Derzeit landen doppelt so viele Altautos wie sonst in der Presse. Vorher wird ausgeschlachtet.
Langsam senkt sich der tonnenschwere Stahlarm der Schrottpresse auf einen ausgedienten Ford Fiesta, zerdrückt zunächst sein Heck. Dann übernimmt ein zweiter Arm den vorderen Teil des Wracks - krachend und mit splitternden Glasscheiben verwandelt sich das in die Jahre gekommene deutsche Qualitätsprodukt in Sekunden in einen kompakten Haufen Schrott. Die Presse auf dem Werksgelände von Hamburgs größtem Autoverwerter, der Firma Lensch in Stellingen, hat Hochsaison. "Durch die Abwrackprämie verarbeiten wir derzeit deutlich mehr Altfahrzeuge, Tendenz steigend." Statt 100 bis 150 Autos im Monat macht die Presse nun über 350 Autos platt.
Die zertifizierten Autoverwerter - in Hamburg gibt es 18 Betriebe - stehen am Anfang eines Recyclingprozesses, durch den mindestens 85 Prozent des Gewichts eines Altfahrzeugs verwertet werden soll, so schreibt es das Gesetz vor. Doch vor der Verwertung steht die Bürokratie. Von ihrem Autoverkäufer geschickt, liefern die Kunden ihren alten Wagen bei den Demontagebetrieben ab, die zunächst ein Formular ausfüllen: den Verwertungsnachweis. Mit einem zweiten Formular beantragt der Kunde die "Gewährung einer Umweltprämie" beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Es verlangt neben dem Verwertungsnachweis Kopien der Fahrzeugscheine und -briefe des alten und des neuen Autos sowie den Kauf- oder Leasingvertrag über den Neuwagen.
Auf dem Betriebsgelände von Lensch wird der ausgemusterte Wagen darauf gecheckt, ob sich aus ihm noch Ersatzteile gewinnen lassen. "Wenn wir einen Fiesta Baujahr 1994 bekommen, ist das 100 Prozent Schrott. Solche Autos haben wir sehr häufig, gleichzeitig will niemand die Ersatzteile, sodass sich ein Ausbau nicht lohnt", sagt Lensch.
Das Auto wird mit dem Buchstaben R gekennzeichnet, andere tragen ein M (Motor ausbauen) oder ein G (Getriebe ausbauen). Bei einzelnen Fahrzeugen legt ein Mitarbeiter des Ersatzteillagers eine Bedarfsliste auf den Fahrersitz, wenn im Lager entsprechende Einzelteile dieses Modells fehlen. Lensch: "Am häufigsten demontieren wir Anlasser, Lichtmaschinen, Scheinwerfer, Außenspiegel, Reifen, Motorhauben, Heckklappen."
In der Demontagehalle entfernt der Mechaniker die Batterie. Dann rettet er brauchbare Teile, nimmt den Katalysator heraus, entsorgt die Airbags. "Wir sammeln sie und zünden sie auf unserem Werksgelände", sagt Lensch. Wenige Minuten später erfüllt ein Knall die Halle. Der Chef erklärt kühl: "Das war ein Airbag, der sich nicht mehr ausbauen ließ, der wird im Auto ausgelöst."
Sind alle brauchbaren Teile ausgebaut, wird der Wagen trocken gelegt. Auf einer Hebebühne werden alle Betriebsflüssigkeiten abgesaugt: Kraftstoff, Öle, Brems-, Kühlflüssigkeiten, "sogar das Scheibenwaschwasser müssen wir separat entsorgen", so Lensch. Nun entscheidet sich, ob dem Motor oder Getriebe ein zweites Leben beschert ist oder ob sie mit dem Autorest in der Schrottpresse landen.
Die Presse leistet ganze Arbeit. Zwar nimmt das Wrack nach der Behandlung noch fast dieselbe Grundfläche ein, doch erreichen vier aufeinandergestapelte Presslinge nur die Höhe eines Ausgangsmodells. Die Päckchen treten dann ihren letzten Weg an, zu einer Schredderanlage in Lübeck oder Rostock - wohin genau, "richtet sich nach den Preisen".
Im Schredder wird das Metallpäckchen weiter komprimiert und in eine Riesentrommel gegeben. Die rotierenden Hämmer reißen die Wrackteile an einer ambossartigen Abschlagkante in zwei bis sechs Zentimeter große Stücke. Flugfähige Teile wie Staub und Polsterreste werden abgesaugt, die Blechschnipsel auf einem Laufband zum Magnetabscheider gebracht. Er gewinnt das Eisenmetall und damit den Rohstoff für Stahlwerke. "Aus dem eingesetzten Material gewinnen wir zu etwa 75 Prozent Stahl, der Rest sind Rückstände", sagt Christian Scheil, Hamburger Niederlassungsleiter des Schredderbetreibers TSR.
Um den Rückständen möglichst viel Wertstoffe abzutrotzen, werden Glasreste sowie Kupfer und Aluminium aussortiert. Übrig bleiben vor allem Kunststoffe. Sie sind aufgrund ihres Alters und der Qualität stofflich nicht verwertbar - einziger Ausweg: die Verbrennung. Rein mengenmäßig seien die jährlich anfallenden 400 000 bis 500 000 Tonnen "Schredderleichtfraktion" problemlos über Hausmüllverbrennungsanlagen zu verwerten, schreibt die Fachzeitschrift "Recycling-Magazin" (Heft 02/2009). Allerdings täten sich manche Bundesländer schwer damit, die Rückstände als ungefährlich zu deklarieren, so müssen sie in einigen Regionen Bayerns und Baden-Württembergs als Sondermüll verbrannt werden.
"Die Kunststoffreste nehmen zu", sagt Dieter Lensch. Gesetzlich ist das Ziel, die Verwertungsquote durch Recycling von Altkunststoffen weiter zu steigern. Aber dazu müssten die Kunststoffe sortenrein sein. Lensch: "Eine Original-Stoßstange von VW trägt eine Nummer, die die Kunststoffart angibt. Wenn Sie ein Nachbau-Ersatzteil kaufen, ist dies nicht gekennzeichnet."
Geht's dagegen ums Ganze, hat Lensch keine Probleme mit der Sortierung. Als ein weißer Kleinwagen in knapp 100 Meter Entfernung auf sein Betriebsgelände fährt, taxiert er sofort: "Fiat Uno, Baujahr '94, nee: Baujahr '92, der hat noch gelbe Blinker." In wenigen Tagen wird der Wagen als Schrottpäckchen das Gelände wieder verlassen.