Einmal Unternehmer sein - das Alstereisvergnügen macht's möglich. Abendblatt-Leser David Pohle erinnert sich:
Als 1996, nach langer Zeit der Eisfreiheit, die Alster wieder zufror und das Eisvergnügen ausgerufen worden war, kam ich morgens um 7 Uhr vor der Behörde an, um mir eine Genehmigung für den Ausschank zu besorgen. Student, der ich war, dachte ich, es sei früh. Doch die Schlange war schon 150 Meter lang. Ich ging um das Haus, kam von der anderen Seite, verwickelte wortgewandt den an Nummer vier Positionierten in ein Gespräch und blieb stehen. Die Tür ging auf, wir bekamen unsere Lizenzen.
Ich lieh mir Geld, kaufte 300 Liter Glühwein, ergänzte ihn um einige Flaschen von Vaters Rotem aus dem Keller - er hat es nie erfahren -, nahm Gaskocher und Mutterns silberne Schöpfkelle.
Ob der Aussicht auf rollenden Rubel war Freund Steve gleich dabei. Unser Stand war zwischen Alter Rabenstraße und Milchstraße, dort wo das Alstervorland am tiefsten ist und die Anfahrt unmöglich. Wie tibetanische Lastmulis schleppten wir, bauten auf, setzten einen Stoffpinguin mit dem selbst gemalten Spruch "Mmmmh, lecker" auf einen Kleiderständer. Nachdem der erste Gaskocher fast durchs Eis geschmolzen wäre, wurden Umzugskartons zur Unterlage. Wir hatten uns ausgebreitet, der behördlichen Kontrolle fröhlich geantwortet, dass die Genehmigung sich auf die Verkaufsfläche beziehe. Das sei der Tisch, und der habe genau einen Quadratmeter. Väterlich-großmütig lächelnd zogen die Kontrolleure ab.
Unser Glühwein kostete 3 Mark, mit Schuss fünf. Dafür hatten wir aber den guten Hansen-Rum. Freitag war gut, Sonnabend super, Sonntag sensationell. Die Schlangen waren bis zu 30 Meter lang. Steve schenkte ein, ich kassierte bis ans Ende der Schlange ab. Danach wurde frisch aufgegossen: eine Flasche von Vaters Wein, Zimtstangen zerbrochen, Apfelsinen großzügig zerschnitten und dann und wann ein ordentlicher Schuss Zucker aus der freien Hand hinein, alles mit der Gestik eines werdenden Glühweinmoguls.
Abends zählten wir unsere Penunzen, tranken zwei, drei Bier und gingen früh zu Bett. Wir waren ja Unternehmer. Jedenfalls für drei Tage, die lang und sehr hart waren. Keine Zigarette zwischendurch, nichts zu essen, Klogänge geschäftsschädigend, Geld immer am Mann. Das Motto: Lieber fallen wir mit Geld in die Alster, als dass unsere Kasse geklaut wird wie an Nachbarständen.
Nie wieder hat ein Job so viel Spaß gemacht. Wir sprachen von Glühweintürmen an der Alster, obendrauf ein sich drehender Pinguin und wir als Glühweinbarone von Hamburg. Nun, es kam anders. Doch in dem Semester mussten wir nicht mehr arbeiten.