Die EU einigt sich auf eine Kombinationshilfe für Griechenland. Die Kanzlerin war isoliert, nun helfen der IWF und ein Paket aus Brüssel.
Brüssel. Wochenlang musste sich die Bundeskanzlerin anhören lassen, sie torpediere aus Rücksicht auf die deutschen Wähler die europäische Solidarität. Doch am Ende hat sich Angela Merkel mit ihrem harten Kurs gegenüber Griechenland durchgesetzt. Die 16 Staats- und Regierungschefs der Eurozone stimmten gestern Abend der Lösung zu, auf die sich Merkel mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy geeinigt hatte.
Darin sagen die Euroländer zu, Griechenland im Notfall gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vor dem Absturz zu bewahren. Die prinzipielle Garantie soll an den Finanzmärkten die Spekulationen auf die Pleite Griechenlands stoppen und dem Staat so wieder Luft verschaffen.
"Der Rettungsplan ist sehr befriedigend", sagte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Wirklich fließen würde die Hilfe nur als allerletztes Mittel, wenn sich Griechenland auf den Kapitalmärkten nicht mehr refinanzieren könnte und dadurch der Euro als stabile Währung in Gefahr geraten würde.
Nach unbestätigten Angaben aus Diplomatenkreisen könnte Griechenland im Falle einer Zahlungsunfähigkeit Kredite von bis zu 22 Milliarden Euro erhalten. Die Beiträge der einzelnen Euro-Staaten sollen sich nach dem Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank richten, auf Deutschland entfiele demnach ein Anteil von 19 Prozent.
Die Gewährung dieser Kredite ist aber nur als allerletztes Mittel, als "Ultima Ratio" zulässig und muss von allen 16 Staaten der Eurozone einstimmig genehmigt werden. Merkel könnte im Fall der Fälle also immer noch ein Veto einlegen. Der Rückgriff auf das Hilfspaket würde Athen teuer zu stehen kommen: Für die Kredite seiner Partnerstaaten müsste Griechenland Zinsen zahlen, deren Höhe sich am Markt orientieren soll. Auch Merkels Forderung nach schärferen Sanktionen für notorische Schuldenmacher wurde festgeschrieben.
Allen Beteiligten beim Brüsseler Gipfel ist jetzt klar: Das ist eine Zeitenwende. In Europa weht ein neuer Wind. Jahrzehntelang war Deutschland der europäische Zahlmeister. Wenn Brüssel einen Kompromiss suchte, machte Berlin die Schatulle auf. Das wusste jeder - darum spielten alle so gerne. Die EU-Partner nannten das Spiel genüsslich "europäische Solidarität".
Dieses Spiel ist aus. "Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft", sagte Merkel gestern vor ihrer Abreise nach Brüssel in einer Regierungserklärung im Bundestag. "Das größte EU-Land darf seine Innenpolitik nicht zur europäischen Politik machen", schmetterte ihr Luxemburgs Außenminister erbost entgegen. "Es gibt keine Stabilität ohne Solidarität", knurrte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.
Die Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission, Viviane Reding, hat Merkel in einem persönlichen Appell zur Solidarität mit Griechenland aufgerufen. "Angela, ein bisschen Mut", ermunterte die Luxemburger Christdemokratin die Kanzlerin im belgischen Radiosender Bel-RTL. Die für Justiz und Bürgerrechte zuständige Kommissarin warnte vor dramatischen Folgen, wenn sich Merkel weiter gegen europäische Finanzhilfen sperre: "Griechenland kann der Beginn eines Tsunamis sein", sagte Reding unter Verweis auf die hohen Schulden von Ländern wie Portugal oder Spanien.
Merkel durchkreuzte die Pläne ihrer Kollegen und lenkte den Zug, der seit Wochen mit Milliarden-Hilfsangeboten für Griechenland durch Europa raste, in eine neue Richtung: Statt schneller EU-Hilfen wird es nun also eine "Kombination" aus bilateralen freiwilligen Hilfen von EU-Partnern und Unterstützung vom IWF geben. Lange wehrten sich viele Europäer gegen den Währungsfonds aus Washington, weil dies ein "Eingeständnis der Schwäche Europas" wäre. Aber es ist der bessere Weg. Die Europäer sind schwach, weil sie Griechenlands Rekordverschuldung tatenlos zugesehen haben. Der Stabilitätspakt der EU hat versagt, weil sich die Kumpane aus der Euro-Gruppe nicht gegenseitig wehtun wollten. Der IWF würde, falls er benötigt wird, viel mehr Härte zeigen. Aber bis jetzt hat Griechenland noch nicht um Geld ersucht.