13 Lebens- und Wirtschaftsbereiche besonders betroffen. An Nord- und Ostsee steigt die Gefahr von Sturmfluten.
Berlin/Hamburg. Elbstrand unter Palmen, Weinanbau am Süllberg - dieses Bild mag Optimisten durch den Kopf gehen, wenn sie an die Klimaerwärmung denken. Doch Experten warnen, dass der Wandel auch in Deutschland vor allem Risiken birgt. Mit diesen angemessen umzugehen, ist das Anliegen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, die das Bundeskabinett gestern beschloss.
Die Strategie fasst regierungsamtlich das bundesdeutsche Wissen um wahrscheinliche Klimafolgen zusammen. Sie soll Grundstein eines Prozesses sein, der das Land fit für Veränderungen macht. Das jetzt beschlossene, 80 Seiten starke Papier beschreibt für 13 Lebens-, Umwelt- und Wirtschaftsbereiche die Klimarisiken, die sich bei einem moderaten Temperaturanstieg von global plus zwei Grad bis zum Jahr 2100 ergeben würden.
Schon jetzt breiten sich wärmeliebende Infektionserreger aus, die die Gesundheitder Bevölkerung zusätzlich gefährden. So tragen Zecken die Erreger der FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis, Hirnentzündung) und der Borreliose nordwärts. Vom milderen Klima profitiert auch die Asiatische Tigermücke, Überträgerin von Dengue-Fieber.
Weltklima: Temperaturanstieg von 1975 bis 2085
"Wir haben gut funktionierende Referenzlabore, um neue Infektionen nachzuweisen", sagt Klaus Theo Schröder, Staatsrat im Bundesgesundheitsministerium. "Aber deutschlandweit müssen wir die Ärzte schulen, damit sie solche neuartigen Infektionen überhaupt in Betracht ziehen." Zudem beklagt Schröder die Impfmüdigkeit der Deutschen.
Allergiker könnten vermehrt unter Pollenflug leiden, weil sich die Vegetationszeit vieler Pflanzen verlängert. Kinder, alte und kranke Menschen reagieren besonders empfindlich auf Hitzewellen, die häufiger und intensiver auftreten werden. Auch deshalb sollten die Gebäude der Zukunft gut isoliert sein - sie halten nicht nur im Winter die Wärme in den Räumen, sondern schirmen auch im Sommer die Hitze ab.
Die ärgsten Klimafolgen sieht das Papier beim Wasserhaushalt. An den Küsten steigt die Sturmflutgefahr, deutschlandweit ist mit vermehrtem Starkregen zu rechnen, der vorhandene Sielnetze überfordert, schlimmstenfalls Industrie- und Kläranlagen überflutet, Öltanks aufschwimmen und Berghänge abrutschen lässt.
Andererseits setzen trockene, heiße Sommer der Landwirtschaft zu. Besonders betroffen ist hier der Nordosten Deutschlands. Aber er könnte woanders profitieren - in Mecklenburg-Vorpommern gibt es schon heute Weinbau, der möglicherweise eine große Zukunft hat.
Nach Norden orientieren sich womöglich auch vermehrt Touristen, denn die Mittelmeerregion, die alljährlich den weltweit größten Urlauberstrom anzieht, wird allmählich unangenehm heiß. Davon könnten Nord- und Ostseeküste profitieren. Im Gegenzug werden zwar viele Wintersportorte mangels Schnee nicht überleben (in den Alpen gelten nur noch Höhen oberhalb von 1500 Meter als schneesicher). Aber unter dem Strich wird "Deutschland als Reiseland attraktiver", prognostiziert das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Und das auch ohne Palmenstrand an der Elbe.