Mehr Geld für Landärzte und Maßnahmen gegen Ärztemangel. Hoppe gegen Zuzahlungen bei Extra-Leistungen. Neuer Streit um Hilfe zum Suizid.
Kiel/Hamburg. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat sich gegen die von den Ärzten angestoßene Debatte über Rationierung und Prioritätensetzung in der Medizin gewandt. Die Versorgung mit Medizinern solle so verbessert werden, dass diese Debatte unnötig werde, sagte Bahr auf dem Ärztetag in Kiel. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe fordert seit Langem, die Politik müsse quasi Ranglisten festlegen, welche Behandlungen zuerst gemacht werden, weil nicht mehr alle Therapien durchgeführt werden könnten. Hoppe spricht von einer Rationierung der Medizin, die bereits schleichend eingesetzt habe.
Eine Priorisierung sei „hochgefährlich“, warnte dagegen Eugen Brysch von der Deutschen Hospiz Stiftung in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Sie dürfe nicht den Ärzten überlassen werden. Krankenkassen und Ministerium lehnen eine Patientenversorgung nach Vorranglisten ab. Brysch äußerte die Befürchtung, „auch Vorschläge werden in der Praxis Konsequenzen haben.“
Der neue Gesundheitsminister Bahr sagte, immer mehr Praxen fänden keinen Nachfolger. „Deswegen ist es notwendig, dass wir gegen den drohenden Ärztemangel arbeiten.“ Die Fraktionen der Regierungskoalition hätten deshalb am Vortag den Entwurf zu einem Versorgungsgesetz passieren lassen. Damit sorge die Koalition dafür, „dass in der Fläche in unterversorgten Gebieten und in drohenden unterversorgten Gebieten die finanzielle Abstaffelung, die es bisher gibt, aufgehoben wird“. Hoppe warnte: Bis zum Jahr 2020 müssten 50.000 Ärzte ersetzt werden. Eine ausreichende Zahl an Nachfolgern sehe er nicht.
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Ärzte auf dem Land sollen künftig also auch zusätzliches Geld bekommen, wenn sie eine hohe Zahl von Patienten behandeln. Noch in dieser Legislaturperiode solle es auch eine neue Gebührenordnung für privatärztliche Leistungen geben. Dies hatten die Ärzte vehement gefordert.
Die Ärzte wollen künftig energisch gegen drohenden Medizinermangel und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. „Der Arztberuf hat Zukunft – auch in Deutschland“, sagte der Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holsteins, Franz-Joseph Bartmann. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte: „Schon zur Mitte dieses Jahrzehnts rechnen wir mit drastischen Wiederbesetzungsproblemen in den Hausarztpraxen.“
Der scheidende Ärztepräsident Hoppe hat außerdem seine Berufskollegen aufgefordert, ihren Patienten keine teuren Zusatzleistungen zum Selbstzahlen aufzudrängen. Bei den sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (Igel) dürfe nicht der Eindruck entstehen, es gehe nur um Zusatzeinnahmen für den Arzt, erklärte Hoppe. „Wir sind keine Kaufleute und die Patienten keine Kunden.“ Seine Kollegen mahnte er: „Ziehen Sie den Igeln die Stacheln.“
Hoppe, der nach zwölf Jahren an der Spitze der Ärzteschaft nicht erneut für das Amt kandidiert, lobte die schwarz-gelbe Gesundheitspolitik. Es gebe eine neue Dialogkultur mit dem Bundesgesundheitsministerium. Zuvor hätten die Ärzte jahrelang unter dem Vorwurf der Über-, Unter- und Fehlversorgung gelitten, erklärte Hoppe in seinem Redemanuskript. „Es wurde budgetiert, durchökonomisiert und administriert, weit über die Schmerzgrenzen auch von uns Ärzten hinaus.“
Der Ärztetag wird sich bis Freitag nicht nur mit der Gesundheitspolitik und der Wahl von Hoppes Nachfolger befassen, sondern auch mit den heiklen ethischen Themen Sterbehilfe und Präimplantationsdiagnostik (PID). Hoppe betonte, dass es bei der Hilfe für Sterbende zur Selbsttötung keine Kurskorrektur der Ärzteschaft gebe. „Es muss jetzt für jeden klar sein, dass Ärzte keinen Suizid unterstützen dürfen, denn Töten gehört nicht in das Handwerkszeug von Ärztinnen und Ärzten“, erklärte er.
Verändert hat die Bundesärztekammer ihre Position zur PID – also zu Gentests an Embryonen aus künstlicher Befruchtung. Die Ärzte plädieren nun für eine begrenzte Zulassung. „Ich habe immer wieder gesagt, dass es mir am liebsten wäre, es gebe weder die Pränataldiagnostik, noch die PID“, bekannte Hoppe. „Aber das eine bedingt das andere.“ (dpa/dapd/abendblatt.de)