Krankenkassen brauchen Wettbewerb. Sie sollten mehr direkte Verträge mit Ärzten und Kliniken schließen, so Verbands-Chefin Kathrin Herbst.
Den Krankenkassen drohen massive Probleme. Mehr als 20 gesetzliche Krankenkassen müssen wegen Finanzproblemen sparen oder Zusatzbeiträge erheben. Auch größere Kassen seien unter den Versicherungen mit zu geringer Reserve, sagte ein Sprecher des Bundesversicherungsamts in Berlin. Er bestätigte damit einen Bericht der „Bild“-Zeitung. Die betroffenen Kassen könnten zum Beispiel Personal abbauen oder freiwillige Leistungen abbauen. Als erste Kasse seit dem Start des Fonds muss zum 1. Juli die City BKK schließen.
Hamburg ist Krankenkassen-Hauptstadt
In keiner anderen deutschen Metropole arbeiten so viele Menschen bei einer gesetzlichen Kasse: Mehr als 8000 sind es in der Hansestadt. Einige von ihnen sehen derzeit einer ungewissen Zukunft entgegen; die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der City BKK, die zum 1. Juli vom Bundesversicherungsamt geschlossen werden soll. Was hat zu dieser Misere geführt? Die City BKK weist schon seit Jahren eine Schieflage auf. Als Kasse überschaubarer Größe leidet sie daran, dass ihre Versicherten nahezu ausschließlich in Stadtregionen beheimatet sind. Kein Wunder, ist sie doch aus Fusionen regional geprägter Betriebskrankenkassen in Hamburg, Berlin und Stuttgart entstanden. Städte, die mit Blick auf die Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen zu den teuersten Regionen Deutschlands zählen.
In Ballungsräumen ist die Versorgung generell teurer als auf dem Land. Das liegt nicht nur an höheren Ausgaben für die zum Teil hoch spezialisierten Krankenhäuser, sondern auch an der hohen Dichte an niedergelassenen Fachärzten.
Der Gesundheitsfonds gleicht solche regionalen Mehrbelastungen nicht aus. Große Krankenkassen mit vielen Versicherten sowohl in der Stadt als auch auf dem Land können solche regionalen Ausgabenunterschiede jedoch auffangen. Die City BKK konnte das nicht. Das Fass zum Überlaufen brachte zum Schluss die Erhöhung des Zusatzbeitrages von acht auf 15 Euro im Monat zu Beginn dieses Jahres. Dies hatte zu schmerzhaften Kassenaustritten geführt.
Zum besseren Verständnis: Ein Zusatzbeitrag kann von Krankenkassen seit der Einführung des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 erhoben werden, wenn sie mit den Zuweisungen aus dem Fonds oder aus Rücklagen ihren Finanzbedarf nicht mehr decken können. Der Zusatzbeitrag ist die einzige Möglichkeit für die Kassen nach den Vorgaben des Gesundheitsfonds, die notwendigen Finanzmittel zur Versorgung ihrer Versicherten aufzubringen.
Von der Politik war der Zusatzbeitrag als Anreiz für mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen gedacht. Der Fall der City BKK zeigt, dass Zusatzbeiträge keine positiven Wettbewerbsimpulse auslösen. Im Zweifel werden bestehende Probleme unnötig verschärft. Deshalb ist es höchste Zeit, diese falschen Weichenstellungen zurückzunehmen.
Es bedarf "echter" Reformen - und zwar auf der Seite der Leistungserbringung -, damit die Krankenkassen in einen fairen Wettbewerb um eine bessere Versorgungsqualität treten können. Mit dem Versorgungsgesetz, das aktuell in Berlin vorbereitet wird, will die Bundesregierung besonders die ärztliche Versorgung neu gestalten und dabei auch verstärkt auf eine sektorübergreifende Versorgung durch Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte hinwirken. Diese Absicht ist zu begrüßen. Allerdings wird die politische Diskussion aktuell noch stark von drohenden Versorgungsmängeln im ländlichen Raum bestimmt. Das Beispiel City BKK mahnt, dass auch das Problem der Überversorgung besonders in Ballungsräumen in den Blick genommen werden muss.
Daneben brauchen die Krankenkassen mehr Möglichkeiten, direkt Verträge mit Ärzten und Kliniken zu schließen. Nur so können Anreize geschaffen werden, gezielt Anbieter mit einem guten Verhältnis von Preis und Qualität in die Versorgung zu nehmen. Beispielsweise Kopfschmerz-Patienten zu einem Netzwerk zu "steuern", in dem die stationäre und ambulante Behandlung optimal verzahnt ist, weil Hausarzt, Facharzt und Klinik eng zusammenarbeiten und dadurch bessere Behandlungsergebnisse erzielen. Die Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb ist jedoch Transparenz. Nur wer das Angebot kennt und vergleicht, kann sich für die beste Versorgungsalternative entscheiden. Erste Schritte zu mehr Transparenz gibt es bereits, etwa die Pflicht für Krankenhäuser, alle zwei Jahre einen Qualitätsbericht zu ihren Leistungen zu veröffentlichen. Hier sind noch viele weitere Schritte notwendig. Ohne Transparenz kein Wettbewerb, ohne Wettbewerb keine bessere Versorgung.