Geesthacht. Rüdiger Tonn (FDP) und Hans-Werner Madaus (SPD) saßen zusammen 70 Jahre in der Geesthachter Ratsversammlung. Jetzt hören sie auf.
Als der Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ bei der voraussichtlich letzten Geesthachter Ratsversammlung vor der Kommunalwahl aufgerufen wurde, trat Hans-Werner Madaus von der SPD noch mal ans Rednerpult. „Ich war 41,5 Jahre Mitglied der Ratsversammlung, und dies ist mein letzter Redebeitrag. Ich bedanke mich bei allen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit“, sagte der 62-Jährige, der sich aus der aktiven politischen Arbeit zurückzieht. Anschließend zog mit Rüdiger Tonn (FDP) ein zweites Urgestein der Lokalpolitik in Geesthacht nach.
Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen verabschiedete sich nach 29 Jahren aus der Ratsversammlung. „Wenn ich in den ganzen Jahren jemandem auf die Füße getreten habe und ungerecht war, bitte ich um Entschuldigung“, sagte Tonn, der in seiner letzten Ratsversammlung noch einmal zu Hochform auflief.
Zwei Urgesteine der Geesthachter Kommunalpolitik
Die SPD hatte gerade einen Antrag für eine „Resolution zu Standardabsenkungen und finanziellen Mehrbelastungen durch die Kita-Reform der Landesregierung“ gestellt. Dabei sollte die schwarz-grüne Landesregierung aufgefordert werden, die Mehrkosten der Kommunen durch die Kita-Reform zu refinanzieren, die Qualität der Betreuung zu steigern und Eltern zu entlasten.
Im Zuge der Diskussion, die die übrigen Parteien als Kommunalwahlkampf werteten, kam zur Sprache, dass sich Geesthacht ja auch viele freiwillige Leistungen im Kita-Bereich leiste wie die Geschwisterermäßigung oder den Geesthachter Deckel, der die Elternbeiträge begrenzt. Die SPD verhalte sich zudem widersprüchlich, weil sie etwa den teuren Anbau an die Kita Heuweg nicht mittragen wollte.
Tonn noch mal im Schlagabtausch mit der SPD
Als dann Petra Burmeister (SPD) darauf verwies, dass die Geschwisterermäßigung von ihrer Partei eingeführt worden sei, rief Rüdiger Tonn mehrfach laut dazwischen und zeigte einen mahnenden Zeigefinger. „Den Geschwisterrabatt hatte unsere Fraktion zuerst gestellt. Das können sie uns nicht nehmen“, war Tonn wichtig klarzustellen. Und auch mit Michael Fiebig (SPD) lieferte sich Tonn – nicht das erste Mal – ein verbales Scharmützel.
Letztlich stimmte nur die SPD für ihren Antrag. Alle anderen Fraktionen waren der Ansicht, dass sie es bei einer bereits am 7. Mai 2021 verabschiedeten Resolution zur Kita-Reform belassen, demnach der Großteil der Kosten von Bund und Land übernommen werden sollten.
Neue Verschwisterung, geringes Haushaltsdefizit
In einem weiteren Punkt der Tagesordnung erinnerte Hans-Werner Madaus als stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Verschwisterung daran, dass diese auch gelebt werden müsse. Früher hatten mal 150.000 D-Mark für Verschwisterungssportfeste zur Verfügung gestanden, heute dagegen nur noch 15.000 Euro zur Unterstützung für den Austausch von Schulklassen. Hintergrund: Die Ratsversammlung beschloss, dass eine neue Verschwisterung mit der polnischen Stadt Bedzin aufgenommen werden soll. Geesthacht hat noch Städtepartnerschaften mit Plaisir (Frankreich) und Kuldiga (Lettland), nachdem die Beziehungen zu Oldham (Großbritannien) und Hoogezand-Sappemeer (Niederlande) ausgelaufen waren.
Gute Nachrichten verkündete Bürgermeister Olaf Schulze. Wegen höherer Einnahmen bei der Gewerbesteuer verringert sich bereits jetzt das Minus im erst vor Weihnachten aufgestellten Haushalt für das Jahr 2023. Der Fehlbetrag im ersten Nachtragshaushalt liegt jetzt nur noch bei knapp 9,9 Millionen Euro anstatt zuvor gut 11,7 Millionen Euro.
