Der Minister will erst Gewissheit haben, wie viele unbeteiligte Opfer des Luftangriffs es wirklich gab. Davon hänge die Höhe der Entschädigung ab.
Berlin. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will vor einer Entschädigung der zivilen Opfer des Luftangriffs von Kundus genaue Angaben über die Betroffenen. „Ich glaube, dass wir zunächst einmal Gewissheit brauchen, wie viele unbeteiligte Opfer es tatsächlich gab“, sagte der CSU-Politiker am Dienstag in Berlin. Von der Zahl der Opfer hänge auch die Höhe der Entschädigung ab. Unterdessen ereignete sich bei Kundus ein neuer Zwischenfall mit Zivilisten. Ein Afghane warf den deutschen Soldaten vor, sie hätten am Dienstag seine Frau und Tochter an einem Checkpoint versehentlich angeschossen.
Zur Entschädigung der Opfer des Luftangriffs von Kundus sei rasche und unbürokratische Hilfe nötig, sagte Guttenberg. Den Opfern und ihren Hinterbliebenen könne nicht zugemutet werden, auf den Ausgang langwieriger Gerichtsverfahren zu warten. Jedoch müsse auch geklärt werden, ob es sich bei den Toten jeweils um unbeteiligte Opfer oder Taliban handle. Davon hänge die Höhe der Zahlungen ab. Die Zahlen, die derzeit herumschwirrten, könne er nicht bestätigen. Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ hatte berichtet, das Ministerium plane drei Millionen Euro ein.
Die Bundesregierung hat schon mehrmals zivile Opfer des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr entschädigt. Im August 2008 etwa hatte ein deutscher Soldat an einem Kontrollposten bei Kundus auf ein verdächtiges Fahrzeug gefeuert und dabei eine Frau und zwei Kinder getötet. Deren Familie erhielt über einen paschtunischen Vermittler 20.000 Dollar. Die afghanische Regierung hat den Opfern des Luftangriffs, den die Bundeswehr Anfang September angefordert hatte, bereits Entschädigungen gezahlt: 2000 Dollar für Tote, 1000 Dollar für Verletzte.
Unklar ist, wie viele Menschen bei dem Beschuss zweier gestohlener Tanklaster umkamen. Eine Untersuchung der afghanischen Regierung ergab, dass 59 Taliban und 30 Zivilisten starben. Ein geheimer Nato-Bericht geht von insgesamt bis zu 142 Toten aus.
Die Bundeswehr prüft unterdessen Vorwürfe, wonach deutsche Soldaten an einem Kontrollposten bei Kundus zwei Zivilisten angeschossen und leicht verletzt haben sollen. Die Soldaten hätten einen verdächtigen Motorradfahrer mit einem Warnschuss in den Boden gestoppt, hieß es in einer Unterrichtung des Parlaments durch das Verteidigungsministerium. Später habe sich ein Afghane gemeldet und erklärt, seine Frau und Tochter seien durch einen Querschläger verletzt worden. Die Familie habe an dem Bundeswehr-Kontrollpunkt gewartet. Im Osten des Landes töteten afghanische Soldaten zwei Teilnehmer einer Demonstration und verletzten einen weiteren. Die Soldaten feuerten nach Angaben der Behörden in die Menge, die gegen zivile Opfer eines Nato-Angriffs demonstrierte.
Die Nato weist Berichte über den Tod von Zivilisten bei dem Einsatz in der Provinz Laghman zurück. In Afghanistan sicherte US-Verteidigungsminister Robert Gates zu, dass die US-Truppen nicht abrupt abziehen würden. Der ab 2011 geplante Abzug der amerikanischen Truppen werde der Lage angepasst sein und könne sich zwei, drei oder vier Jahre hinziehen, sagte Gates bei einem nicht angekündigten Besuch in Kabul. „Wir werden an ihrer Seite kämpfen, bis die afghanischen Streitkräfte groß und stark genug sind, ihr Land allein zu schützen“, sagte er. Präsident Hamid Karsai bekräftigte sein Ziel, dass die afghanischen Sicherheitskräfte innerhalb von fünf Jahren im ganzen Land die Verantwortung übernehmen.
Kanadas Armeechef, General Walt Natynczyk, machte indes klar, dass die 2800 Soldaten seines Landes bis Ende 2011 Afghanistan verlassen würden. Der Kommandeur der Nato-Truppen in Afghanistan, der US-General Stanley McChrystal, erklärte vor dem Kongress in Washington, er wolle in einem Jahr die Wende im Krieg gegen die Taliban erreichen. Der Kampf werde jedoch schwer und mit Verlusten verbunden sein, warnte er.