Die griechische Regierung will sich Rückhalt bei den Bürgern für die Sparpläne holen. Doch das gefährde die Rettung des Landes, sagen Experten.
Hamburg/Athen. Ein Referendum in Griechenand . Der Demos, das Volk, soll nun also entscheiden. Die alten Griechen machten es so in der Antike. Jeder Bürger der Polis konnte in der attischen Demokratie an der Versammlung des Volkes teilnehmen und über die Politik abstimmen. Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou wählt nun gewissermaßen den "attischen Weg" in der Schuldenkrise - und lässt die Bürger über die in der vergangenen Woche beim Euro-Gipfel in Brüssel gefassten Beschlüsse zum Rettungspaket abstimmen. Die einen nennen Papandreous Plan des Referendums einen "mutigen und richtigen Schritt".
Die anderen warnen vor dem hohen Risiko der Volksabstimmung. "Es ist für das Volk ein höchst demokratischer und höchst patriotischer Schritt, seine eigene Entscheidung zu fällen", sagte Papandreou. Nicht unwahrscheinlich, sagen Experten, dass die Griechen die Sparmaßnahmen im Zuge des Hilfsprogramms ablehnen. Was wären die Folgen? Bleibt Griechenland auch bei einer Ablehnung weiter in der Euro-Zone? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum lässt Griechenlands Ministerpräsident abstimmen?
Das Land kann seine Schulden nicht begleichen. Der Staat ist auf Bürgschaften und Kredite der Europäischen Union angewiesen. Doch die sind an strenge Sparprogramme und Reformen gebunden. So sollen etwa die Renten drastisch gekürzt werden. Die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds geben die Sparauflagen vor. Seit Wochen streiken viele Menschen auf den Straßen Athens, Papandreous Popularität ist auf dem Tiefpunkt. Mit der Volksabstimmung will sich Papandreou den nötigen Rückhalt bei den Griechen holen - und so seine Macht stärken.
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Worüber genau entscheiden die Griechen im Referendum?
Das ist bisher nicht eindeutig definiert. Sicher ist nur, was Papandreou öffentlich angekündigt hat: Die Griechen sollen über das zweite Rettungspaket abstimmen, das jüngst in Brüssel beschlossen wurde: Griechenland werden 50 Prozent seiner Staatsschulden erlassen, das Land erhält über den Rettungsschirm EFSF etwa 109 Milliarden Euro an neuen Krediten. Allerdings kann Papandreou ein Referendum nur durchsetzen, wenn er eine Vertrauensabstimmung im Parlament gewinnt. Das ist ungewiss: Die Mehrheit von Papandreous Sozialisten ist auf 152 der 300 Sitze geschmolzen. Die Volksabstimmung ist für das Frühjahr geplant - angesichts der akuten Krise des Landes viel zu spät, kritisieren Experten.
Was passiert, sollten die Griechen das Hilfspaket der EU ablehnen?
"Die Folge wäre eine echte Insolvenz Griechenlands", warnen Experten wie Michael Bräuninger, Forschungsdirektor am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Zwar gibt es weder eine Insolvenzordnung für Staaten noch eine Institution, die einen Staat offiziell für bankrott erklären könnte. Staaten können sich aber selbst als zahlungsunfähig erklären, weil sie laufenden Ausgaben nicht mehr nachkommen können und auch keine neuen Kredite mehr erhalten. Bei einer solchen Insolvenz drohe auch den großen griechischen Staatsbanken die Pleite, sagt Bräuninger. Damit würden sowohl Privatleute als auch Unternehmen nicht mehr an ihr Kapital bei den Banken kommen. Diese Insolvenzen würden sich also unmittelbar auf die reale Wirtschaft des Landes auswirken, hebt Bräuninger hervor.
Ist auch ein Austritt des Landes aus der Euro-Zone möglich?
Laut Europarecht kann Griechenland nicht selbst aus dem Euro-Raum austreten. Kein Mitglied könne das eigenmächtig entscheiden, sagt Währungsrechtler Helmut Siekmann von der Frankfurter Goethe-Universität. Auch einen Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone verbieten die europäischen Verträge. Einigen sich alle Akteure auf einen Austritt, müsste das Primärrecht der EU geändert werden. Für Michael Bräuninger vom HWWI wäre der Austritt aus der Euro-Zone dennoch die "wahrscheinliche Konsequenz", sollten die Griechen das Hilfspaket ablehnen. Doch er warnt eindringlich davor: "Eine neue Drachme als Währung wäre sehr schwach. Somit verlieren auch die Unternehmen und Privatleute ihr Kapital, sobald ihre Vermögen von Euro in Drachmen umgewertet werden." Da Griechenland einen großen Teil seiner Staatsschulden in Euro aufgenommen hat, müsste es die später in Drachmen teuer zurückzahlen. Einziger Lichtblick: Durch eine niedrige Drachme dürfte der Handel Griechenlands mit dem Ausland zunehmen.
Was wären die Folgen für die anderen Staaten in Europa?
Was genau bei einem Austritt der Griechen aus dem Euro passiert, ist schwer vorhersehbar. Vor allem französische Banken halten griechische Staatsanleihen. Sie wären von den Verlusten stark betroffen. Experten sehen zudem einen Vertrauensverlust für Anleger in der gesamten Euro-Zone. Wie sensibel der Markt auf Nachrichten aus Griechenland reagiert, zeigt ein Blick auf den Deutschen Aktienindex: Am Tag nach Papandreous Ankündigung eines Referendums verlor der DAX in kurzer Zeit rund fünf Prozent seines Wertes. Michael Bräuninger warnt vor der Gefahr, dass einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone kriselnde Staaten wie Spanien, Portugal oder Italien folgen könnten. Die Stabilität Europas würde erschüttert. Bleibt am Ende nur ein nordeuropäisches Bündnis?
Was können Deutschland und die Europäische Union jetzt tun?
Vor allem nur eines: abwarten - und hoffen, dass die Griechen sich für den Euro-Rettungsschirm aussprechen. Würde Deutschland die Angebote an Griechenland jetzt verbessern, wäre die Finanzpolitik der EU unglaubwürdig, warnt Bräuninger. Sanktionsmaßnahmen und Konsolidierung würden in Zukunft nicht mehr ernst genommen.
Eine Reportage aus Athen:
Die innere Blockade der Griechen