Valencia/Potsdam. "Die Botschaft ist eindeutig, wenn die Weltgemeinschaft bis 2015 keine Trendwende durchgesetzt hat, dann sind viele Prozesse nicht mehr zu stoppen", sagte der Parlamentarische Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) dem Abendblatt kurz vor seiner Abreise aus Valencia. Gelänge die Trendwende nicht, dann bliebe oft nur noch die - kostspielige - Anpassung an den rasanten Klimawandel. "Wir stehen in der Geschichte an einem Punkt, an dem als Antwort auf die immense Bedrohung unseres Planeten ein großer Wandel notwendig ist. Unsere Industriegesellschaft muss beschleunigt auf kohlenstofffreies Wirtschaften umgestellt werden", fordert der renommierte Klimaforscher, Professor Hans Joachim Schellnhuber im Gespräch mit dem Abendblatt. Der Chef der Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK) ist Klima-Chefberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatten die Regierungsdelegationen von 145 Uno-Staaten im spanischen Valencia an jedem Wort, an jedem Satz der Zusammenfassung des vierten Sachstandsberichtes des Weltklimarates gefeilt. Erst um 7.30 Uhr am Freitagmorgen war die Arbeit an dem 20 Seiten Papier getan. Am späten Freitag Nachmittag wurde das Dokument endgültig beschlossen. Doch erst am Sonnabend um 11 Uhr wird es durch den Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon und den Vorsitzenden des Weltklimarates, Rajendra Pachauri, der Öffentlichkeit präsentiert.
"Die Verantwortung der Politiker ist durch diesen Bericht ungleich größer geworden. Es gibt keine Ausflüchte mehr", unterstreicht Michael Müller. Die Daten des Weltklimarats liefern die wissenschaftlichen Grundlagen für die Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen des Klimaschutzprotokolls von Kyoto, die am 3. Dezember auf der indonesischen Insel Bali beginnen. In dem Protokoll, das 2012 ausläuft, hatte sich die Staatengemeinschaft erstmals auf verbindliche Handlungsziele und Umsetzungsinstrumente für den globalen Klimaschutz geeinigt.
"Bali muss eine klare Nachfolgeregelung vorlegen, wie die unumgängliche Energiewende weltweit herbeigeführt werden kann", betont Hans Joachim Schellnhuber und ergänzt: "Alles andere wäre ein grandioses Scheitern." Schließlich habe der Weltklimarat auf alle entscheidenden Fragen eine eindeutige Antwort geliefert. "Die Frage, ob es einen Klimawandel gibt, und dieser vom Menschen gemacht ist, ist mit Ja beantwortet. Die Frage, ob ein ungebremster Klimawandel massive Schäden für Leib und Leben, für Kultur und Natur bringt, ist ebenfalls mit Ja beantwortet. Wir wissen zudem, dass es nicht wahnsinnig viel kostet, den Klimawandel zu begrenzen und dass wir schnell handeln müssen", sagt Schellnhuber und fügt hinzu: "Das Zeitfenster schließt sich."
Zwar dürfe der Weltklimarat keine politischen Empfehlungen geben, aber diese Fakten könne kein Politiker, kein Staat leugnen. "Wenn Bali trotzdem scheitert, steht mehr auf dem Spiel, als die Klimazukunft der Erde", warnt Schellnhuber. Dann stelle sich grundsätzlich die Frage, ob die internationale Staatengemeinschaft überhaupt globale Herausforderungen gemeinsam bewältigen könne.
Bereits im Oktober hatten sich 15 Nobelpreisträger und 30 namhafte Wissenschaftler mit dem "Potsdam Memorandum" an die Teilnehmer der Klimakonferenz gewandt und gefordert, eine "große Transformation" einzuleiten. Am 12. Dezember wird Prof. Schellnhuber das Memorandum den Konferenzteilnehmern auf Bali direkt präsentieren.