutzungsquoten der Abwrackprämien, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat, jeweils zwischen 1,5 und 2 Prozent."

Diez macht folgende Rechnung auf: In Deutschland gibt es 16 Millionen Fahrzeuge, die neun Jahre oder älter sind, die wertvollen Oldtimer nicht mitgerechnet. "Bei uns entsprächen zwei Prozent also 320 000 Autos. Mit den Anträgen zur Abwrackprämien liegen wir heute schon drüber. Wobei man sagen muss, dass die Prämie in Italien nur bei 1000 Euro lag."

Im Augenblick, so der Experte, sei der Run größer, weil man denke: "Vielleicht reicht’s nicht." Aber es könne sein, dass sich dieser Ansturm im Laufe des Jahres deutlich verlangsame: "Diejenigen, die sich sowieso ein neues Auto kaufen wollten, haben schon zugegriffen. Dann gibt es noch jene, die sagen, okay, das mache ich jetzt. Aber es gibt natürlich auch noch viele, die sagen: Tut mir leid, das kann ich mir trotz der Abwrackprämie nicht leisten."

Diez geht deshalb davon aus, dass sich die Antragskurve allmählich flacher werden wird. "Vielleicht hätten die 1,5 Milliarden Euro gereicht."

1,5 Milliarden Euro waren bisher im Topf für die Abwrackprämie. Die Bundesregierung hat zwar beschlossen, die Summe aufzustocken. Ungeklärt ist, um wie viel die Summe aufgestockt werden soll beziehungsweise ob jeder, der bis Ende des Jahres die Abwrackprämie beantragt, sie ausgezahlt bekommt.

Für die Finanzierung wäre sowohl eine Umschichtung innerhalb des zweiten Konjunkturpaketes als auch die Aufnahme neuer Schulden denkbar, hieß es im Finanzministerium.