Die Kundus-Affäre schlägt immer höhere Wellen: Der Verteidigungsminister attackiert seine Kritiker. Hat die SPD zu früh geschrien?
Hamburg. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) schießt verbal zurück: Der Verteidigungsminister wirft seinen Kritikern aus der Opposition vor, die Details des umstrittenen Luftangriffs von Kundus schon lange zu kennen. Seit Anfang November seien sie darüber informiert, dass auch die Taliban Ziel des Bombardements vom 4. September gewesen seien, sagte Guttenberg vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. „Was den Vorwurf der Täuschung und der Lüge in meiner Amtszeit betrifft, kann ich nur sagen, dass sich Herr Gabriel und Herr Trittin hüten müssen, sich nicht selbst dem Vorwurf der Täuschung auszusetzen“, sagte Guttenberg an die Adresse von SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin gewandt.
Der ISAF-Untersuchungsbericht für die NATO liege seit 3. November vor. „Sogar in deutscher Übersetzung“, berichtete Guttenberg. Die Oppositionsfraktionen seien am 6. November unterrichtet worden. „Auch die Taliban, auch die Lastwagen waren ein Ziel. ... Darauf wurde die Opposition bereits hingewiesen.“ Auch der entlassene Bundeswehrgeneralinspekteur Wolfgang Schneiderhan habe sich inzwischen zur Klarstellung genötigt gesehen, dass ihm - Guttenberg - Dokumente über den Angriff vorenthalten worden seien. „Ich habe das schriftlich von ihm, dass mir Dokumente vorenthalten wurden“, sagte der Minister.
Bei dem Luftangriff auf die von Taliban entführten Tanklaster wurden am 4. September bis zu 142 Menschen getötet. Es zeichnet sich immer mehr ab, dass das Ziel des von dem deutschen Oberst Georg Klein angeordneten Bombardements neben den Lastwagen auch die bewusste Tötung von Taliban-Führern war. Die Opposition wirft Guttenberg vor, die Öffentlichkeit über die Umstände des Luftschlags getäuscht zu haben. So habe die Spitze der Verteidigungsministeriums seit langem gewusst, dass das eigentliche Ziel des Angriffs eine Gruppe von Taliban gewesen sei. Trotzdem habe sie an der Darstellung festgehalten, es sei lediglich um die Zerstörung von zwei entführten Tanklastern gegangen. Nachdem Guttenberg den Angriff anfangs als militärisch angemessen bezeichnet hatte, revidierte er dies später mit der Begründung, ihm seien Berichte vorenthalten worden. Daraufhin mussten Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert gehen. Mehrere Medien berichteten hingegen, beide hätten den Minister korrekt informiert.
Nach der SPD hatten auch die Grünen Guttenberg wegen der Vorgänge bei Kundus den Rücktritt nahegelet. Fraktionschef Trittin sagte im ZDF-Morgenmagazin, Guttenberg habe seiner Ansicht nach „wissentlich die Unwahrheit gesagt“. Sollten der inzwischen entlassene Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Wichert im Untersuchungsausschuss bei ihren Darstellungen bleiben, „ist der Verteidigungsminister nicht mehr zu halten“, sagte Trittin. Nach Angaben von Schneiderhan wurden alle maßgeblichen Informationen zu dem Bombardement in dem sogenannten COMISAF-Bericht verarbeitet, der Guttenberg bei seinem Amtsantritt vorgelegen habe. Trittin sagte, in dem Bericht sei an mehreren Stellen aufgelistet, dass bei dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff elementare ISAF-Regeln verletzt worden seien. Guttenberg sei in seiner Erklärung vom 6. November dennoch zu dem Ergebnis gekommen, das Bombardement sei angemessen gewesen. Zur bisherigen Zurückhaltung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Debatte sagte Trittin, er habe den „Verdacht“, dass sich die Bundesregierung im Juli auf eine neue Strategie zu Afghanistan verständigt habe. Er erwarte, dass Merkel den Bundestag darüber informiert, ob zu dieser Strategie auch das gezielte oder vorbeugende Töten von Verdächtigen gehöre. Das sei aber nicht durch das bestehende Mandat gedeckt.
CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder hat die Kritik an Guttenberg als voreilig zurückgewiesen. Es müsse jetzt darum gehen, sofort nach dem Jahreswechsel alle offenen Fragen zur Kundus-Affäre im neuen Untersuchungsausschuss zu klären. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagte Kauder. Die CDU/CSU-Fraktion werde zudem noch für diese Woche im Bundestag eine Aktuelle Stunde beantragen. Der Opposition warf Kauder Vorverurteilungen vor. „Ich finde es schon eigenartig für eine Opposition, bevor der Untersuchungsausschuss seine erste Sitzung hat, (...) schon zu einer Wertung kommen zu wollen. Das ist keine besondere Seriosität“. Kauder vermied in seiner Erklärung allerdings eine klare Rückendeckung für Guttenberg. CSU-Chef Horst Seehofer sprach Guttenberg in der CSU-Vorstandssitzung hingegen sein „uneingeschränktes Vertrauen“ aus.