Geesthacht. Wollen wir zu viel? Bürgermeister Olaf Schulze spricht bei Geesthachter Haushaltsberatungen von Überforderung der Kommunen.
„Klimawandel, Energiewende, Wärmewende, Verkehrswende, Glasfaserausbau, Digitalisierung, Gasnotlage, Blackout, Wohngeldausweitung, Onlinezugangsgesetz, Kitareform mit SQKM, Grundschule, Ganztagsbetreuung, Umsatzsteuergesetz, zwischendurch Corona und Ukrainekrieg.“ Die Aufzählung von Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze (SPD) wollte beinahe kein Ende nehmen, nachdem der Verwaltungschef vor den Haushaltsberatungen der Ratsversammlung zum Rednerpult geschritten war.
Was er damit zum Ausdruck bringen wollte: „Wir müssen aufpassen, dass Kommunen und Verwaltungen nicht überfordert werden. Der Haushalt spiegelt die Überforderung wider“, sagte Schulze. Nach den Vorberatungen des Finanzausschusses klafft im kommenden Jahr ein Zwölf-Millionen-Euro-Loch im Stadtsäckel. Und viel weniger ist es nach gut vierstündigen Beratungen der Ratsmitglieder unter dem Strich auch nicht geworden. Als Kämmerer Heiner Roßmann um 21.22 Uhr die endgültigen Zahlen für den einstimmig beschlossenen Haushalt 2023 verkündete, lag das Minus exakt bei 11.754.900 Euro.
Kommunen sind finanziell überfordert
Einnahmen von rund 83,5 Millionen Euro stehen dabei Ausgaben von etwa 95,2 Millionen Euro gegenüber. Die Höhe der geplanten Investitionen liegt circa bei 11,8 Millionen Euro. Der maximal mögliche Kreditrahmen wird mit neun Millionen Euro voll ausgeschöpft. Allerdings soll es 2023 nach einem einstimmig angenommenen SPD-Antrag eine Priorisierung der Investitionsprojekte in den Ausschüssen erfolgen, um die Umsetzungsquote der Vorhaben zu verbessern. Hintergrund: Durchschnittlich setzt das Verwaltungspersonal jährlich rund sechs Millionen an Investitionen um.
Im Jahr 2023 sind an Personalkosten für die dann 405,76 Stellen im Rathaus alleine 23,9 Millionen Euro veranschlagt. 13,9 Millionen gehen als Umlage an den Kreis Herzogtum Lauenburg.
Nur 50 Prozent der neuen Personalkosten eingeplant
Auch ein paar Kniffe, um die Zahlen zu drücken, sind in der Planung enthalten: So werden von der Verwaltung nur 50 Prozent der neuen Personalkosten (insgesamt 1,8 Millionen Euro, davon die Hälfte im Bildungssektor) eingepreist. Aufgrund des Fachkräftemangels wird erwartet, dass nicht alle neuen Stellen sofort besetzt werden können. Und im Rathaus wurde auch „nur“ mit einem Prozent Gehaltserhöhung für den Öffentlichen Dienst kalkuliert, was selbst Olaf Schulze als „wahrscheinlich unrealistisch“ beziffert.
Dennoch erntete der Verwaltungschef viel Zuspruch. „Grundsätzlich ist es ein solider Haushalt. Es wird deutlich, dass die strukturelle Ausstattung der Kommunen nicht ausreichend ist“, sagte etwa Arne Ertelt, der Fraktionsvorsitzende der CDU. FDP-Chef Jörg Kunert betonte, dass es andere Städte viel schlimmer getroffen habe und man gar nicht so viel sparen könne, wie eigentlich nötig sei.
Parteien stützen Verwaltung, nur Grüne wollen sparen
Petra Burmeister (SPD-Fraktionsvorsitzende) forderte, dass die schwarz-grüne Landesregierung in Kiel bei der Finanzierung der Kita-Reform und dem 2026 kommenden Anspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule nachbessern müsse. Christoph Hinrichs, der Vorsitzende des Finanzausschusses von den BfG, stellte fest: „Wirkliche Einsparungen gibt es nur bei freiwilligen Leistungen. Der Rest ist Kosmetik.“
Allerdings war ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl die Bereitschaft der Parteien, freiwillige Leistungen zu streichen, nicht ausgeprägt. Zudem habe die Verwaltung laut Bürgermeister bewusst auf Steuererhöhungen in diesen bewegten Zeiten verzichtet.
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Einzig Bündnis 90/Die Grünen setzten sich für eine deutliche Reduzierung der Ausgaben ein. „Externe Dinge belasten unseren Haushalt, doch auch wir als Stadt müssen versuchen zu sparen. Auch 10.000 Euro können helfen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Ali Demirhan. Doch obwohl absehbar war, dass die Grünen für ihre Anliegen nach den Grundsatzreden zur Finanzsituation keine Mehrheiten finden würden, versuchte es Demirhan immer wieder.
Zuschuss für Volkshochschule wird erhöht
Doch so oft er auch ans Rednerpult schritt: Die Grünen scheiterten beim Versuch, sechs neue Stellen zu streichen, mit dem Wunsch nach Kürzung einiger pauschal angesetzter Haushaltsposten, bei der Reduzierung der Summe für die Planungen des Stadtjubiläums 2024 von 38.700 auf 20.000 Euro oder mit dem Ansinnen die mit 500.000 Euro veranschlagte Sanierung der Spandauer Straße auf 2024 zu verschieben, um nur einige Punkte zu nennen. Nur einmal gingen die anderen Partei mit: Beim Vorschlag, die Neuplanung des Schiffsanlegers in der Hafencity gemeinsam mit dem dortigen Parkplatz im Jahr 2024 zu erledigen. Ersparnis: 50.000 Euro.
Bei der Volkshochschule sprachen sich die Politiker derweil dafür aus, die seit zehn Jahren eingefrorenen Zuschüsse (213.500 Euro) zu erhöhen, um das Defizit zu decken. Der CDU-Vorschlag, die Summe auf 300.000 Euro zu erhöhen, scheiterte trotz Unterstützung von FDP und BfG mit 11:12-Stimmen. Letztlich gab es mit den CDU-Stimmen eine Mehrheit für den SPD-Wunsch, den Zuschuss um 25.000 Euro zu erhöhen.