Die EHEC-Erreger auf den Gurken sind nicht identisch mit den Erregern, die die Patienten haben. Die Zahl der Infizierten in Hamburg steigt weiter.

Hamburg. Der in Hamburg auf spanischen Gurken entdeckte EHEC-Erreger hat offenbar nicht die Erkrankungswelle im Norden ausgelöst. Das habe eine entsprechende Laboruntersuchung bei zwei der vier sichergestellten spanischen Gurken ergeben, sagte die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstag. Es zeigte sich bei den beiden Proben keine Übereinstimmung mit dem Erreger des Typs O104, die aus den Stuhlproben der Patienten isoliert wurden. Zwar sei auf den Gurken EHEC-Erreger nachgewiesen worden, allerdings nicht der Stamm, der die Erkrankungen ausgelöst habe. „Nach wie vor ist die Quelle nicht identifiziert.“ Die Ergebnisse zweier weiterer Proben lägen noch nicht vor.

Weiterhin gilt die Warnung des Robert-Koch-Instituts: Tomaten, Salatgurken und Blattsalate sollten im Moment nicht roh verzehrt werden. Eine epidemiologische Studie hat gezeigt, dass betroffene Patienten die genannten Lebensmittel signifikant häufiger verzehrt hatten als gesunde Studienteilnehmer. Es steht aber noch nicht abschließend fest, ob eines oder mehrere dieser drei Lebensmittel mit dem Ausbruchsgeschehen tatsächlich in Zusammenhang stehen.

Im Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt werden weiter intensiv auch andere Lebensmittel untersucht. Die Proben werden von den Verbraucherschutzämtern der Bezirke aus Restaurants, großen Handelsketten und Märkten im ganzen Stadtgebiet sowie aus den Haushalten der Patienten entnommen.

Sowohl die Zahl der EHEC-Infizierten als auch die Zahl der HUS-Fälle ist am Dienstag in der Hansestadt erneut gestiegen. „Die Aussage, der Höhepunkt sei überschritten, kann nicht getan werden“, so Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Erst gestern hatte UKE-Chef Prof. Jörg Debatin verkündet, die Zahl der EHEC-Neuerkrankungen sei gesunken.

In Hamburg wurden bisher 569 EHEC-Fälle oder -Verdachtsfälle gemeldet, 110 dieser Infizierten werden stationär in Hamburger Krankenhäusern wegen der schweren Komplikation Hämolytisch-Urämisches Syndrom (HUS) behandelt. Weiterhin sind Frauen mit 82 Fällen überproportional vertreten.

Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu EHEC:

Bei welchen Symptomen muss ich an eine EHEC-Infektion denken?

"Bei EHEC handelt sich um eine ernste Erkrankung, und deswegen sollten alle, die an blutigen, wässrigen Durchfällen leiden, umgehend einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen", sagt Rico Schmidt, Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde.

Weitere Symptome sind Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Im Durchschnitt dauert es drei bis vier Tage von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung. Eine umgehende Behandlung ist wichtig, weil es zu einer schweren Komplikation kommen kann, dem sogenannten Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Es tritt im Durchschnitt fünf bis zwölf Tage nach Beginn des Durchfalls auf. Dabei kommt es zu akutem Nierenversagen, Hirn-Komplikationen, einer Blutarmut und Gerinnungsstörungen. HUS entwickelt sich bei fünf bis zehn Prozent der EHEC-Infizierten und führt in fünf Prozent dieser Fälle zum Tode.

Wie wird die Krankheit übertragen?

Der Erreger befindet sich im Kot von Nutztieren. Die Infektion kann beim direkten Kontakt mit Tieren aber auch beim Verzehr verseuchter Lebensmittel - zum Beispiel Rindfleisch oder Rohmilch - übertragen werden. Eine Infektion ist auch über rohes ungewaschenes Gemüse möglich. Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt direkt über Berührungen oder indirekt über den Kontakt mit verseuchten Flächen, zum Beispiel Türklinken.

Ist die Infektionsquelle bekannt?

Bislang noch nicht. Das bundesweit zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin vermutet Gemüse oder andere Lebensmittel, die normalerweise nicht gekocht werden, als Ursache für die Ansteckungen. Eine ähnliche Meinung hat Dr. Susanne Huggett, leitende Ärztin sowohl des Asklepios-Bereichs Hygiene als auch des Asklepios-Laborbetriebs "Medilys" in Hamburg. Für sie spricht manches für Nahrungsmittel als Übertragungsquelle: "Im Rahmen der aktuellen Bio- und Öko-Wellen spielen Rohprodukte eine große Rolle. Und dass nach wie vor hauptsächlich Frauen Speisen zubereiten, könnte erklären, warum die meisten EHEC-Patienten weiblich sind."

Wie kann man sich schützen?

Jeder sollte auf gründliches und häufiges Händewaschen mit Seife achten, und zwar mindestens nach jedem Toilettengang und jedem Berührungskontakt mit einer Fläche, die auch andere Menschen berührten, empfiehlt Dr. Susanne Huggett. Auch Obst und Gemüse sollten vor dem Verzehr gründlich gewaschen werden, sagt Rico Schmidt. Das RKI empfiehlt, auch bei der Zubereitung von Gemüse auf gute Küchenhygiene zu achten sowie Bretter und Messer gründlich zu reinigen. Speisen sollten gut durchgegart werden, also zehn Minuten lang mindestens eine Kerntemperatur von 70 Grad haben.

Zudem sollten Eltern darauf achten, dass Kinder sich nach Kontakt mit Erde oder Tieren nicht die Finger in den Mund stecken, sondern die Hände gründlich mit Wasser und Seife reinigen. Speisen sollten nur außerhalb von Tiergehegen verzehrt werden.

Wie wird die Infektion behandelt?

In der Therapie würden vor allem die Symptome behandelt, zum Beispiel durch Mittel gegen den Durchfall, sagt Dr. Susanne Huggett. Die in den Hamburger Asklepios-Kliniken untergebrachten Patienten würden alle isoliert: "Alle tatsächlich oder womöglich mit EHEC infizierten Patienten liegen bei uns in einem Einzelzimmer oder in einem Zimmer mit einem weiteren EHEC-Patienten; im letzteren Fall spricht man von einer Kohorten-Isolierung." Diese Isolier-Zimmer seien häufig durch Schleusen vom Rest der Krankenhausstation abgegrenzt. Besuch dürften die EHEC-Patienten bekommen. "Jedoch", sagt Huggett, "sollten Risikogruppen-Angehörige wie kleine Kinder, Schwangere und Alte nicht dazu gehören - zu ihrem eigenen Schutz."

Bei Erwachsenen werde zur Behandlung auch die Plasmapherese eingesetzt, sagt Dr. Jan Kielstein von der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie entferne schädliche Eiweiße aus dem Blut, indem das Blutplasma entfernt und durch Spenderplasma ersetzt werde. Die bis zu zweieinhalbstündige Plasmapherese müsse mehrmals wiederholt werden. Das sei auch einer der Gründe, warum ein Teil der Patienten auf Intensivstationen behandelt werde.

Wie häufig sind EHEC-Infektionen?

EHEC-Keime treten in Deutschland immer wieder auf. Das Robert-Koch-Institut hat seit Einführung der Meldepflicht 2001 bundesweit jährlich zwischen 800 und 1200 EHEC-Erkrankungen registriert, die aber oft einen leichteren Verlauf nahmen. Pro Jahr werden bundesweit um die 60 Fälle des HU-Syndroms gemeldet.