Der Umgang mit dem Salzstock Gorleben ist ein Knackpunkt bei der neuen Endlagersuche für Atommüll. Atomgegner fordern Aus für Gorleben.

Berlin. Gerald Hennenhöfer hat gerade einen recht undankbaren Job. Der Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium hat die knifflige Aufgabe, die teils sehr unterschiedlichen Vorstellungen bei der neuen Atommüll-Endlagersuche irgendwie zusammenzubringen. Dabei sind sich schon zum Beispiel die Grünen untereinander nicht einig, ob der seit 35 Jahren als einziger Standort im Fokus stehende Salzstock Gorleben zunächst mit im Rennen bleiben soll. Die Differenzen werden zunehmend zur Hypothek bei dem geplanten Neustart. Bis zum Sommer soll ein Endlagersuchgesetz her.

Nach einem Gespräch mit Vertretern der 16 Bundesländer in Berlin betont Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Donnerstag: „Es gibt keinen politischen Vorabausschluss von Gorleben“. Aber eben auch keine Sonderrolle. Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner (FDP) sagt, es sei klar, dass sich auch Gorleben in allen Phasen und nach allen festgelegten Kriterien mit anderen Standorten messen müsse. Der niedersächsische Standort war viele Jahre besonders von Union und FDP favorisiert worden.

In Hennenhöfers Abteilung werden die ganzen Änderungsvorschläge zusammengeführt. In den zweiten Entwurf für ein Suchgesetz sind dabei auch auf Wunsch von SPD und Grünen stärkere Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger aufgenommen worden. Diese sollen nicht nur informiert werden, sondern durch die Übermittlung von Anregungen „frühzeitig und aktiv“ an dem Auswahlprozess teilnehmen können. Um die Stimmung nicht anzuheizen, ist Gorleben im Entwurf weitgehend ausgeklammert, gehört also zur schwierigen Verhandlungsmasse zwischen Bund und Ländern.

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Die „Kampflinien“ verlaufen dabei quer durch die Parteien: Während Niedersachsens Grüne das sofortige Aus Gorlebens fordern, will die Bundestagsfraktion einen „rechtssicheren Ausschluss“, also dass Gorleben bei einem Vergleich mit anderen Standorten anhand klar definierter Kriterien herausfällt. Die SPD versucht, die Grünen links zu überholen. Sie forderte auf ihrem Parteitag ein Aus für den „verbrannten“ Salzstock. Allerdings gibt es auch hier inzwischen ein eher unklares Bild, wie mit Gorleben zu verfahren ist.

Am Donnerstag demonstrierten Atomgegner von Greenpeace parallel zum Bund-Länder-Treffen vor dem Bundesumweltministerium für einen sofortigen Ausstieg aus Gorleben. Doch diese Variante statt eines Vergleichs mit mehreren Alternativoptionen ist nicht mehrheitsfähig.

Fakt ist: Bisher gibt es keinen definitiven Beweis, dass Gorleben ungeeignet ist. Knapp 1,6 Milliarden Euro wurden bisher für die Eignungsprüfung des Salzstocks an der früheren DDR-Grenze ausgegeben - den Großteil trägt die Atomwirtschaft, bis 2010 wurden 142 Millionen Euro an Steuergeldern investiert. Kritiker sagen, das Deckgebirge über dem Salzstock sei nicht stark genug, zudem könnten Gas- und Kohlenstoffvorkommen in Kombination mit hoch radioaktivem Atommüll eine Gefahr darstellen.

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Die aus dem Wendland stammende Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, kritisiert, dass Röttgens bisherige Vorschläge scheinbar das Ziel hätten, „Gorleben möglichst lange aus Vergleichen mit anderen Standorten herauszuhalten“. Dadurch könnte die Gefahr entstehen, dass angesichts von Problemen mit anderen Standorten am Ende Gorleben doch durchgesetzt wird, fürchten viele.

Ohne einen Ausschluss werden die Umweltverbände, die Röttgen gerne dabei hätte, kaum mitmachen. Thorben Becker, Atom-Experte des BUND, betont: „Das Festhalten an dem Salzstock heißt, dass die Suche im Zweifel nicht nach wissenschaftlichen Kriterien abläuft.“ Wolfgang Ehmke, Sprecher der seit Jahrzehnten gegen Gorleben kämpfenden Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, betont: Röttgen wolle den Standortvergleich nur, „um am Ende Gorleben in einem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht scheitern zu lassen“ – also um bei einem Votum für Gorleben die Erfolgsaussichten von Klagen zu mindern.

Röttgen wiederum hatte schon im November bei der Ankündigung der bundesweiten Suche Vorwürfe von irgendwelchen Vorfestlegungen klar zurückgewiesen. „Es gibt eine weiße Landkarte, kein Tabu“, so Röttgen. Aber zu dieser Landkarte gehöre eben auch Gorleben.

(dpa/abendblatt.de)