Der Super-Winter kommt wieder in Fahrt. Norddeutschland friert bei Windböen und Schnee. Hiddensee muss aus der Luft versorgt werden.

Hamburg. Miriam heißt das neue Tief, das heute über Norddeutschland zieht. Es bringt Schnee und Wind- oder Sturmböen mit sich, aber auch mildere Temperaturen. "Im Flachland kann der Schnee im Tagesverlauf in Schneeregen übergehen", sagt Meteorologe Marcus Beyer vom deutschen Wetterdienst (DWD). Trotzdem könnten in Hamburg auch heute wieder bis zu zehn Zentimeter Schnee fallen. Aktueller Schnee-Rekordhalter im Norden ist übrigens Greifswald: 45 Zentimeter dick ist hier die Schneedecke. In Schleswig sind es immerhin noch 39 Zentimeter.

Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kann es außerdem wieder glatt werden - wobei das Streusalz langsam zur Neige geht. Die Hamburger Stadtreinigung wartet auf zwei Frachter aus Marokko und Chile, die das knappe Gut in die Hansestadt bringen. Nur noch 700 Tonnen sind in dem Lager, das eigentlich 120.000 Tonnen fasst. Die 700 Tonnen reichen noch für bis zu drei "Streudurchgänge" - und diese könnten auch an einem Tag nötig sein. Wenn der Salzvorrat weiter schrumpft, werden die Salzreste mit Sand gemischt. Reinhold Fiedler, Sprecher der Stadtreinigung, sagt: "Danach müssen wir Granulat einsetzen."

Die Stadtreinigung erwartet, dass der gesamte Winterdienst in dieser Saison doppelt so teuer wird wie üblich. Die Stadt Hamburg zahlt der Stadtreinigung für einen durchschnittlichen Winter 6,9 Millionen Euro. Fiedler: "Dieser Winter kostet uns mindestens zehn Millionen." Grund der Misere: Ein Salzfrachter, der eigentlich schon in Hamburg sein sollte, ist erst jetzt in Marokko losgefahren. "Und auch ein zweites Salzschiff aus Chile erwarten wir erst am 10. Februar." Der Preis für Streusalz habe sich auf 200 Euro pro Tonne verfünffacht. "Zwei Mitarbeiter sind nur damit beschäftigt, Salz einzukaufen; doch zurzeit gibt es dies für kein Geld der Welt", sagt Fiedler.

Flugreisende und Autofahrer müssen wieder warten

Ergiebige Schneefälle haben auch den Flugverkehr auf dem Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel behindert. Es gebe einige Verspätungen bis zu 45 Minuten, sagte eine Flughafensprecherin: „Der Schnee- und Eisdienst ist voll in Action“. Auch auf Hamburgs Straßen gab es Behinderungen durch Schnee und Glatteis. Im Süden der Stadt standen fast alle Räder still, da kaum gestreut wurde. Im Bereich Harburg standen die Busse still, am Schwarzenberg hingen allein vier Busse an einer Steigung und können nicht weiterfahren. Auch im Hafenbereich haben sich Lastwagen festgefahren. Die Stadtreinigung war mit 170 Fahrzeigen im Einsatz um die Hauptverkehrsstraßen zu räumen. Im Nahverkehr war nach Angaben der Hamburger Hochbahn AG ein geregelter Busverkehr nicht mehr in allen Gebieten der Hansestadt gewährleistet. Taxen waren auch kaum zu bekommen. „Ausgebucht“ hieß es in den Taxi-Zentralen.

Verkehrsunfälle und Knochenbrüche

Bei Glatteis haben sich in Norddeutschland zahlreiche Unfälle ereignet. Die meisten liefen glimpflich ab. In der Nähe von Heiligenhafen aber starben zwei junge Männer, als der Fahrer vermutlich wegen Glätte die Kontrolle über sein Auto verlor und mit einem Lastwagen zusammenprallte. Die A7 musste am Morgen mehrere Stunden lang voll gesperrt werden, weil ein Lastwagen nach einem Unfall umstürzte und auf der Fahrbahn liegenblieb. Eine Autofahrerin hatte ihn beim Überholen touchiert. Beide Fahrer mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus. Der Berufsverkehr in Richtung Hamburg staute sich auf einer Länge von 15 Kilometern.

Auch Fußgänger leben zur Zeit gefährlich. "Wir haben fünf bis zehn Prozent mehr Knochenbrüche und Gelenkverletzungen als im Durchschnitt", sagt Jens Bonnet, Sprecher der Asklepios Kliniken. Besonders schlimm war es am Wochenende: Am Sonnabend musste die Notaufnahme in St. Georg 50 Prozent mehr solcher Sturzverletzungen behandeln als sonst - vermutlich lag es am Eisvergnügen und am Glühwein.

