Die Opposition wirft der Union und FDP Rechtsbruch vor. Der Streit entfacht sich vor allem um die Reihenfolge der Zeugenvernehmungen.
Berlin. Im Kundus-Untersuchungsausschuss ist ein heftiger Streit über die weitere Zeugenvernehmung ausgebrochen. Vertreter der Opposition warfen Union und FDP in Berlin Rechtsbruch vor und drohten mit einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Grüne, SPD und Linke wollen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) möglichst schnell anhören und sehen sich darin durch die Regierung blockiert. Guttenberg soll zusammen mit seinem Vorgänger Franz Josef Jung erst am 25. März vor den Ausschuss treten.
Die Opposition pocht bei dem Streit darauf, dass bei einer Uneinigkeit über die Reihenfolge der nächsten Zeugen das Reißverschlussverfahren gilt, also jede Seite jeweils einen Zeugen vorladen darf. Schwarz-Gelb verwies hingegen unter anderem auf den Untersuchungsauftrag. Dieser könne nur erfüllt werden, wenn zunächst maßgebliche Mitarbeiter gehört würden. Union und FDP wollen deshalb zunächst am 18. März den ehemaligen Staatssekretär Peter Wichert und Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hören, die beide wegen der Kundus-Affäre ihre Ämter niederlegen mussten.
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sprach von einem „intensiven Konflikt“ mit den Koalitionsparteien. Die Regierung verletze massiv parlamentarische Rechte und habe offenbar Angst, dass Guttenberg gehört werde, bevor seine ehemaligen Mitarbeiter gehört worden seien.
Für die Linkspartei erklärte der Abgeordnete Jan van Aken, die Regierung sei ganz offensichtlich nervös. Alle Rechtsgutachten bestätigten, dass ein Reißverschlussverfahren gängige Praxis sei.
Grünen-Obmann Omid Nouripour sagte, Guttenberg dringe öffentlich auf schnelle Aufklärung. In diesem Punkt sei er nach den aktuellen Vorgängen aber nicht mehr glaubwürdig.
In der Sache noch nicht viel weiter
Durch den Streit über Formalien kam der Ausschuss in der Sache nicht wesentlich weiter. Erst einer von fünf Zeugen konnte bis zum Abend vernommen werden. Über die Aussage wurden keine Angaben gemacht, der Untersuchungsausschuss tagt geheim.
Nach Informationen von „Stuttgarter Nachrichten“ und „Kölnischer Rundschau“ (Freitagausgabe) sollen das Kommando Spezialkräfte (KSK), der Bundesnachrichtendienst (BND) und US-Spezialkräfte den verantwortlichen Oberst Georg Klein zu dem tödlichen Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster gedrängt haben, bei dem am 4. September bis zu 142 Menschen getötet wurden, unter ihnen zahlreiche Zivilisten.
Demnach befanden sich in der Nacht zum 4. September bis zu sechs Beteiligte mehr als sonst üblich im Leitstand der sogenannten Task Force 47, von dem aus Klein den Einsatzbefehl gab. Der Deutsche will diese Personen nach eigenem Bekunden nicht gekannt haben; es soll sich aber um Amerikaner und um BND-Mitarbeiter gehandelt haben.
Grünen-Obmann Nouripour schloss nicht aus, dass sich die Opposition auf eine Ausweitung des Untersuchungsauftrages verständigen könnte. Der Abgeordnete erhob außerdem schwere Vorwürfe: Die Original-Berichte über das Bombardement weichen demnach in „substanziellen Punkten“ erheblich von der deutschen Übersetzung ab. Teilweise seien wechselseitig Fakten weggelassen oder ergänzt worden. Außerdem habe der Ausschuss bisher nur sechs Aktenordner mit Material bekommen. Er habe Guttenberg die Missstände in einem Brief mitgeteilt, sagte Nouripour.