Sie trafen den Kronzeugen, der das Gebot des Schweigens brach und den brutalen Überfall verriet.

Hannover. Sie sind Ausfahrer, Lagerarbeiter, Tätowierer, aber auch Industriekaufmann, zwischen 32 und 47 Jahre alt, verlobt, verheiratet, ledig und geschieden, sie tragen Glatze und ganz lange Haare als Pferdeschwanz oder einen adretten Kurzhaarschnitt. Aber eines haben sie gemein: Sie alle sind Hells Angels vom "Chapter" in Bremen. Und genau das hat die 14 Männer auf die Anklagebank im Schwurgerichtssaal in Hannover gebracht. Im bislang größten Rockerprozess, aus Platzgründen von Verden hierher verlegt, gibt es 17 Verteidiger für 14 Angeklagte.

Am 22. März 2006 haben sie nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Verden den verfeindeten Rockerklub Bandidos in Stuhr im Landkreis Diepholz überfallen, dort fünf Männer brutal mit Axtstielen zusammengeschlagen, noch auf die bereits gefesselten Opfer eingedroschen, deren Augen verklebt waren. Solange es die beiden Motorradklubs gibt, so lange sind sie Gegner, bekämpfen sich laut Polizeiexperten auch, weil alle Klubs in die organisierte Kriminalität, den Drogen- und Waffenhandel hineinreichen.

In diesem Fall ging es laut Staatsanwaltschaft konkret darum, "den konkurrierenden Motorradklub im Großraum Bremen auszuschalten". Dabei gingen die Angreifer nicht nur äußert brutal vor, sie hatten sich auch generalstabsmäßig vorbereitet, vermummt mit Sturmhauben, Anfahrt in unauffälligen Lieferwagen. Entsprechend lautet die Anklage auf gefährliche Körperverletzung und schweren Raub, man ließ Geld, einen Laptop, aber vor allem Insignien der Bandidos mitgehen - "als Trophäen", glaubt der Staatsanwalt.

Ganz familiär und ganz ohne Lederkluft nahmen sich gestern die Angeklagten vor Prozessbeginn gestern in Hannover erst einmal in die Arme - man hat sich ein halbes Jahr nicht mehr gesehen. Der Vorsitzende Richter Jürgen Seifert erkundigt sich zum Auftakt des Prozesses fürsorglich, ob jetzt auch allen Angeklagten die Hand- und Fußfesseln abgenommen worden sind. Das ist passiert, die Männer auf der Anklagebank winken ohne Beschränkungen ihren Freundinnen und Frauen und Klubfreunden zu, viele gehauchte Küsse kommen aus dem Zuschauerreihen zurück. "Er sieht nicht schlecht aus", sagt eine Verlobte erleichtert zu ihrer Freundin. Die nickt, zeigt dann auf die vielen Beamten: "Ganz schön heftig." Tatsächlich wimmelt es nur so von Polizisten, viele mit Knopf im Ohr.

Schlagstock, Elektroschocker, Pistolen und schusssichere Westen im Gerichtssaal, Polizeihunde auf den Fluren. Auch weiträumig um das Gebäude herum demonstrativ Mannschaftswagen. Die Helme aber bleiben gestern in den Transportern und die Motorräder der Rocker in der Garage - keine Aufläufe, keine Konfrontation. Aber es gibt unverhohlenen, demonstrativen Hass im Gerichtssaal. Zwölf Männer, manche von ihnen wie Schränke, sitzen auf der abgeriegelten Anklagebank, sie sind aus der Untersuchungshaft vorgeführt worden. Zwei weitere Angeklagte aber sind auf freiem Fuß, sitzen neben ihren Anwälten. Beide haben sich losgesagt von den Hells Angels. Die giftigen Blicke gelten vor allem dem 32-Jährigen ganz hinten, möglichst weit weg von der Anklagebank, dem Kronzeugen. Er hat gegen das Schweigegebot der Hells Angels gegenüber der Justiz verstoßen, hat den Überfall gestanden, seine Aussagen sind die Basis dafür, dass nun die anderen zwölf seit rund einem halben Jahr einsitzen - verteilt auf insgesamt neun Gefängnisse in Niedersachsen. Mal drehen sie ihm demonstrativ den Rücken zu und mal fixieren sie ihn mit bösen Blicken.

Er will im Prozess mindestens vorläufig schweigen, aber es gibt ja die Protokolle seiner gerichtlichern Vernehmungen. Und laut Staatsanwaltschaft sogar Genspuren mehrerer Angeklagter vom Tatort. Noch etwas zeichnet sich ab: Der erste Prozesstag endet mit einem Rechtsgespräch der Parteien hinter verschlossenen Türen - denkbar scheint ein schneller Prozess mit Vereinbarung über das Strafmaß. Schon heute geht der Prozess weiter.
Hannover: Prozess gegen 14 'Hells Angels'