"Schwierig für die Kliniken ist, dass es viele Oberarmfrakturen gibt", sagt Bonnet. "Die müssen nämlich erst eingegipst und in der darauffolgenden Woche noch einmal operiert werden, kommen also zu den normalen OPs dazu." Sechs Brüche des Oberarms verzeichneten die Asklepios Kliniken am Sonnabend.

L uftbrücke nach Hiddensee, Seenotkreuzer zu den Halligen

Die Ostseeinsel Hiddensee bleibt derweil weiter von der Außenwelt abgeschnitten. Ein Eisbrecher versuchte durchzukommen, musste aber wieder abdrehen. Jetzt soll ein Hubschrauber den eingeschlossenenen Bewohnern Lebensmittel und Medikamente bringen. Seit Montag gibt es weder frisches Brot, noch Butter und Kartoffeln auf der Insel mit 1050 Einwohnern. Touristen sind nur wenige auf der Insel, manche laufen zu Fuß übers Eis zum Festland, das nur zwei Kilometer entfernt liegt.

Der Seenotrettungskreuzer „Vormann Leiss“ hat sich durch das Eis zu den nordfriesischen Halligen gekämpft. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn jemand nach langer Zeit wieder durchkommt“, sagte Hooges Bürgermeister Matthias Piepgras am Telefon. Mit dem fast 2000 PS starken Schiff der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) kamen sieben Halligbewohner und Gäste auf Hooge an, fünf gingen an Bord. Anschließend holte die „Vormann Leiss“ noch zwei Fahrgäste von Hallig Gröde ab und kehrte dann in ihren Heimathafen Wittdün auf Amrum zurück. Von dort fährt eine Fähre zum Festland nach Dagebüll.

Schnee wird mit dem Lastwagen abtransportiert

In Mecklenburg-Vorpommern kämpfen die Städte derweil mit Massen an Eis und Schnee. Die Stadt Schwerin lässt die weißen Hindernisse an einigen Straßen sogar per Lastwagen abtransportieren. Der Schnee werde auf einer Freifläche abgelagert, sagte Stadtsprecherin Michaela Christen. Die Schneeberge an den Straßen seien so groß, dass Autos nicht mehr parken könnten. Nach Informationen des Senders Antenne MV wollen weitere Städte im Land ähnlich vorgehen oder tun dies bereits, so Stralsund, Boizenburg/Elbe, Crivitz (Kreis Parchim) und Pasewalk.

Osnabrück stellt Busverkehr ein

Im Kreis und in der Stadt Osnabrück ist am Vormittag wegen glatter Straßen der komplette Busverkehr eingestellt worden. Alle Fahrzeuge sind nach Angaben der Verkehrsbetriebe auf die Bushöfe zurückgerufen worden. Es wurde ein Krisenstab eingerichtet. „Es ist so glatt und wir haben kein Salz mehr“, sagte Sprecherin Katja Diehl. Dies sei jedoch das einzige was helfen könne. Die Fahrer würden mit Autos die Linien abfahren und die wartenden Menschen über die Situation informieren.

In der Warener Innenstadt wird vor Eiszapfen gewarnt. Mehrere Hauseigentümer in der Fußgängerzone fordern mit Schildern und weiß-rotem Warnband Kauflustige und Touristen auf, die Fußwege vor den Geschäften zu meiden. Gründe sind Schneemassen auf den Dächern und bis zu ein Meter lange Eiszapfen, die sich beim Wechsel von Plustemperaturen und Frost an Dachrinnen gebildet haben. Das Ordnungsamt hatte die Fürsorgepflicht der Eigentümer angemahnt. In der feuchten Luft an der Seenplatte bilden sich schneller als andernorts größere Eiszapfen.

Auch auf den Seen wächst das Eis weiter. Auf der Müritz, dem größten See in Deutschland, sind jetzt Eisstärken zwischen 22 Zentimeter in Waren und 26 Zentimeter in Sietow gemessen worden, sagte der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Waren, Olaf Schatzki. Das 117 Quadratkilometer große Gewässer ist seit rund einem Monat völlig zugefroren. „Wenn die Schneedecke nicht wäre, hätten wir wohl schon 40 Zentimeter dickes Eis“, meinte Schatzki. Unterdessen haben Mitarbeiter der Stadt Waren begonnen, Stege und Anleger mit einer Eiskreissäge freizuschneiden.

Ein Ende des Winters ist vorerst nicht in Sicht. Der Deutsche Wetterdienst sagt aber für den Norden leicht steigende Temperaturen voraus. Am Donnerstag soll es in Hamburg wieder schneien, in Cuxhaven und Bremen wird es glatt.