Rund 100 ungeduldige Urlauber warteten auf Hiddensee auf den Flug nach Rügen, nur 40 von Ihnen konnten per Hubschrauber abreisen.
Hiddensee. Die Nachricht verbreitete sich am Dienstagmorgen wie ein Lauffeuer auf Hiddensee: Nach mehreren Tagen zusätzlichen Zwangsurlaubs auf der Ostseeinsel sollte nun endlich die Rettung aus der Luft kommen. Und tatsächlich: Kurz nach zehn Uhr drehte Pilot Hermann Günnewig seinen Helikopter über den Sportplatz des Inseldorfes Vitte ein, wo rund 100 ungeduldige Urlauber auf den Flug auf die Nachbarinsel Rügen warteten. 40 Euro kostete die Touristen der Fünf-Minuten-Flug über den Schaproder Bodden. Für rund 40 von ihnen war er die ersehnte Rückkehr in den Alltag. Die anderen, wie der Hamburger Jürgen Fricke, wurden zunächst vertröstet.
„Die Organisation der Flüge ist katastrophal“, sagte Fricke enttäuscht. Seit Sonntag sitzen er und seine Frau auf gepackten Koffern. Die Hoffnung, nun endlich nach Hause zu kommen, erfüllte sich nicht. Am frühen Nachmittag frischte der Wind auf, Schnee kündigte sich an. Der Hubschrauber drehte ab. Auch für den Hiddenseer Ingolf Engels sollte der Hubschrauberflug das Ende einer nervenden Odyssee bedeuten. „Am Samstag blieb ich bereits im Schneechaos in Rostock stecken“, berichtete er. Auch er gehörte nicht zu den Glücklichen, die einen Platz im Hubschrauber ergattern konnten. Inzwischen hat der Landkreis die Hilfe von Bundeswehrhubschraubern angefordert.
Noch am Montag hatte Hiddensees Bürgermeister Manfred Gau (Wählergemeinschaft) alle Hoffnungen auf den Tonnenleger „Ranzow“ gesetzt. Das eisbrechende 1100-PS-Schiff, voll gepackt mit Lebensmitteln, nahm einen weiten Umweg über die Außenküste der Insel Rügen. Doch am Libben, der nördlichen Meeresenge zwischen Rügen und Hiddensee, stoppte das zu Bergen aufgeschobene Eis den Tonnenleger. „Wir haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft“, sagte Karl-Albert Stüwe vom zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt in Stralsund. Die „Arkona“, immerhin Deutschlands zweitgrößter Eisbrecher, kann nicht eingesetzt werden. Mit einem Tiefgang von vier Metern könne der Riese die flachen Boddengewässer nicht befahren, sagte Stüwe.
Unterdessen packten die Mitarbeiter der Großhandelsfirma „Insellogistik“ in Bergen auf Rügen Lebensmittelboxen für die Insel: Anderthalb Europaletten mit Möhren, Tomaten, Kartoffeln, frischer Milch, Brot und Eiern gingen noch am Vormittag mit dem Hubschrauber auf das „söte Länneken“. Die Grundnahrungsmittel waren seit Montag in den Hiddenseer Einkaufsmärkten ausverkauft. Die rund 1000 Insulaner mussten auf Büchsenbrot und Konserven zurückgreifen. Auch Medikamente für die Insel-Arztpraxis wurden per Hubschrauber gebracht.
Von der anfänglichen Romantik, abgeschnitten von der Außenwelt auf einer Insel zu leben, ist nichts mehr zu spüren. „Wir fordern das Wasser- und Schiffahrtsamt auf, die Fahrrinne zu brechen“, sagte Bürgermeister Gau. Schließlich handele es sich um eine Bundeswasserstraße. Inzwischen wird auf der Insel das Heizöl knapp, wie Hotelier Olaf Thürke berichtete. Der Landestourismusverband bedauerte, dass die Urlauber nicht selbstbestimmt ihre Ferien beenden konnten.
Landrätin Kerstin Kassner (Linke) war am Dienstag auf den Hof der Großhandelsfirma geeilt, um sich ein Bild von den Transportarbeiten zu machen. Die Aktion sei „ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte sie. „Angesichts der Wetterprognosen mit anhaltenden Frosttemperaturen brauchen wir eine langfristige und stabile Lösung.“ Ungeklärt ist auch, wer die Kosten für die Hubschraubereinsätze übernimmt. Das für die Insel zuständige Amt Westrügen wie auch der Landkreis Rügen hoffen, dass das Land für die Luftbrücke nach Hiddensee eine Sonderbedarfszuweisung zur Verfügung stellt. Laut Innenministerium können diese Sonderlasten im Ausnahmefall im Rahmen von Fehlbetrags- oder Sonderbedarfszuweisungen anteilig vom Land übernommen werden.
Unterdessen arbeitet die „Weiße Flotte“ an der Behebung des Maschinenschadens am Fährschiff „Vitte“. Es war am Freitag im Eis stecken geblieben. Zuletzt hatte am Donnerstag ein Schiff die Insel erreicht.