Das Krügersches Haus soll weitergenutzt werden
Einstimmig verabschiedet wurden die Maßnahmen im Schulentwicklungsplan, bei dem Geesthacht etwa 50 Millionen Euro in die Hand nimmt, um kurz- und mittelfristig die vier Grund- und drei weiterführenden Schulen so zu ertüchtigen, dass sie genug Platz für die gestiegenen Schülerzahlen bieten.
Eine Wende gab es bei der Weiternutzung des Krügerschen Hauses für die Tourist-Information und das Geesthacht-Museum. Die Ratsversammlung beschloss einstimmig, dass die Verwaltung frühzeitig Verhandlung mit den Eigentümern zur Verlängerung des im Mai 2025 auslaufenden Mietvertrages im ältesten erhaltenen Gebäude der Stadt (1723) aufnimmt.
Künftig mehr Wahlwerbeplakate der Parteien erlaubt
Die Verwaltung hatte bereits ein Konzept zur Weiternutzung vorgestellt. Die CDU konnte sich bislang auch Alternativen im Kleinen Theater Schillerstraße (Tourist-Info) und der Kapelle des Alten Friedhofs (Museum) vorstellen. Jetzt sagte deren Ortsvorsitzende Nicole Voss: „Die Bedeutung des Krügerschen Hauses für die Stadt ist groß. Die CDU stimmt zu.“ Der Antrag sieht auch vor, dass der Heimatbund und Geschichtsverein Geesthacht bei der Entwicklung eines neuen Konzepts beteiligt werden soll.
Zudem beschloss die Ratsversammlung eine Änderung zur Sondernutzung an öffentlichen Straßen. Hierbei ging es darum, dass die Parteien im Wahlkampf mehr Plakate aufstellen dürfen als bisher. Künftig sind nach einem angenommenen SPD-Vorschlag 100 Stellschilder (50 Standorte) erlaubt. Die CDU wollte auch Wahlwerbung auf abgestellten Anhängern zulassen. „Das bringt eine qualitative Veränderung des Wahlkampfes mit sich“, sagt das scheidende SPD-Urgestein Hans-Werner Madaus und verwies auf womöglich unzählige großflächige Plakate. Die CDU bekam keine Mehrheit.
Hans-Werner Madaus wechselt 1984 von der GAL zur SPD
Auf der neuen SPD-Liste im Kommunalwahlkampf taucht der 62-Jährige, der in diesem Jahr in die passive Phase seines Vorruhestands geht, nur auf Platz 20 auf: einem Platz, auf dem keine Chance besteht, in die Ratsversammlung einzuziehen.
Madaus war technischer Beamter bei der Bundesbahn und zog im Herbst 1982 für die Grün-Alternative Liste in die Geesthachter Ratsversammlung ein. Als es 1984 Auseinandersetzungen mit dem streitbaren und später wegen Vorbereitung zu einem Raubmord verurteilten Thomas Wüppesahl kam, wechselte Madaus zur SPD. Er war später zehn Jahre Vorsitzender des Bauausschusses.
Als seine wichtigsten Projekte sieht er den Aufbau des Jugendhauses „Düne“, die Schaffung der ersten Gesamtschule (heute Alfred-Nobel-Schule) oder die Einbindung der Stadtwerke in den Kampf gegen den Klimawandel (Fernwärme) sowie den sozialen Wohnungsbau. Jetzt will er mit seiner Frau vor allem tanzen und im Mittelmeer segeln.
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Rüdiger Tonn hat bei der Statt Partei angefangen
Derweil wartet das Projekt, für das Rüdiger Tonn 1994 für die Statt Partei aktiv wurde, noch auf seine Realisierung: die Umgehungsstraße. „Ich hatte ja gehofft, dass wir mit dem FDP-Verkehrsminister Bernd Buchholz vorankommen – aber manchmal muss man wohl einen ganz langen Atem haben“, sagt Tonn.
„Geesthacht an die Elbe“ sei ein weiteres tolles Projekt, das die Parteien gemeinsam realisiert hätten. 2002 wechselte der Energieanlagen-Elektroniker zur FDP, war 20 Jahre deren Fraktionsvorsitzender, der eine Einschränkung für seinen Rückzug macht. „Wenn ich in meinem Wahlkreis direkt gewählt werde, würde ich weitermachen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist gering“, sagt Tonn, der sich auf einen Wohnmobil-Urlaub mit seiner Frau ganz ohne Terminzwänge freut. Sowohl Hans-Werner Madaus (seit 2016) als auch Rüdiger Tonn (2017) sind Träger der Freiherr-vom-Stein-Medaille, mit der Schleswig-Holstein verdiente Kommunalpolitiker auszeichnet.