Geesthacht/Oman. Ohne Handynetz und ab vom Schuss: Selbst die deutsche Botschaft im Oman hat nach Familie Pietzko aus Geesthacht gesucht.

Familie Pietzko, unsere Weltreisenden aus Geesthacht mit dem rosa Oldtimer-Expeditionsmobil namens „Heidi“, ist spät dran. Sie sind mit befreundeten Franzosen am Lampa Camp, einem Traumstrand im Oman vor der Insel Masira, verabredet. Doch eine Einladung zu einer Beduinenfamilie wiebelt ihren Zeitplan durcheinander. Jetzt liegen noch 40 Kilometer Buckelpiste durch die Wüste vor ihnen.

Diese Strecke jedoch noch abzukürzen, sollte sich im Nachhinein als denkbar schlechte Idee erweisen. Sie lösen damit eine mittelschwere Rettungsaktion aus. Selbst die deutsche Botschaft ist informiert, dass vier Deutsche vermisst werden. Erst nach 24 langen Stunden kommt Rettung.

Das Tacho zeigt knapp 50 Stundenkilometer, als „Heidi“ in einem versteckten Loch in der salzigen Landschaft abrupt zum Stehen kommt. Nach einem ersten Schreck stellen die Pietzkos fest: Es geht weder vor noch zurück und alleine bekommen sie den 45 Jahre alten Mercedes-Rundhauber auch nicht frei. Aber Hilfe rufen können sie auch nicht: Das Handy hat null Empfang. Nun ist guter Rat teuer.

Weltreise mit „Heidi“: Rettung aus der omanischen Wüste nach 24 Stunden

Etwa sechs Kilometer durch die Wüste sind es bis zum Lampa Camp. Zu weit und zu gefährlich für einen Fußmarsch. Vom umgekehrten Weg zurück zur Beduinenfamilie ganz zu schweigen. Diese hatte die Eltern Jessica und Jonas Pietzko (beide 35) vor einem Supermarkt in der Stadt Filim angesprochen und gefragt, ob sie die Kinder Jano (9) und Jana (2) wegen ihrer blonden Haarfarbe fotografieren dürften.

Weltreise mit
Weltreise mit "Heidi": Jonas, Jano, Jana und Jessica Pietzko auf dem Dach ihres rosa Oldtimers. Wer ihnen auf Instagram folgen möchte: DieJotsundHeidi heißt ihr Account – wegen ihrer Vornamen. © Privat | Privat

Es folgte eine Einladung zur omanischen Familie nach Hause, die die Pietzkos gerne annahmen – zumal eine Ablehnung auch als unhöflich gilt. „Vier Schwestern lebten mit ihren Eltern zusammen. Für unsere Kinder war es schön, dass sie mit Gleichaltrigen spielen konnten“, erzählt Jessica Pietzko. Sie berichtet davon, dass die Männer in einem Zelt sitzen, die Frauen in einem anderen und die Kinder ein eigenes Spielzelt haben. Es gibt Kaffee und Tee und Kapsa, ein typisches Reisgericht auf der arabischen Halbinsel.

Einladung in die Zelte einer Beduinenfamilie

„Die Frauen haben mich dann noch geschnappt und in ein traditionelles Gewand gesteckt. An den Farben erkennt man im Oman übrigens, aus welcher Stadt jemand kommt“, so Jessica Pietzko. Sie bekommt auch die landestypische Version einer Burka geschenkt.

Jessica Pietzko mit der omanischen Version der Burka, die sie von einer Beduinen-Familie geschenkt bekommen hat.
Jessica Pietzko mit der omanischen Version der Burka, die sie von einer Beduinen-Familie geschenkt bekommen hat. © Pietzko | Pietzko

Dazu heißt es auf einer Internetseite im Oman, dass die Burka von den Beduinenfrauen in der Wüste noch heute zum Schutz vor Sonne und Sand getragen wird und entgegen vieler Vorurteile von omanischen Beduinenfrauen gerne getragen würde. „Was wir auch spannend fanden: Bei den Beduinenfamilien müssen die Männer nach der Heirat zu den Frauen ziehen“, so die Geesthachterin.

