Die Staatsanwaltschaft wirft Peter B. (35), dem früheren Landesvorsitzenden der schleswig-holsteinischen NPD, gefährliche Körperverletzung vor. Er soll bei einer Schlägerei zwei „Höllenengel“ mit Messerstichen verletzt haben, einen davon lebensgefährlich. Bilder von den Hells Angels. Bilder vom Prozess.
Kiel. Das erste Strafverfahren im sogenannten Küstenkrieg zwischen Neonazis und Hells Angels hat in Kiel unter Polizeischutz und hinter Panzerglas begonnen. Auf der Anklagebank verzog der Ex-NPD-Funktionär Peter B. (35) keine Miene, als die Staatsanwältin ihm gefährliche Körperverletzung vorwarf. Demnach soll Peter B. im Sommer 2008 zwei "Höllenengel" mit Messerstichen verletzt haben, einen davon lebensgefährlich.
"Der Angeklagte ist ein führendes Mitglied der rechten Szene in Kiel und Umgebung", sagte die Staatsanwältin. Der frühere NPD-Chef in Schleswig-Holstein, der im schwarzen T-Shirt erschienen war, nickte knapp mit dem fast kahl rasierten Kopf. Zum Tatvorwurf wollte Peter B. sich vor der I. Strafkammer des Landgerichts nicht äußern. Vor der Polizei hatte er offenbar eingeräumt, an der Massenschlägerei mit den Hells Angels im Sommer beteiligt gewesen zu sein und aus Notwehr zum Messer gegriffen zu haben.
Klar ist, dass Neonazis und Rocker sich seit Jahren befehden - zuletzt offenbar, wie berichtet, am Donnerstag vor der Holstentherme in Kaltenkirchen. Dort wurde Andre D., der zum rechtsextremistischen Lager gezählt wird, mit mehreren Schüssen niedergestreckt, vermutlich von zwei großen und kräftigen Tätern. Die Ermittler schließen nicht aus, dass der Anschlag auf das Konto der Hells Angels geht.
Andre D. ist eine der Schlüsselfiguren im Küstenkrieg. Er soll bei den Höllenengeln in der Kreide stehen, wurde vor Jahren angeblich zusammengeschlagen. Bei einer erneuten Auseinandersetzung im Frühjahr 2007 soll Andre D. Hilfe bekommen haben. Sein Bruder Ralf, der zur Neonazi-Szene gehört, soll vor der Kieler Disco Mausefalle einen bekannten Höllenengel niedergestochen haben, den Tätowierer Dennis K. aus Neumünster.
Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Ralf D., der Prozess aber platzte. Wenige Minuten vor dem Verhandlungsbeginn im Kieler Amtsgericht am 29. August kam es vor dem Justizgebäude zu einer Massenschlägerei zwischen 20 bis 25 Neonazis und mindestens acht Rockern, darunter das Opfer Dennis K. Der Tätowierer wurde erneut niedergestochen, überlebte die Bauchverletzung nur dank einer Notoperation. Auch ein Gefährte erlitt einen Bauchstich. Die Polizei nahm den jetzt angeklagten Peter B. fest.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Neonazi nicht unvorbereitet in die Schlägerei mit den Hells Angels ging. Er habe Gesinnungsfreunde aufgefordert, mit schwarzen Jacken und Sonnenbrillen vor dem Amtsgericht zu erscheinen, um so eine spätere Identifizierung zu erschweren, meinte die Staatsanwältin.
Bestätigt wurde sie gestern vom ersten Zeugen im Prozess. Der Polizeibeamte schilderte lebhaft, wie im Sommer vor dem Gerichtsgebäude zwei Gruppen übereinander herfielen, die eine schwarz gekleidet, die andere im Motorrad-Look und teils mit Pferdeschwanz. "Es war ein Tohuwabohu", erinnerte sich der Beamte. "Ich habe bei der Schlägerei keine einzige Person erkannt."
Ein anderer Augenzeuge hat mehr gesehen. Der Kronzeuge der Anklage konnte gestern wegen einer Erkrankung aber nicht aussagen. Die Wahrheitssuche dürfte auch am nächsten Prozesstag (Donnerstag) schwierig werden. Mehr als ein Dutzend Höllenengel, die eigentlich als Zeugen auftreten sollten, wurden von der Strafkammer wieder ausgeladen, weil sie schweigen wollen und das auch dürfen. Grund: Gegen die Rocker laufen noch Ermittlungsverfahren wegen der Schlägerei.
In der kommenden Woche sollen die Rechtsextremisten vor Gericht erscheinen. Klar ist, dass ihrem mehrfach vorbestraften Wortführer Peter B. im Fall eines Schuldspruchs eine lange Haftstrafe droht. Auf gefährliche Körperverletzung stehen bis zu zehn Jahre Gefängnis.