Der Beitrag zur Krankenversicherung könnte gesenkt, Zusatzbeiträge sogar vermieden werden. Aber die Kassen warnen davor.

Hamburg/Berlin. Der Wirtschaftsaufschwung füllt auch die Sozialkassen deutlich stärker als gedacht. Nach den überaus guten Zahlen der Techniker Krankenkasse und einer leichten Entwarnung bei der finanziell arg gebeutelten DAK zeichnet sich im umstrittenen Gesundheitsfonds ein Plus ab. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen plädiert nun dafür, bei Überschüssen im Gesundheitsfonds die Beitragszahler zu entlasten. „Denkbar wäre, die Mittel für eine Senkung des allgemeinen Beitragsatzes zu nutzen, oder das Geld direkt den Kassen zu geben, um weitere Zusatzbeiträge zu verhindern“, sagte die Verbandsvorsitzende Doris Pfeiffer der „Saarbrücker Zeitung“. „Der Gesundheitsfonds ist keine Sparkasse.“ Schließlich handele es sich um Beiträge der Versicherten.

Pfeiffer forderte von der Politik eine Entscheidung, wie mit möglichen Überschüssen verfahren werden solle. Bislang sei im Gesetz dazu nichts geregelt. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen erwartet wegen der guten konjunkturellen Entwicklung im laufenden Jahr einen Überschuss im Fonds in Höhe von zwei Milliarden Euro.

Gleichzeitig jedoch warnen die Kassen vor neuen Milliardengeschenken an die Ärzte . Die Regierung plane eine „Gelddruckmaschine“ für Mediziner, kritisierte der Vizechef des Verbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Dadurch könnten die Ärzte unter dem Strich mit Zuwächsen von mindestens 2,4 Milliarden Euro im Jahr 2013 rechnen. Zusammen mit bereits geltenden Regelungen könnten sie sich im Jahr der Bundestagswahl über ein Honorarplus von 2,7 bis 2,8 Milliarden Euro freuen. Als Folge drohten höhere Zusatzbeiträge für die Versicherten. Ein Sprecher von Gesundheitsminister Daniel Bahr sprach von falschen Behauptungen der Kassen.

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Stackelberg bezog sich bei seinen Berechnungen auf einen Entwurf Bahrs für das neue Versorgungsgesetz. Darin sei vorgesehen, dass sich bislang geltende Regelungen zur Mengenbegrenzung nicht mehr auf die Gesamtvergütung niederschlagen sollten. 2,4 Milliarden Euro machen fast 0,25 Beitragssatzpunkte aus. Ab einer gewissen Anzahl erbrachter Leistungen müssen Mediziner schon jetzt Abstaffelungen bei der Vergütung hinnehmen. Die Krankenkassen sparen dadurch bei den Honoraren etwa zehn Prozent ein. Nach den Plänen der Regierung soll es zwar bei dieser Absenkung bleiben. Allerdings solle sich künftig der gesamte Honorartopf des nächsten Jahres an der Menge der im Vorjahr erbrachten Leistungen orientieren und nicht wie bisher an den reduzierten Gesamtkosten, erläuterte Stackelberg. Dies sei ein „Riesentrick“, den sein Verband verhindern wolle.

Ein Ministeriums-Sprecher sagte dagegen, die Versicherten bräuchten sich keine Sorgen zu machen. Durch das Gesetz kämen keine Milliardenbelastungen auf die Kassen zu. Vielmehr solle die medizinische Versorgung durch gezieltes Gegensteuern gegen den regionalen Ärztemangel gesichert werden. Die Vergütungen würden dazu künftig in der Region verhandelt. Es bleibe bei der Begrenzung des Volumens. Auch CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn versicherte, durch die Regionalisierung entstünden keine Mehrkosten. Dem Kassenverband warf er Populismus vor.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärte, für die alternde Bevölkerung werde mehr Geld benötigt. Milliardenschwere Überschüsse des Gesundheitsfonds müssten daher der Versorgung der Menschen zugute kommen, sagte KBV-Chef Andreas Köhler. Nach Angaben des Kassenverbands waren bereits zum Jahresanfang rund zwei Milliarden Euro im Fonds, die nicht für die Rücklage oder für den Sozialausgleich benötigt würden.

Der neu gewählte Präsident der Bundesärztekammer, der Hamburger Frank Ulrich Montgomery , hatte bereits angekündigt, mehr Geld für eine gute medizinische Versorgung fordern zu wollen. Dabei geht es auch um eine bessere Vergütung für Hausärzte. Der Ärztemangel in vielen Regionen müsse ebenfalls effektiv bekämpft werden.

Kassen-Verbandschefin Pfeiffer sagte mit Blick auf Großstädte: „Wir können Unterversorgung nicht wirklich abbauen, ohne die Überversorgung abzubauen.“ Dies geschehe aber den bisherigen Plänen zufolge nicht. Die Mediziner hätten dann weiter die Möglichkeit, in Städte mit vielen Ärzten statt aufs Land zu gehen. Dringend müsse es in den Ballungsräumen Abschläge geben, also Einbußen für die Ärzte. Arztsitze sollten dort nur befristet besetzt werden. „Sonst verpufft das Ganze.“ (abendblatt.de/rtr/dpa)