„Der Boden war wie schleimige Knete“

Nach dem kulturellen Austausch soll es dann schnell zum Strand gehen. „Doch auf einmal macht es bopp und wir stehen“, berichtet die 35-Jährige. Zunächst denken sie an Routine, schließlich ist es nicht das erste Mal, dass sich „Heidi“ festgefahren hat. Also Sandbleche und Schaufeln raus, Musik an und graben.

„Wir haben schnell gemerkt, dass der Boden ziemlich unfreundlich zu uns ist. Wie schleimige Knete, richtig böse. Wir waren von oben bis unten voll klebriger Matschepampe“, sagt Jessica Pietzko. Als sie die Franzosen Ben und Louise bitten wollen, sie herausziehen, stellen sie fest: kein Handynetz.

Weder vor noch zurück: “Heidi
Weder vor noch zurück: “Heidi" ist völlig festgefahren. © Pietzko | Pietzko

Nachdem auch weitere Befreiungsversuche scheitern, taucht am Horizont ein Wagen auf, der ihre Lichthupe sieht. Wenig später helfen auch die Insassen, fünf Omani-Männer, beim Schaufeln bis in die Nacht. Doch nichts hilft. Inzwischen ist es 21 Uhr und stockfinster. Nur der Mond und ein paar Lampen spenden Licht.

Keinerlei Handyempfang im Nirgendwo

Aus lauter Verzweiflung schickt Jessica Pietzko irgendwann eine SMS an die Beduinen-Freunde und bittet um die Entsendung eines Lkw oder Bulldozers zur Rettung. „Ich hatte aber wenig Hoffnung, dass die ankommt. Es gab ja überhaupt kein Netz, null“, sagt Jessica Pietzko. Um 23 Uhr verabschieden sich die Omanis, erklären sich aber noch bereit, am Strand nach den Freunden zu suchen, damit diese helfen kommen.

Sie finden diese tatsächlich und bringen sie vorbei. In der Nacht macht eine Rettung jedoch keinen Sinn. Sie verschieben es auf den nächsten Morgen. Eine unruhige Nacht in starker Schräglage später und mit vereinten Kräften werden sie schließlich aus der Notlage befreit. Zum Glück. Wie sie erfahren, hätte der Einsatz eines Bulldozers 1000 US-Dollar gekostet und meistens würden sogar zwei benötigt.

Selbst deutsche Botschaft ist informiert

An ihrem Traumstrand erholen sie sich vom Schreck. Das Handy hat Jessica Pietzko völlig vergessen. „Irgendwann gucke ich drauf und sehe, dass die Beduinenfamilie tausend Mal versucht hat, mich zu erreichen“, sagt die Geesthachterin. Sie hätten die Polizei alarmiert, die Deutschen bräuchten keine Angst haben, Hilfe sei unterwegs.

Zwei Polizisten versichern sich, dass es den vier Deutschen aus Geesthacht gut geht.
Zwei Polizisten versichern sich, dass es den vier Deutschen aus Geesthacht gut geht. © Pietzko | Pietzko

Eine Stunde später stand dann schließlich die Polizei am Traumstrand. „Ob wir die vermissten Deutschen wären. Wir mussten uns dann mit unseren Reisepässen ausweisen. Auch die deutsche Botschaft wäre schon informiert, dass vier Deutsche in diesem Areal vermisst werden. Vier Polizeiwagen hätten bereits nach uns gesucht“, sagt Jessica Pietzko peinlich berührt.

Seit Februar 2022 auf Weltreise mit „Heidi“

„Aber letztlich ist es gut zu wissen, dass das System hier so gut funktioniert, wenn einem Urlauber etwas passiert. Die Menschen sind hier so hilfsbereit. Wow! Und uns geht es gut“, schließt Jessica Pietzko. Die Geesthachter entspannen nach dem Schrecken erstmal ein paar Tage im Lampa Camp. Schließlich hätte es noch schlimmer kommen können: Sie erfahren von einem holländischen Paar, das vor ein paar Monaten eine ganze Woche feststeckte.

Die Pietzkos sind seit Februar 2022 unterwegs. Ihr Reihenhaus in Geesthacht und fast den ganzen Hausstand haben sie verkauft, um auf Weltreise mit „Heidi“ zu gehen. Die Erwachsenen haben dafür Elternzeit genommen. Der Oman ist das zwölfte Land, das sie bereisen. Vor Januar 2024 wollen sie nicht zurück sein. Wir begleiten sie auf ihrer Reise.