In Lüchow gingen Jugendliche aus dem Wendland auf die Straße. Polizistin mit Ei beworfen. Hinweise auf Verzögerung des Transports.

Lüchow/Hannover/Paris. Schüler haben am Donnerstag in Lüchow (Landkreis Lüchow-Dannenberg) traditionell gegen den Castor-Transport nach Gorleben demonstriert. Ein Polizeisprecher gab die Zahl der Teilnehmer mit 2.000 an. Am Treffpunkt vor dem Lüchower Rathaus hatten sich am Morgen zunächst deutlich weniger Jugendliche versammelt. Die Demonstration der Lüchow-Dannenberger Schüler bildet stets den Auftakt für die "heiße Phase“ der Proteste gegen die Atommülltransporte.

Vor dem Kreishaus forderten die Demonstranten die sofortige Stilllegung aller Atomkraftwerke weltweit. Eine Polizistin wurde von einem Ei getroffen, sonst verlief der Marsch friedlich. Viele Jugendliche hatten sich die Gesichter mit dem Warnzeichen für Radioaktivität oder der Parole "Castor stopp“ geschminkt. Andere trugen Pullover mit der Aufschrift "Gorleben soll leben“.

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In dem Zug rollten auch 14 Traktoren und mehrere Spezial-Lkw mit. Die Polizei habe zunächst nur eine Genehmigung für fünf Trecker erteilt, sagte der Sprecher. Nach Angaben eines Schülervertreters gab es weitere Auflagen für die Demonstration. So durften mitgeführte Transparente nicht breiter als 3,50 Meter und nicht höher als ein Meter sein.

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Redner kündigten für die kommenden Tage weitere Aktionen an. Im vergangenen November waren es etwa 600 Demonstranten. Der Zug mit den elf Atommüll-Behältern war am Mittwoch in Frankreich gestartet. Am Sonnabend rechnet die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg mit mehreren zehntausend Teilnehmern bei der geplanten Großveranstaltung in Dannenberg.

Castor-Transport steht nahe deutscher Grenze

Unterdessen haben sich am Donnerstagmittag die Hinweise auf eine Verzögerung der Weiterfahrt des Castortransports verdichtet. Sowohl aus deutschen als auch aus französischen Sicherheitskreisen hieß es, dass der Zug mit hoch radioaktivem Atommüll erst an diesem Freitag die Grenze nach Deutschland überqueren werde.

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In der französischen Gemeinde Rémilly rund 65 Autokilometer südwestlich von Saarbrücken sei ein 24-stündiger Zwischenstopp geplant. Den dortigen Bahnhof hatte der Transport am Donnerstag gegen 9.20 Uhr erreicht.

Ein Sprecher der Bundespolizei im Saarland wollte sich nicht näher zu den Informationen über den Zwischenstopp äußern. Die Sicherheitskräfte seien aber auf das Kommen des Zuges vorbereitet, sagte er. Andere mögliche Routen führen über Kehl in Baden-Württemberg oder die Gemeinde Berg in Rheinland-Pfalz. Offizielle Angaben gibt es aus Sicherheitsgründen nicht.

Der Transport bringt deutschen Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in das Zwischenlager Gorleben im Nordosten Niedersachsens. Bereits am Mittwoch hatte es in Frankreich erhebliche Proteste gegen den Castortransport gegeben. Auch in Deutschland wollen Umweltschützer wieder protestieren.

Bischof wirft Politik unehrlichen Atomkurs vor

Derweil wirft Hannovers Landesbischof Ralf Meister der Politik einen unehrlichen Kurs in der Endlagerfrage vor. Die Bevölkerung im niedersächsischen Wendland habe dadurch grundsätzlich das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Politik verloren, sagte Meister am Donnerstag vor dem Kirchenparlament in Hannover. "Man könnte von einer gesellschaftlichen Vergiftung sprechen, die aus diesem Misstrauen entstanden ist.“

Meister fragte: "Wie, so muss kritisch gefragt werden, können innerhalb einer jahrzehntelangen Suche grundlegende Erkenntnisse verschwiegen, Ausgangsbedingungen permanent verändert und rechtliche Rahmenbedingungen nicht angepasst werden?“ Daraus sei ein tiefes Misstrauen entstanden.

Bei der weiteren Suche nach einem atomaren Endlager sei die Unterbrechung der Erforschung in Gorleben eine zentrale Forderung. "Und es muss kritisch gefragt werden, wie eine faire Untersuchung unterschiedlicher Orte erfolgen soll, wenn mit dem Vorsprung von 30 Jahren Erkundungsarbeit Gorleben immer weiterhin priorisiert bleiben wird.“

Aufgabe der Kirche bleibe eine kritische Begleitung der Diskussion um das Endlagersuchgesetz und ein Beharren auf der öffentlichen Diskussion, sagte der Bischof. "Nicht das Vorstellbare ist das zentrale Problem, sondern vor allem das Unvorstellbare.“

Mit Material von dpa und dapd