„Wir sind nach knapp zwei Jahren aus der Rolle in der Führung der europäischen Willensbildung an den Rand geraten“, so der SPD-Fraktionschef.

Berlin. Harte Kritik an Schwarz-Gelb: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat der Bundesregierung erneut vorgeworfen, die deutsche Führungsposition in Europa verloren zu haben. „Wir sind nach knapp zwei Jahren aus der Rolle in der Führung der europäischen Willensbildung an den Rand geraten“, sagte Steinmeier am Freitag im Bundestag. Die kleinen Staaten in Europa seien darüber irritiert, die großen gestalteten an Deutschland vorbei.

Steinmeier sicherte der Bundesregierung zu, die SPD wolle bei der Lösung der Griechenland-Krise Verantwortung übernehmen. Dazu sei aber mehr Offenheit der Bundesregierung gegenüber der Opposition nötig. „Verantwortung geht nur mit Transparenz.“ Er hielt der Regierung vor, dass sie in der Euro-Krise wiederholt ihre Positionen habe korrigieren müssen und damit eine Vorreiterrolle eingebüßt habe.

Steinmeier rief die Regierung auf, die Bürger bei ihren Entscheidungen mitzunehmen. Entscheidungen in Europa dürften beim Bürger nicht „als seelenlose Technokratie“ ankommen, sagte der SPD-Fraktionschef in der Aussprache über die Regierungserklärung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) über die Stabilität des Euro-Raums und die Krise in Griechenland. Über Europa mit „gespaltener Zunge“ zu reden, koste Glaubwürdigkeit beim Bürger, sagte er auch an die Adresse von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Steinmeier verlangte, dass die Kosten der Krise gerecht verteilt werden. In diesem Zusammenhang sprach er sich für eine Finanzmarkttransaktionssteuer aus, die auch zur Finanzierung der Krise herangezogen werde solle. Grundsätzlich plädierte er unter anderem für eine Harmonisierung der Steuern sowie für differenzierte Mindestlöhne in Europa.

Schäuble will weiteres Hilfspaket für Griechenland

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor dem Bundestag eindringlich für ein weiteres Milliarden-Hilfspaket für das von der Pleite bedrohte Griechenland geworben. „Die Lage in Griechenland und damit in Europa ist ernst“, sagte Schäuble am Freitag in einer Regierungserklärung im Parlament.

Für die nächste Hilfszahlung an Athen von 12 Milliarden Euro im Juli müsse noch eine Finanzierungslücke geschlossen werden. Ohne die Auszahlung dieser nächsten Tranche bestehe die akute Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit mit schwerwiegenden Folgen sowie globalen Risiken durch eine Ansteckungsgefahr. Um die Juli-Tranche aber auszahlen zu können, seien weitere Hilfen und ein zusätzliches Anpassungsprogramm nötig. Den Umfang eines zweites Rettungspakets ließ Schäuble offen. Er verwies darauf, dass auch Athen weitere Anstrengungen unternehme.

Anschließend wollte der Bundestag über einen gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen zu weiteren Griechenland-Hilfen abstimmen. Union und FDP tragen den Kurs der Regierung zwar mehrheitlich mit. Sie knüpfen ihre Zustimmung aber an Bedingungen wie die Einbindung privater Geldgeber in ein zweites Hilfspaket. Auch fordern sie von Athen einen strikten Privatisierungskurs und verstärkte Reformbemühungen.

Trotz Gegenstimmen wird eine Mehrheit der schwarz-gelben Koalition für den Griechenland-Kurs erwartet. Bei einer Abstimmung zuvor gab es in beiden Fraktionen neun Gegenstimmen.

(dpa)