Die Nato-Untersuchung des folgenschweren Luftangriffs auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan in der Nacht zum 4. September weist nach einem “Spiegel“-Bericht auf klare Fehler in der deutschen Operationsführung hin.
Berlin. Die Deutschen hätten ihre Forderung nach Luftunterstützung mit Feindberührung begründet, obwohl sich keine Soldaten der Nato-Truppe Isaf in der Nähe der Tanklaster aufhielten, berichtete der "Spiegel" am Wochenende unter Berufung auf den geheimen Untersuchungsbericht. Der deutsche Kommandeur des Feldlagers Kundus, Oberst Georg Klein, habe es auch abgelehnt, die US-Kampfflugzeuge vor Ort zunächst im Tiefflug über die Tanklaster fliegen zu lassen.
Zudem sei es wegen der unübersichtlichen Lage möglicherweise nicht ausreichend gewesen, sich auf eine einzige menschliche Quelle und die Live-Bilder der Luftunterstützung zu verlassen, berichtete das Magazin. In dem Nato-Bericht werde allerdings auch auf mehreren Seiten die militärisch angespannte Lage in Kundus vor dem Luftangriff geschildert. "Der Bericht liefert Argumente für die Verurteilung von Oberst Klein genauso wie zu seiner Entschuldigung", zitierte der "Spiegel" einen Kenner des Reports.
Die Bundesregierung habe die Nato zuvor gedrängt, sich in dem Untersuchungsbericht mit einer Beurteilung zurückzuhalten. Am 15. Oktober hätten Vertreter der Bundesregierung dem Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Admiral James Stavridis, bei seinem Besuch in Berlin zu verstehen gegeben, dass eine deutliche Verurteilung Kleins durch die Nato in Deutschland zu juristischen Problemen führen könnte. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden prüft derzeit die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Weder das Verteidigungsministerium noch Isaf-Kommandeur Stanley McChrystal wollten sich zu dem "Spiegel"-Bericht äußern.
Die Bundeswehr-Führung sieht das deutsche Militär durch den Nato-Bericht entlastet. Klein habe in einer schwierigen Lage militärisch angemessen gehandelt, hatte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan am Donnerstag in Berlin erklärt. Klein war in die Kritik geraten, nachdem er den Luftangriff auf die beiden von Taliban entführten Tanklaster angeordnet hatte. Nach einer Untersuchung der afghanischen Regierung kamen dabei neben 69 Taliban auch 30 Zivilisten ums Leben, die Benzin aus den Tanks zapften.
Die Oppositionsparteien SPD und Grüne fordern eine schnelle Einsicht in den Nato-Bericht. Grünen-Fraktions-chef Jürgen Trittin sagte dem "Tagesspiegel", das Parlament müsse ohne Verzögerung unterrichtet werden. Auch der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels verlangte, den Originalbericht unverzüglich und vollständig vorzulegen.